Asbest heute - die Konsequenzen

Die heutige Situation

Traurig - es hat rund 75 Jahre gedauert von der (An)Erkennung von Asbestose als durch Asbest verursachte Krankheit bis zum endgültigen Verbot von Asbestprodukten in ganz Europa.

Asbestose war allerdings 1930 nichts anderes als eine "ganz normale Staublunge", wie sie bei Bergmännern im Steinkohlebergbau üblich war. Oder eine Silikose, wie sie bei Menschen auftrat bzw. auftritt, die in der Nähe aktiver Vulkane leben. Dass Asbestfasern Krebs erzeugen können, wurde erst viel später anerkannt. Bitter: Die Menschen mit Staublunge oder Asbestose sind erstickt, bevor sie an Krebs erkranken konnten.

In der Zwischenzeit wurde fleißig Asbest tonnenweise importiert, aufbereitet, verarbeitet und eingebaut was das Zeug hielt. Es war billig, feuerfest, chemisch beständig und leicht zu verarbeiten. Schätzungsweise sind noch heute allein in Deutschland  rund 30 Millionen Tonnen Asbestprodukte verbaut. Die Universität Konstanz ist leider keine Ausnahme - genau wie die meisten anderen Universitäten oder generell öffentliche Gebäude in Deutschland auch. Es wird also sicher noch ein paar Tage dauern, bis dieser Schlamassel beseitigt ist. Ganz zu schweigen von der Masse des als gefährlich eingestuften Sonderabfalls...

Spätfolgen

GHS Krebserregend

Staublunge und Asbestose sind recht "kurzfristige" Erkrankungen, die bei einer extrem hohen Staub- oder Faserkonzentration in der Atemluft auftreten. Dennoch mussten die Fasern über viele Jahre hinweg in diesen hohen Konzentrationen eingeatmet werden. Wir sprechen von Milliarden Partikeln pro m3 Atemluft über viele Stunden täglich - und das über viele Jahre.

Andere typische durch Asbest verursachte und anerkannte Erkrankungen sind Lungenkrebs und Mesotheliom, eine Krebserkrankung des Bauchfells. Aber auch hier sind extrem hohe Konzentrationen (Millionen Fasern pro m3 Atemluft) über viele Jahre notwendig, um solche Erkrankungen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu verursachen. Wobei die Wahrscheinlichkeit, an Lungenkrebs zu erkranken, bei Rauchern deutlich höher liegt. Und dann ist nicht klar, ob nun Asbest oder das Rauchen alleine verantwortlich ist /war. Die Asbestindustrie schob den Rauchern den Schwarzen Peter zu, die Zigarettenindustrie machte es genau umgekehrt.

Und noch ein Dilemma: Die ersten Symptome einer Erkrankung treten erst sehr viele Jahre nach der Exposition auf - rund 30 bis 50 Jahre. Dann ist Asbest kaum noch nachweisbar.


Anerkennung durch die Unfallkassen

Die Unfallkassen erkennen Asbestose, Lungenkrebs und Mesotheliom nur dann als Berufserkrankung an, wenn der / die Betroffene 25 Faserjahre nachweisen kann. Mit dem Expositions-Risiko-Rechner können Sie beispielhaft einmal nachrechnen, welche Belastung über welche Zeiträume notwendig ist, um auf diese Zahl zu kommen.

Ein Faserjahr ist die Belastung durch mehr als 1 Million Fasern pro m3 Atemluft über 8 Stunden täglich bei mindestens 240 Arbeitstagen pro Jahr. Mehr dazu weiter unten!


Nachweisbarkeit und Grenzwerte

Die analytischen Methoden sind heute soweit fortgeschritten, dass man ab einer Faserkonzentration von ca. 100 Fasern pro m3 Luft Asbest relativ sicher nachweisen kann. Wir haben gesehen, dass der Nachweis wegen der hohen Verwechslungsgefahr durchaus schwierig sein kann.

