Pflichtenübertragung

... muss das sein?

Grafik Pflichtenübertragung
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Der Arbeitgeber ist für die Durchführung und die Einhaltung des Arbeitsschutzes in seinem Betrieb verantwortlich. Im Fall der Uni Konstanz wäre das streng genommen das Land Baden-Württemberg bzw. die Uni als Dienstherrin oder stellvertretend die Rektorin als Vorgesetzte aller Professorinnen und Professoren bzw. der Kanzler als Chef aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Es ist völlig klar, dass weder die Rektorin noch der Kanzler diese Aufgabe alleine durchführen können, selbst wenn sie alle Arbeitsstätten kennen würden. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber in §13, (2) Arbeitsschutzgesetz und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung DGUV in Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention", §13 (2) die Pflichtenübertragung vorgesehen.


Der Unternehmer kann zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen, ihm obliegende Aufgaben (nach diesem Gesetz) in eigener Verantwortung wahrzunehmen.
§ 13 (2) ArbSchG
... Die Beauftragung muss den Verantwortungsbereich und Befugnisse festlegen und ist vom Beauftragten zu unterzeichnen. Eine Ausfertigung der Beauftragung ist ihm auszuhändigen.
§13 (2) DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention"

Die Pflichtenübertragung ist also ein Instrument, um den Arbeitsschutz betrieblich zu organisieren.

  • Zuverlässige Personen sind jene, von denen man erwarten kann, dass sie ihre Aufgaben im Zuge des Arbeitsschutzes gewissenhaft wahrnehmen.
  • Fachkundige Personen zeichnen sich durch einschlägiges Fachwissen und (mehrjährige) Berufserfahrung aus.

Nur Personen, die beide Eigenschaften mitbringen, darf der Unternehmer Verantwortung übertragen. Wenn Ihnen also im Rahmen einer formellen Pflichtenübetrtragung die Verantwortung für einen Bereich übertragen wird, besprechen Sie die genaue Abgrenzung des Bereichs / der Bereiche und der Aufgaben mit Ihrem Vorgesetzten, sofern diese nicht bereits in der Verwaltungsvorschrift Nr. 65/2013 geregelt sind und diese auf Sie zutrifft.


Müssen Pflichten übertragen werden?

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Jein!

Tatsächlich liegen die meisten Pflichten im Arbeitsschutz bereits automatisch bei allen Führungskräften an der Universität. Dazu gehören elementare Pflichten wie

  • Durchführung und Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung
  • Zuständigkeit für den eigenen Arbeits- und Forschungsbereich und die dazugehörigen Räume
  • Generelle Fürsorgepflicht
  • Pflicht zur Unterweisung der Beschäftigten und Studierenden im eigenen Zuständigkeitsbereich
  • etc.

Details dazu sind in der Verwaltungsvorschrift

Nr. 65/2013
Allgemeine Verwaltungsvorschrift der Universität Konstanz über den Vollzug von Rechtsvorschriften des Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutzes

genau geregelt. Diese Pflichten gehen praktisch mit Unterzeichnung des Arbeitsvertrages automatisch auf die verpflichteten Personen (Führungskräfte, Professor*innen, Fachbereichsreferent*innen, Arbeitsgruppenleiter*innen, etc - also alle Personen mit Führungsverantwortung) über. Insofern müssen diese Pflichten nicht nochmals erneut in Form einer Zusatzvereinbarung schriftlich niedergelegt werden. Außerdem können sie auch nachträglich nicht abgelehnt werden.


Welche Pflichten müssen übertragen werden?

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Vereinfacht gesagt: Alle, die nicht ohnehin bereits gemäß Verwaltungsvorschrift übertragen sind. Die Frage ist: Kommt dieser Fall tatsächlich vor?

Ein paar Szenarien

Professorinnen und Professoren

Bei Dienstantritt bzw. mit Vertragsunterzeichnung gilt die Verwaltungsvorschrift Nr. 65/2013 der Uni Konstanz automatisch mit. Da sich im Laufe des Dienstverhältnisses an den Bedingungen für Professorinnen und Professoren praktisch nichts ändert (sie haben von Anfang an Führungsverantwortung für ihre Arbeitsgruppe und Fürsorgepflicht sowie die Verantwortung für ihren Zuständigkeitsbereich - auch wenn sich die Anzahl der Mitarbeiter*innen oder Räumlichkeiten ändern), ändert sich auch nichts an der Gültigkeit der Verwaltungsvorschrift oder an ihren Arbeitsschutzpflichten. Eine weitere Pflichtübertragung ist somit nicht erforderlich.

