Probenkammer eines Rasterelektronenmikroskops © Heiko Hofmann & Michael Laumann, Uni Konstanz

Nachweis von Asbest

Alles andere als trivial

Wie weist man Asbest nach?

Am Anfang steht der Vedacht, dass in einem Baustoff Asbest vorhanden sein könnte. Sicherheit bringt nur der Nachweis bzw. die Analyse.

Die gängigste und wichtigste Methode zum Nachweis von Asbest ist die Rasterelektonenmikroskopie (REM). Sie liefert gleich zwei Ergebnisse:

  • Ein Bild
  • Die chemische Zusammensetzung

Nur in dieser Kombination ist eine Aussage, ob es sich um Asbest handeln könnte, annähernd möglich. Trivial ist die Angelegenheit allerdings nicht: Sie erfordert extrem saubere Arbeit und vor allem viel Erfahrung, denn die Gefahr der Verwechslung ist sehr groß.

Auf dieser Seite erfahren Sie, warum.

Das Bild

REM Bild von Ton und Gips © Heiko Hofmann

Achtung: Was Sie sehen, ist kein Foto! Es ist ein Bild!

Wir begeben uns in eine Mikrowelt, wo man mit einem herkömmlichen Lichtmikroskop nicht mehr viel ausrichten kann. Was wir sehen wollen (oder sichtbar machen) ist einfach viel zu klein. Ein herkömmliches Lichtmikroskop schafft ca. 50-fache Vergrößerung, ein gescheites REM bis zu 300000-fach. Das Bild, das ein REM erzeugt - oder besser gesagt: berechnet - entsteht nicht durch Licht, sondern durch Elektronen. In der Probenkammer ist es nämlich stockdunkel.

Es wird kein Licht reflektiert, sondern Elektronen und Röntgenstrahlung. Beides wird von Detektoren aufgefangen. Das Bild wird letztlich von einem Computer erzeugt.

In einer senkrecht stehenden Röhre wird von einer Glühkathode unter Hochspannung (ca. 20 kV) ein Elektronenstrahl auf die Probe in der Probenkammer geschossen. Mit elektromagnetischen "Linsen" wird der Strahl fokussiert und bewegt. Er scannt die Probe zeilenweise wie bei einem alten Röhrenfernseher ab. Daher Rasterelektronenmikroskop.

Wie wir wissen, sind Elekronen, die sich bewegen, bewegte Ladung - und das ist elektrischer Strom. Damit Strom fließen kann, muss die Probe leitend sein. Ist sie aber nicht von vornherein. Deshalb wird sie vor der Analyse mit Gold, Kohlenstoff oder sogar Platin bedampft. Nur ganz dünn, damit die Oberflächenstruktur erhalten bleibt. Wir wollen keinen Goldbarren. Wenigstens nicht hierbei.


Funktionsprinzip eines REM © Salino01 - Wikipedia - CC BY-SA 3.0

Wir bombardieren die Probe also mit sehr schnellen Elektronen. Die Wortwahl ist Absicht. Sobald die Elektronen auf die Probe treffen, passieren dort mehrere Dinge:

  • Die Eletronen treffen andere Elektronen und schießen sie wie Billardkugeln aus dem Atom. Diese Elektronen nennt man Sekundärelektronen. Sie werden von einem speziellen Detektor mit der sinnigen Bezeichnung SE-Detektor (für Sekundärelektronen) aufgefangen und analysiert. Auf der dem Detektor zugewandten Seite fliegen mehr Elektronen Richtung Detektor als auf der abgewandten Seite. Deshalb wird dort das Bild heller (vereinfacht gesagt - es spielen noch andere Faktoren eine Rolle - wie immer). Dadurch entsteht auch der räumliche Eindruck. Der SE Detektor liefert also die Daten für das schöne Bild.
  • Ein Teil der Elektronen wird zurückgestreut. Auch die werden von einem Detektor ausgefangen. Dem BSE Detektor. Das hat nichts mit der Kreutzfeld-Jakob-Krankheit zu tun. Es steht für Back-Scattered-Electrons, also zurückgestreute Elektronen. Auch damit wird ein Bild erzeugt, allerdings nicht so schön dreidimensional, sondern flach und in hell-dunkel-Kontrasten.