Folgende Richt- und Grenzwerte finden aktuell in Innenräumen Anwendung:

Einstufung

  • als asbestfrei gelten Produkte mit < 0,008 %
  • als Gefahrstoff gelten Produkte mit > 0,1 %
  • als schwach gebunden gilt Asbest in Produkten mit einer Dichte von < 1 t/m3
  • als fest gebunden gilt Asbest in Produkten mit einer Dichte von > 1,4 t/m3
  • Einstufung nach dem Faserverhalten alles dazwischen > 1 t/m3 und < 1,4 t/m3
  • Richtwert für Innenräume: 0 Fasern pro m3

Grenzwerte im Nutzerschutz:

  • < 500 Fasern pro m3 (Messwert) sowie 1.000 Fasern pro m3 als statistisch berechnete obere Grenze des 95-%-Akzeptanzbereichs (nach einer Sanierung)
  • < 1.000 Fasern pro m3 (während einer Sanierung zum Schutz Dritter)

Grenzwerte im Arbeitsschutz (Arbeiten mit Asbesthaltigen Produkten):

  • < 10.000 Fasern pro m3: „Arbeiten mit geringer Exposition“
  • < 100.000 Fasern pro m3: „Arbeiten geringen Umfangs“
  • > 100.000 Fasern pro m3: „umfangreiche Arbeiten“
  • > 1.000.000 Faser pro m3: Richtwert für die Berechnung eines Faserjahres und zur Anerkennung als Berufskrankheit.

Das bedeutet, für die Nutzer in Innenräumen gilt eine Belastung bis 500 Fasern / m3 als ungefährlich, während einer Sanierungsmaßnahme sogar bis zu 1000 Fasern.

Betrachtet man die Grenzwerte für den Arbeitsschutz, so sind die Grenzwerte für Nutzer*innen sehr streng ausgelegt und liegen viele Größenordnungen unter den Belastungen, die zu Krebs oder gar Asbestose führen können. Wobei bei den o.g. Grenzwerten die Zeit nicht berücksichtigt ist. Diese Grenzwerte gelten für die einmalige Exposition genauso wie für die Tägliche.

Skala der Asbest Grenzwerte © HH Uni KN

Faserjahre und Risiko einer Krebserkrankung

Wie fast immer beim Thema Asbest geht es auch in diesem Fall um den Arbeitsschutz – allerdings nicht nur um die eigentliche Prävention, sondern und insbesondere um die Entschädigungsspflicht der Unfallkassen:

Wie an vielen anderen Stellen bereits beschrieben, kann man nicht vorhersagen, ob durch eine Asbestbelastung bzw. Faserexposition eine Krebserkrankung entsteht oder nicht. Man kann allenfalls eine Wahrscheinlichkeit vorhersagen, bzw. annehmen. Das bedeutet, es gibt auch keine Grenze, ab wievielen Fasern, die man eingeatmet hat, eine Erkrankung entsteht. Deshalb gibt es auch keine wirklichen Grenzwerte – nur Richtwerte für diese Wahrscheinlichkeit.

Anders sieht es bei den Schutzmaßnahmen aus: Da muss man genau sagen können, ab wievielen festgestellten Fasern man Schutzmaßnahmen vorschreibt und welche das sind. Da darf natürlich keine Abschätzung möglich sein – sonst würde das jeder für sich alleine entscheiden.

Um nun einerseits eine Beziehung zwischen einer absoluten Anzahl an Fasern, die man in einem bestimmten Zeitraum eingeatmet hat und einem daraus resultierenden Risiko einer Krebserkrankung herzustellen und andererseits, um Grenzwerte festlegen zu können, ab wann welche Maßnahmen zum Schutz vor Asbestexposition greifen, hat man die Begriffe der Faserjahre, Akzeptanzkonzentration und Toleranzkonzentration festgelegt. Dabei ist wichtig zu berücksichtigen, dass die Zahlen, die man für diese Ferstlegung benötigt, aus Erfahrungswerten von asbestbedingten Erkrankungen in der Vergangenheit, Tierexperimenten sowie Krebserkrankungen aufgrund der Exposition anderer Gefahrstoffe gewonnen und diese kombiniert hat.