Akademische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Für sie gilt entweder das Gleiche wie für Professor*innen soweit sie von Anfang an in Führungsverantwortung sind. Dies wäre der Fall, wenn sie eine Stelle als Akademische Rätin / Akademischer Rat, Fachbereichsreferent*in, Arbeitsgruppenleiter*in, etc. antreten. Es gilt automatisch die Verwaltungsvorschrift - eine Pflichtenübertragung ist nicht erforderlich.

Falls sich im Laufe der Dienstzeit erst eine solche Führungsverantwortung ergibt, wird dies in Form eines neuen Arbeitsvertrages oder Ergänzungsvertrages festgehalten. Durch die Unterzeichnung gilt ab sofort auch die Verwaltungsvorschrift mit, d.h. eine zusätzliche schriftliche Pflichtenübertragung ist auch dann nicht notwendig.

Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter

Für sie gilt analog das Gleiche wie für Professorinnen und Professoren bzw. akademischen Mitarbeiter*innen: Wird die Stelle in dieser Funktion angetreten, besteht von Anfang an Führungsverantwortung, also demnach auch die entsprechenden Arbeitsschutzpflichten. Ergibt sich die Verantwortung im Rahmen eines Aufstiegs oder einer Weiterentwicklung, wird ein neuer bzw. ein ergänzender Arbeitsvertrag geschlossen, der automatisch die Bestimmungen der Verwaltungsvorschrift beinhaltet. Auch hier ist dann keine zusätzliche schriftliche Pflichtenübertragung nötig.

Wissenschaftsunterstützendes Personal

Pflichten im Arbeitsschutz können nicht beliebig nach unten weiterdelegiert werden! Die Verantwortung bleibt beim Führungspersonal - also auch teilweise beim Kanzler oder der Rektorin. Sie haben z.B. dafür zu sorgen, dass der Arbeitsschutz durch ihre Mitarbeiter*innen bzw. Professor*innen effektiv umgesetzt wird und sie müssen dies kontrollieren. Ein*e Abteilungsleiter*in kann ihre / seine Arbeitsschutzpflicht nicht unbedingt1 an ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin ohne Führungsverantwortung nach unten weitergeben. Selbst, wenn sich der Aufgabenbereich des Mitarbeiters / der Mitarbeiterin ändert. Dies wäre allenfalls eine sogenannte Aufgabendelegation, die aber nicht automatisch die typischen Arbeitsschutzpflichten beinhaltet. Kurz: Eine Reinigungskraft oder Sekretärin kann nicht dazu verpflichtet werden (schriftlich oder mündlich), eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen.

1Es gibt Ausnahmen und Spezialfälle

Wissenschaftsunterstützendes Personal mit spezieller Befähigung / Fachkunde

In Einzelfällen kann es vorkommen, dass Führungskräfte zwar die generelle Verantwortung in ihrem Zuständigkeitsbereich haben und auch behalten, aber in speziellen Fällen nicht die nötige Fachkunde mitbringen, die sie benötigen, um ihre Pflichten im Arbeitsschutz wahrnehmen zu können. Möglicherweise hat ein*e Mitarbeiter*in jedoch die Fachkunde, weil er / sie entsprechende Kurse besucht hat. In diesem Fall kann durchaus die Arbeitgeberpflicht gem. §13 (2) ArbSchG auf Mitarbeiter*innen (ohne Führungsverantwortung) übertragen werden.


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Fallbeispiel: Instrumentelle Analytik

Üblicherweise kann man davon ausgehen, dass Professor*innen Spezialisten in Ihrem Forschungsbereich sind und daher auch die entsprechende Fachkunde (siehe oben) mitbringen, den Arbeitsschutz umzusetzten.

