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Was eine Personal­empfehlung wert ist

Die Einführung eines Personalempfehlungs-Programms führte in einer Supermarktkette zu rund 15 Prozent weniger Personalwechsel. Dies zeigte eine Studie unter Beteiligung des Wirtschaftswissenschaftlers Prof. Dr. Nick Zubanov der Universität Konstanz. Die plausibelste Erklärung: Arbeitnehmer fühlen sich wertgeschätzt, wenn sie in die Stellenbesetzung einbezogen werden.

Für Arbeitgeber ist es nicht leicht, die richtige Person für die offene Stelle zu finden. Empfehlungen aus der eigenen Mitarbeiterschaft sind häufig wertvoll, um gutes Personal zu finden. Kein Wunder, dass viele Unternehmen zwischenzeitlich dazu übergegangen sind, ihren Beschäftigten Prämien für die Vermittlung neuer MitarbeiterInnen zu bieten. Wie erfolgreich sind aber solche Personalempfehlungs-Programme – und wie wirken sie sich auf die Unternehmen aus?

Dieser Frage ging ein Forschungsteam unter Beteiligung von Prof. Dr. Nick Zubanov, Professor für Organisational Economics und Mitglied des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz, nach. Das Team führte im Rahmen ihrer Studie Empfehlungsprogramme mit unterschiedlich hohen Prämien (bis zu 40 Prozent des Monatsgehalts) in zufällig ausgewählten Filialen einer großen europäischen Supermarktkette ein. Nach 13 Monaten verglichen sie die Ergebnisse mit den übrigen Filialen der Supermarktkette, in denen kein Empfehlungsprogramm eingeführt wurde.

15 Prozent weniger Personalwechsel
Die Ergebnisse der Studie zeigen: Im Schnitt reduzierten die eingeführten Empfehlungsprogramme den Personalwechsel um rund 15 Prozent, verglichen mit der Vergleichsgruppe der Supermarktfilialen ohne Prämiensystem. Ein Grund für die Wirkung der Programme: Die auf Empfehlung hin eingestellten MitarbeiterInnen griffen um 45 Prozent seltener zur Kündigung als Neueinstellungen ohne Empfehlung. „Das ergibt durchaus Sinn: Durch Empfehlungen werden Personen gefunden, die besser zum Job passen, ansonsten wären sie ja auch nicht empfohlen worden“, führt Zubanov aus.

Dies erklärt jedoch nicht den kompletten beobachteten Effekt, denn die Anzahl der Empfehlungen war im Gesamten sehr gering: Nur drei Prozent der Neueinstellungen in den untersuchten Filialen basierten auf Empfehlungen. Ein interessanter Nebeneffekt: Auch die anderen Beschäftigten der Filialen, die nicht durch Empfehlungen eingestellt worden waren, griffen seit Einführung des Empfehlungsprogramms seltener zur Kündigung. Dieser Effekt konnte sogar in Filialen beobachtet werden, die zwar ein Prämiensystem eingeführt hatten, in denen es aber in der Praxis zu gar keinen Empfehlungen kam.

Eine nähere Untersuchung führte zur plausibelsten Erklärung für diesen verblüffenden Effekt: Das Empfehlungsprogramm gab den Beschäftigten das positive Gefühl, in die Stellenbesetzung einbezogen zu sein. Quantitativ ausschlaggebender für den verringerten Personalwechsel war also der positive Effekt, den das Empfehlungsprogramm auf die Unternehmenskultur hatte. Nick Zubanov erklärt: „Die Beschäftigten fühlen sich respektiert, weil sie durch das Empfehlungsprogramm in die Stellenbesetzung mit einbezogen sind. Arbeitnehmer schätzen es, wenn sie dabei mitreden dürfen, mit wem sie künftig zusammenarbeiten. In der Konsequenz kommt es zu weniger Kündigungen.“

Das ist die wohl wichtigste Aussage der Studie: Management-Praktiken zeigen Wirkung, nicht nur in Bezug darauf, was sie unmittelbar tun, sondern auch im Hinblick dessen, was sie den Arbeitnehmern über ihr Unternehmen vermitteln.

Das Ergebnis unter dem Strich
Die Vorteile des Empfehlungsprogramms lassen sich in barer Münze gegenrechnen: Die ausgezahlten Prämien kosteten das Unternehmen hochgerechnet zehn Cent pro ArbeitnehmerIn und Monat, während die Ersparnisse durch weniger Personalwechsel bei mindestens 2,49 Euro pro ArbeitnehmerIn und Monat lagen. Die Supermarktkette führte übrigens nach Abschluss der Testphase eine leicht angepasste Version des Empfehlungsprogramms in sämtlichen ihrer Filialen ein.  

„Empfehlungsprogramme sind in Unternehmen beliebt, weil sie profitabel sind. Doch sind sie der Weg zu einem neuen Niveau an ökonomischem Wachstum? Unwahrscheinlich. Im Verhältnis zu den gesamten Lohnkosten sind die Ersparnisse durch Empfehlungsprogramme gering: Sie liegen bei 0,6 bis 2,8 Prozent, je nach Berechnungsmethode. Trotzdem sind Empfehlungsprogramme ein kleiner Schritt in Richtung höherer ökonomischer Effizienz – und ein großer Schritt, um Unternehmen zu einem besseren Arbeitsplatz zu machen“, schließt Nick Zubanov.

Faktenübersicht:

  • Guido Friebel, Matthias Heinz, Mitchell Hoffman, Nick Zubanov, What Do Employee Referral Programs Do? Measuring the Direct and Overall Effects of a Management Practice, Journal of Political Economy¶
  • Beteiligte Universitäten: Universität Konstanz, Goethe Universität Frankfurt, Universität zu Köln, University of Toronto (Kanada)
  • Die Studie wurde an einer europäischen Supermarktkette mit 238 Filialen durchgeführt. Für die Studie wurden Supermärkte ausgesucht, da sie einen hohen Personalwechsel und niedrige Berufsanforderungen haben, so dass möglichst jede und jeder Beschäftigte jemanden aus dem Bekanntenkreis empfehlen konnte.
  • Die Studie wurde gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Exzellenzstrategie, vom Michael Lee-Chin Family Institute sowie dem Social Sciences and Humanities Research Council (SSHRC).