Die Akzeptanz- und Toleranzwerte sind in der TRGS 910 “Risikobezogenes Maßnahmenkonzept für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen” festgelegt und genau beschrieben.

Faserjahre

Die Unfallkassen verlangen 25 Faserjahre, damit sie eine asbestbedingte Erkrankung als Berufserkrankung anerkennen. Dabei entspricht ein Faserjahr der Belastung durch 1 Million Fasern pro m3 Raumluft bei einer Atemrate von 10 m3 Pro tag (in 8 Stunden) an 240 Tagen im Jahr. Man hätte demnach in einem Jahr 2,4 Milliarden Fasern eingeatmet. Dies wäre auch eine Dosis. Das ist wichtig, denn eine Dosis, die man abbekommen hat, nimmt nie wieder ab, immer nur zu! Zusätzlich wurde die Dauer des Berufsleben mit 40 Jahren festgelegt.

Krebsrisiko

Aufgrund oben genannter Forschung wurde mit einem Faserjahr, also einer Dosis von 2,4 Milliarden Fasern ein Krebsrisiko von 1:1000 ermittelt und festgelegt. Das bedeutet, wenn man ein Jahr lang dieser Faserkonzentration von 1 Million Fasern / m3 8 Stunden täglich an 240 Tagen ausgesetzt war, ist die Wahrscheinlichkeit, daran an Krebs zu erkranken 1:1000 bzw. eine von 1000 Personen (die diesen Bedingungen ausgesetzt waren) erkrankt an Krebs.

Diese Beziehung ist die Grundlage für die Ermittlung des Risikos, an Krebs zu erkranken und der Berechnung der Faserjahre.

Akzeptanzkonzentration

Gleichzeitig werden Grenzwerte beim Umgang mit Asebst benötigt und wann welche Maßnahmen ergriffen werden müssen. Die untere Schwelle, bis zu der jemand, der mit Asbest arbeitet (also berufsbedingt), keine Schutzmaßnahmen benötigt, heißt Akzeptanzschwelle.

Warum Akzeptanz? Weil damit eine akzeptables Risiko verknüpft ist, an Krebs zu erkranken. Das heißt auf deutsch: Wieviele Krebsfälle (pro soundsoviel) nimmt man in Kauf?

Das Akzeptanzrisiko wurde auf 4:10 000 festgelegt. Wie kommt man darauf? Zunächst hat man die Faserkonzentration auf 10 000 Fasern pro m3 Raumluft festgelegt. Wenn man davon ausgeht, dass man sein ganzes Berufsleben lang mit dieser Belastung jeden Tag zu tun hat, und das Risiko eines Faserjahres 1:1 000 entspricht, ergibt sich rechnerisch bei einer Belastung von 10 000 Fasern über 40 Jahre ein Risiko von 4:10 000 ( = 1:2 500) – und das gilt als hinnehmbar.

Toleranzkonzentration

Bis zu einer Faserkonzentration von 100 000 Fasern / m3 und einem damit verbundenen Risiko von 4:1000 (= 1:250) gilt das Risiko als tolerabel. Man nimmt also 4 von 1000 an Krebs erkrankten Personen als tolerierbar in Kauf. Oberhalb dieser Zahl bzw. dieser Faserkonzentration wird die Belastung nicht mehr toleriert. Das bedeutet, dass Arbeitsschutzmaßnahmen so ausgelegt sein müssen, dass bei der Arbeit mit Asbest die Toleranzkonzentration nicht überschritten werden kann.