Die chemische Zusammensetzung

Schalenmodell eines Atoms mit K, L und M-Schalen © Heiko Hofmann
  • Der wichtigste Effekt: Die herausgeschossenen Elektronen hinterlassen Lücken, die sofort wieder gefüllt werden (müssen). Jetzt kommt etwas Chemie: Das Schalenmodell. Von einer weiter außen gelegenen Schale (das sind in diesem Modell die kugelförmigen konzentrischen Bahnen auf denen Elektronen um den Atomkern fliegen), z. B. der L-Schale, fällt ein Elektron auf die innere K-Schale (wo die Lücke entstanden ist) und verliert dabei Energie. Die "Strecke" zwischen den Schalen enstpricht einem ganz bestimmten Energiebetrag, der für jedes Element charakteristisch ist. Dabei wird ein Photon, ein kurzer Röntgenimpuls, mit genau diesem Energiebetrag freigesetzt und vom EDX Detektor gemessen. EDX steht für Energy-Dispersive-X-Ray detector.

Dieser Effekt liefert uns die chemische Zusammensetzung der Probe in Form eines EDX Spektrums.


Elastischer Stoß im Atom und Aussendung eines Photons (Röntgenimpuls)

Die Auswertung

Tricky!

Wir haben also ein schönes, eindrucksvolles Bild und dazu ein abstraktes Spektrum mit einer Zickzacklinie.

Mit dem Bild, das geht ja noch. Da sieht man nadelige oder faserige Strukturen neben anderem Zeugs. Das könnte schon mal Asbest sein, der ist ja faserig oder nadelig.

Aber dieses Zickzack Diagramm mit den Buchstaben ...

Chrysotil im REM mit EDX Analyse © CRB Analyse GmbH

Im Bild links sieht man die typischen lockigen Fasern des Chrysotil Asbestes mit reichlich Spliss an den Haarspitzen.

Was lesen wir aus dem EDX Diagramm?

Die Zacken sind sogenannte Peaks. Jeder Peak steht für ein bestimmtes Element. Wir hatten ein Elektron von der K-Schale herausgeschossen. Die Lücke wird durch ein Elektron gefüllt, das aus der weiter außen gelegenen L-Schale "herunterfällt". Dabei wird Energie frei - in Form eines Röntenquants bzw. Photons. Ein Lichtblitz, den man nicht sehen kann ... Dieser Energiebetrag ist der Fingerabdruck genau eines spezifischen Elementes.

Dementsprechend steht die untere Achse für die Energien - und somit für verschiedenen Elemente. Die Peaks für jedes Element sind immer an derselben Stelle. Die Höhe der Peaks ist  proportional zur Häufigkeit des Elementes. Das ist aber noch komplizierter. Sagen wir, das haut fast hin und wir kriegen einen Eindruck über die Menge, wenn auch keine genaue Zahl.


Chrysotil-Asbest

Chrysotil C Jeol

Die 3 höchsten Peaks sind in unserem Fall die Elemente Mg, Si und O. Hurra! Genau die Elemente, die wir für Chrysotil brauchen - richtig?

Gold (Au) ist auch noch da, aber das ist die Beschichtung und Kohlenstoff (C), vermutlich vom Klebepad, auf dem die Probe mit dem Träger verklebt wird. Ganz wenig Eisen (Fe), nicht der Rede wert.

Wir folgern daraus: Schöne Locken im Bild und die nötigen Elemente -
Das muss Chrysotil sein!

Mineral Formel
Chrysotil Mg3 Si2O5 (OH)4


Amphibol-Asbest

Weitere wichtige Asbestarten sind die Amphibolasbeste. Amphibole besitzen die typische Bänderstruktur aus SiO4 Tetraedern.

Bänderstruktur von Amphibolen © Heiko Hofmann
Mineral Formel
Krokydolith (Riebeckit) Na2 Fe2+3 Fe3+2[(OH)2 | Si8O22]
Tremolit Ca2 Mg5[(OH,F)2 | Si8O22]
Aktinolith Ca2 (Mg,Fe)5[OH2 | Si8O22]
Amosit (Grunerit) (Fe2+, Mg)7[(OH)2 | Si8O22]
Anthophyllit (Mg, Fe2+)7[(OH)2 | Si8O22]

Sehen Sie die Ähnlichkeiten? Die Natur nimmt, was sie kriegen kann und baut daraus irgendwas zusammen. Nur der Grundbauplan ist immer gleich: (Metall) 7 [(OH)2 | Si8O22]

Je mehr Elemente in den Asbesten vorkommen, desto schwieriger die Analyse, denn diese Elemente kommen in fast allen anderen (nicht-Asbest) Silikaten auch vor!

Bilder 1 und 2

Amosit (ein Amphibol Asbest , auch Grunerit oder "brauner Asbest" genannt).
Chemische Formel (Fe2+, Mg)7 [OH | Si4O11]2 - monoklin.