Häufig wird allerdings aufwändige Analytik betrieben, die sich ständig weiterentwickelt. Sie wird erneuert,vergrößert, verbessert, und ist letztlich so komplex, dass detailreiches Spezialwissen erforderlich ist, um sie betreiben zu können. Meist arbeiten sich akademische Mitarbeiter*innen (bzw. einige Benutzer*innen) in die Thematik ein. Die Professor*innen haben nicht die Zeit, sich mit allen Einzelheiten aller analytischer Geräte zu beschäftigen und somit fehlt ihnen möglicherweise die Fachkenntnis, beispielsweise die Mitarbeiter*innen in der Analytik bzw. damit verbundene Gefährdungen zu unterweisen. Die Mitarbeiter*innen sind dann im Gegensatz zum eigenen Chef (zur Chefin) die Spezialisten für diese Analytik und somit auch fachkundige Personen (siehe oben). Diese könnten dann auch für die Umsetzung des Arbeitsschutzes Verantwortung - aber auch die Weisungsbefugnis - übernehmen (müssen aber nicht!).

Ob nun für diesen Fall eine Pflichtenübertragung notwendig ist oder auch eine Aufgabendelegation genügt, ist nicht 100% klar. Fest steht: Keine Pflichtenübertragung ohne gleichzeitige Übertragung der Weisungsbefugnis. Wer die Verantwortung hat, haftet im Zweifel allerdings auch (mit).


Pflichtenübertragung vs. Aufgabendelegation

Der feine Unterschied

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Natürlich kann ein*e Vorgesetzte*r Aufgaben (auch im Arbeitsschutz) an Mitarbeiter*innen delegieren. Dies trifft beispielsweise auf Sicherheitsbeauftragte zu. Nur: Dies ist

  • erstens - eine Aufgabendelegation und keine Pflichtenübertragung und
  • zweitens - die Arbeitsschutzpflichten, also Umsetzung, Kontrolle der Wirksamkeit, etc. bleiben bei dem / der Vorgesetzten.

Chefs bekommen lediglich Unterstützung durch ihre Mitarbeiter*innen bei der Duchrführung des Arbeitsschutzes.

Eine formelle Pflichtenübertragung (mit Betonung auf Übertragung) kann in der Regel nur von einer Führungskraft auf eine in der Hierarchie niedriger angesiedelte Führungskraft1 stattfinden. Also z.B. vom Kanzler auf Abteilungsleiter*innen und von denen auf Bereichsleiter*innen. Dabei wird allerdings tatsächlich ein Teil der Pflichten übertragen. Die übergeordnete Führungskraft entlastet sich somit teilweise. Wichtig ist jedoch, dass die Pflicht zur Kontrolle der Wirksamkeit, ob die Mitarbeiter*innen ihre übertragenen Arbeitsschutzpflichten korrekt ausüben, bei der übergeordneten Führungskraft bleibt.


Kann die Pflichtenübertragung abgelehnt werden?

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Ja und nein...

Sofern tatsächlich eine Erweiterung des Aufgabenbereiches erfolgt und eine spezifische Pflichtenübertragung (ohne zusätzlichen oder neuen Arbeitsvertrag) stattfindet, weil aus der neuen Aufgabe zusätzlich Führungsverantwortung entsteht und somit auch Arbeitsschutzaufgaben, muss diese Pflichtenübertragung schriftlich erfolgen und von beiden Parteien unterzeichnet werden. Die DGUV Vorschrift 1 "Grundlagen der Prävention" verlangt explizit eine Unterzeichnung. Sie bleibt allerdings unspezifisch, ob die Unterzeichnung eine Art Empfangsbestätigung darstellt oder tatsächlich eine Einverständniserklärung.

Die Rechtsprechung geht allerdings in die Richtung, dass die Pflichtenübertragung mit einem Vertrag gleichwertig ist - also ist die Unterschrift tatsächlich gleichzeitig ein Einverständnis. Mit allen Rechten und Pflichten.

Dieses Einverständnis kann natürlich verwehrt werden. Dann gilt die Pflicht als nicht übertragen.

Die Konsequenz wäre allerdings, dass dann auch die angestrebte Tätigkeit mit Führungsverantwortung nicht ausgeübt werden kann - also kein Aufstieg! Zusätzlich kann der Arbeitgeber natürlich prüfen, ob dies eine Art Arbeitsverweigerung darstellt und eventuell arbeitsrechtliche Schritte prüfen.


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Mitwirkungspflicht beim Arbeitsschutz hat jede*r Einzelne!