Risiko selbst berechnen

Wenn Sie selbst einmal ausrechnen wollen, wie hoch das Risiko wäre, wenn Sie über eine bestimmte Zeit einer bestimmten Faserkonzentration ausgesetzt wären (der waren), können Sie den folgenden Expositions-Risiko-Rechner verwenden. Bitte beachten Sie aber folgendes:

Dieser Rechner verwendet die in der TRGS 910 vorgegebenen Werte als Berechnungsgrundlage. Er ist nicht geeignet, Ihr tatsächliches Risiko zu berechnen an Krebs zu erkranken – er gibt Ihnen lediglich einen Eindruck, in welcher Größenordnung Sie sich eventuell bewegen und wie hoch ein ungefähres Risiko ist. Die Unfallkassen gegen bei der Berechnung der Faserjahre ähnlich vor, jedoch fließen mehr Details ein: Z.B. unterschiedliche Belastungen für verschiedene Zeiträume.

Der Rechner basiert auf einem Excel-Makro. Um ihn verwenden zu können, müssen Sie in Excel die Ausführung von Makros erlauben.


Wichtiger Hinweis zur Anwendung:

Als Grundlage für die Definition eines Faserjahres ist als Faserkonzentration 1.000.000 Fasern voreingestellt. Ändern Sie diesen Wert in die natürliche Hintergrundbelastung von 100 Fasern / m3, wenn Sie nicht über Werte aus einer konkreten Messung verfügen! Natürlich können Sie oberhalb von 100 Fasern jeden Wert eintragen, dann erhalten Sie allerdings kein realistisches Ergebnis, sondern ein rein hypothetisches.

Anmeldung erforderlich

Sie müssen sich anmelden, um den Rechner herunterladen zu können. Falls Sie als Gast auf diese Seite zugreifen, senden Sie bitte eine Nachricht an die angegebene Adresse.

Fazit - Don't panic!

3D Figuren, Fragezeichen © verändert CC0

Sie wissen jetzt eine ganze Menge über die Art und Herkunft von Asbest - und was es anrichten kann.

Vorsicht ist geboten - kein Zweifel. Aber Panik ist auch nicht angezeigt: Asbestfasern kommen in der Natur und auch in unserer Atemluft vor. Nicht viele, aber sie sind da, im Schnitt rund 100 - 200 Fasern / m3 Luft. Sie stammen aus den Gesteinen der Erdkruste, aus alten Bremsbelägen, aus alten Baustoffen, etc. Genau wie tausende andere Schadstoffe, denen wir täglich ausgesetzt sind.

Unser Körper kann sich schützen

Unser Körper verfügt glücklicherweise über eine ganze Armada von Abwehr- und Reparaturmechanismen - und meistens funktionieren sie sehr zuverlässig. Jeden Tag! Nur manchmal (extrem selten) eben nicht. So gesehen kann aber auch die eine Zigarette oder das eine Glas Rotwein oder eins der zahllosen Umweltgifte, denen wir täglich ausgesetzt sind, verantwortlich sein. Zählen Sie dann auch ehrlicherweise die vielen als ungesund geltenden Lebensmittel dazu.

Das Dumme bei Asbest ist: Die Auswirkungen werden erst viele Jahre, sogar Jahrzehnte später bemerkbar. Es sind ausschließlich Langzeitfolgen bekannt - und um die Auswirkungen der jüngsten Bausünden abzuschätzen ist noch zu wenig Zeit vergangen.

Wir kennen lediglich die Spätfolgen der intensiven Arbeit mit Asbest und daraus hergestellten Produkten. Die Rede ist von denjenigen, die jahre- bzw. jahrzehntelang täglich mit extrem hohen Dosen an Asbestfasern in der Atemluft (> 1 Million / m3) zu tun hatten.

Es soll hier nichts verharmlost werden - im Gegenteil - wir wollen sensibilisieren. Aber dabei spielen die Größenordnungen ebenso eine Rolle. Werden wir irgendwann sterben? Voraussichtlich schon. Spätestens am Ende des Lebens. Wird Asbest die Ursache sein? Extrem unwahrscheinlich.

Und noch eine gute Nachricht: Die Schadstoffe werden saniert. Das geht leider nicht von heute auf morgen - aber es passiert. Viele engagierte Personen an der Universität und von außerhalb arbeiten aktuell an der Problematik.