 

Bilder 3 und 4

Anthophyllit, ebenfalls "brauner" Amphibolasbest.
Chemische Formel (Mg,Fe2+)7[OH | Si4O11]2 - orthorhombisch

Der Unterschied zu Grunerit ist einzig die Kristallstruktur. Die Chemie ist exakt gleich. Moment mal, ist sie wirklich exakt gleich?


Ist Ihnen aufgefallen, dass beim Amosit der Mg Peak sehr klein ist und beim Anthophyllit wieder recht hoch? Beide haben doch exakt dieselbe chemische Zusammensetzung! Und wenn beide gleiche Mengen an Fe und Mg haben, warum sind dann die Peaks nicht gleich hoch?

Erstens:

Genau deshalb ist die Interpretation der Ergebnisse ziemlich schwer.

Zweitens:

Man muss natürlich die Matrix, also die Umgebung, mit berücksichtigen. Wurde nur das eine Mineral gemessen oder die ganze Probe mitsamt dem anderen Zeugs das da noch so rumliegt?

Drittens:

Sehen Sie sich nochmal die Formeln an: Sowohl Mg als auch Fe stehen in einer Klammer, durch Komma getrennt. Dahinter steht 7. Sie teilen sich also 7 Plätze. Wer wieviele Plätze kriegt, steht da nicht. Nur beim Amosit steht Fe vorne und beim Anthophyllit Mg. Heisst: Beim Amosit ist Fe klar im Vorteil und hat vermutlich (mindestens) 4 von 7 Plätzen bekommen.

Bilderrätsel - Asbest oder nicht Asbest? Das ist hier die Frage!

Die Aufnahmen stammen von einer Gesteinsprobe aus Argentinien. Sie ist das Produkt einer verwitterten Vulkanasche. Bei deren Umwandlung entsteht im Meerwasser das Tonmineral Montmorillonit, ein Schichtsilikat mit fast gleicher chemischer Zusammensetzung wie Chrysotilasbest.

Die Fasern sind typische Zeolitfasern, die als eine Art Übergangsstadium entstehen können. Auch dies sind Silikate, die aus denselben Bausteinen wie Asbestminerale bestehen.

Im EDX Spektrum sieht man neben den üblichen Verdächtigen noch Aluminium (Al), das sich im Feldspat, Zeolit und im Montmorillonit sehr wohl fühlt. Erinnern Sie sich: Oktaeder mit Al im Zentrum?

Die Elemente, die man im EDX Spektrum von Asbesten sieht, kommen in allen Silikaten vor! Und sehr, sehr viele Silikate haben mindestens eine Modifikation, die stengelig oder nadelig oder faserig wächst.

Also Vorsicht: Nur weil man im REM Fasern sieht und im EDX Spektrum die erwarteten Elemente auftreten heißt das noch lange nicht, dass es sich um Asbest handelt!

Viel hängt also von der Erfahrung des Analytikers bei der Interpretation der Ergebnisse ab.

Qualität und Quantität

Alles bisher Erzählte gibt uns lediglich eine Aussage darüber, ob es sich um Asbest handelt oder nicht. Also rein qualitativ!

Bei den Grenzwerten geht es allerdings um die Menge, die Quantität und zwar normiert, also auf ein begrenztes Volumen bezogen, nämlich 1 m3. Erst dann sprechen wir von einer Faserkonzentration.

Fasern auf einer Fläche

Das geht nur über die Art der Probennahme, die übrigens auch genau festgelegt ist. Man kann sogenannte "Abklatschproben" oder "Kontaktproben" nehmen, indem man mit einem Klebestreifen einfach die auf einer Oberfläche haftenden Partikel (einschließlich Staub) abzieht. Dies erlaubt allerdings nur Rückschlüsse auf die Anzahl der Partikel auf einer Fläche, nicht aber auf ein Volumen. Diese Art der Probennahme ist sinnvoll, um herauszufinden, wie weit sich Asbestfasern von einer Quelle ausgebreitet haben könnten und dort sedimentiert sind.

Fasern in der Raumluft

Ausschlaggebend ist jedoch die Raumluft, die wir einatmen und die darin enthaltene Anzahl der Fasern. Da reicht kein Klebestreifen. Hierfür muss eine bestimmte Menge Luft durch einen sogenannten "Sampler" sozusagen "eingeatmet" werden und gleichzeitig müssen die Partikel auf einem Probenträger, der später ins REM soll, sedimentiert werden. Das ist etwas aufwändiger, aber machbar. Am Ende gilt für beide Proben: Zählen!

Das geht heute vollautomatisch, allerdings muss die Software dann natürlich Asbestfasern von übrigem Zeugs unterscheiden können. Und die Software ist wiederum nur so schlau wie der Programmierer. Womit wir wieder bei der Erfahrung des Analytikers sind.