Die Bibliothek des samischen Parlaments in Norwegen. Bild: Denis Caviglia.

Wie steht die Mehrheit zur Politik für Minderheiten?

Die Erklärung über die Rechte indigener Völker wurde 2007 von der UN Generalversammlung mit großer Mehrheit angenommen. Warum sich Länder allerdings auch heute noch schwertun, diese Rechte wirksam umzusetzen, untersucht der Konstanzer Politikwissenschaftler Fabian Bergmann in einer aktuellen Veröffentlichung.

Auf internationaler Ebene besteht heute weitgehend Konsens darüber, dass die Anerkennung und Umsetzung indigener Rechte zwingend notwendig sind, um Ungleichheiten und historisches Unrecht zu korrigieren. Dennoch scheitern viele Nationalstaaten an der effektiven Implementierung: „Nationale Politiken spielen eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung dieser Rechte. Doch gleichzeitig hängen solche Politiken wiederum natürlich auch von der öffentlichen Meinung ab“, erklärt Fabian Bergmann, Doktorand am Exzellenzcluster „The Politics of Inequality” an der Universität Konstanz.

Studie in Norwegen und Schweden
In einer aktuellen Studie hat Bergmann die politischen Präferenzen der Sámi, einer indigenen Bevölkerungsgruppe in Norwegen und Schweden, mit denen der ethnischen Mehrheitsbevölkerung in beiden Ländern verglichen. Dabei hat er untersucht, wieviel Unterstützung politische Maßnahmen erfahren, die der sámischen Bevölkerung Sprach-, Selbstverwaltungs- und Landnutzungsrechte einräumen. Die Ergebnisse zeichnen ein differenziertes Bild: Während politische Agenden, die die sámische Selbstbestimmung entschieden fördern, unter der indigenen Bevölkerung wie zu erwarten starke Unterstützung finden, steht die ethnische Mehrheitsbevölkerung ihnen skeptisch gegenüber. Gleichzeitig lehnt sie aber auch nicht die Umsetzung indigener Rechte komplett ab. Stattdessen präferiert die Mehrheitsbevölkerung politische Maßnahmen, die eine eingeschränkte Umsetzung der indigenen Rechte der Sámi erlauben.

Obwohl Schweden und Norwegen unterschiedliche nationale Politiken bezüglich der Rechte der Sámi verfolgen, ist die Einstellung der Mehrheitsbevölkerung in beiden Ländern überraschenderweise sehr ähnlich. Das deutet darauf hin, dass der politische Kontext eines Landes für die Bildung dieser Präferenzen nicht allein entscheidend ist, sondern auch die soziale Identität eine wichtige Rolle spielt. Für demokratische Gesellschaften ist die öffentliche Meinung gegenüber der Politik für indigene Völker von großer Relevanz: „Ohne ausreichende Unterstützung der Mehrheitsbevölkerung ist es schwer, wirksame Politik zur Umsetzung indigener Rechte zu betreiben“, so Bergmann.

Individualrechte vs. Kollektivrechte
Vor dem Hintergrund des Rufes als engagierte Verfechter von Menschenrechten, den Norwegen und Schweden genießen, schlussfolgert er: „Die Mehrheit der schwedischen und norwegischen Bevölkerung unterstützt internationale Menschenrechtsübereinkommen. Diese legen jedoch nur Individualrechte fest, während es sich bei den Rechten für Indigene um Kollektivrechte handelt. Um in der Mehrheitsbevölkerung ein ähnliches Maß an Unterstützung für den kollektiven Schutz indigener Völker zu schaffen wie für individuelle Menschenrechte, scheint noch einiges an Überzeugungsarbeit notwendig zu sein.“

Faktenübersicht: