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Was Lottospielende übers Lottospielen wissen sollten

Wirtschaftswissenschaftler des Thurgauer Wirtschaftsinstituts, einem An-Institut der Universität Konstanz, untersucht Strategien für die Zahlenauswahl beim Lottospielen

Wie findet beim Lottospielen die Zahlenauswahl statt? Viele Spielerinnen und Spieler wählen Zahlen wie Geburtstage, Zahlen in der Mitte des Lottoscheins oder Zahlen, die eine ästhetische Anordnung ergeben, etwa eine Diagonale. Ist das eine gute Idee? Gegeben, dass andere dasselbe tun, eher nicht: Wenn man gewinnt, muss man den Gewinn dann oft mit vielen anderen teilen. Eine Studie von Dr. Irenaeus Wolff vom Thurgauer Wirtschaftsinstitut (TWI), einem An-Institut der Universität Konstanz im Schweizer Kreuzlingen, liefert eine mögliche Erklärung dafür, weshalb trotzdem so viele Lottospielerinnen und -spieler auf dieselben Zahlen setzen. Die Ergebnisse sind in der April-Ausgabe der Fachzeitschrift Journal of Economic Behavior & Organization veröffentlicht.

Dass Lottospielerinnen und -spieler ihren Gewinn mit vielen anderen teilen müssen, ist schon häufiger geschehen. Hier zwei extreme Beispiele: Am 18. Juni 1977 mussten sich 205 Teilnehmende den Hauptgewinn der deutschen „6 aus 49“ teilen, die alle auf die gerade verfügbare Gewinnzahlenkombination der holländischen Lotterie aus der Vorwoche gesetzt hatten. Am 4. Oktober 1997 gewannen dann 124 Teilnehmende mit einem „ästhetischen“ „U“ auf dem Lottoschein. Und erst im März 2021 mussten sich wieder die Inhaberinnen und Inhaber von 20 Lottoscheinen in Südafrika den Preis teilen, nachdem sie auf 5, 6, 7, 8, 9 und 10 gesetzt hatten.

Vergessen Lottospielende, dass auch noch andere mitspielen?
Warum also setzen so viele Leute auf dieselben Zahlen? Könnte es sein, dass das daherkommt, dass Lottospielende vergessen, dass auch noch andere mitspielen, deren Zahlwahlstrategien sie in ihr eigenes Kalkül miteinbeziehen sollten? In seiner Studie ließ der Wirtschaftswissenschaftler Irenaeus Wolff seine Teilnehmenden auf einer Art vereinfachtem „Lottoschein“ mit nur vier Kästchen verschiedene Spiele spielen, bei denen es schier unmöglich erscheint, die Mitspielenden zu ignorieren. Zum Beispiel gab es Teilnehmende, die eine Art Versteckspiel spielen mussten: Eine Person kreuzt an, in welchem der vorhandenen Kästchen (zum Beispiel 1, 2, 3 oder 4) sie einen Preis „verstecken“ will, die andere Person darf genau in einem Kästchen „suchen“. Wählen beide dasselbe Kästchen, gewinnt die suchende Person den Preis, im anderen Fall erhält ihn die Person, die den Preis „versteckt“ hat.

Zusätzlich ließ er seine Teilnehmenden „individuelle“ Lotterien spielen, bei denen man immer dann einen bestimmten Geldbetrag erhält, wenn man auf die Gewinnzahl setzt. Der Geldbetrag bleibt bei den „individuellen“ Lotterien derselbe, egal ob andere Teilnehmende ebenfalls (in ihrer eigenen Lotterie) gewinnen oder nicht, sodass es sich überhaupt nicht lohnt, darüber nachzudenken, wo andere ihr Kreuz machen. Am Ende wurden die Daten verglichen.

Das überraschende Ergebnis: Es ist relativ egal, welches Spiel hinter den Kästchen steht, stets ergab sich dasselbe Verhaltensmuster, das auch bei den „individuellen“ Lotterien herauskam: bei 1, 2, 3 oder 4 wird etwa die 3 besonders häufig gewählt – sowohl von Lotterie spielenden, versteckenden als auch suchenden Personen. Das ist insbesondere für die versteckenden Personen ein Problem. Sie würden wesentlich häufiger gewinnen, wenn sie etwas anderes wählten.

Es gibt weder „schlaue“ noch „superschlaue“ Spielerinnen und Spieler
Wenn man mit statistischen Methoden analysiert, ob es auch „schlaue“ Teilnehmende gibt, die das Verhalten der anderen vorhersehen und optimal darauf reagieren, oder sogar „superschlaue“, die das Verhalten der „Schlauen“ vorhersehen und optimal auf das Verhalten der „Schlauen“ reagieren, so stößt man auf ein weiteres überraschendes Ergebnis: Die Analyse legt nahe, dass es weder „schlaue“ noch „superschlaue“ Spielerinnen und Spieler gibt. Es scheint, als würden die Teilnehmenden einen zweistufigen Prozess durchlaufen, wobei sie zunächst strategisch überlegen.

Ein Beispiel: Wenn ich Versteckender bin, könnte ich im ersten Schritt die 3 wählen. Wenn die Suchenden das aber vorhersehen, dann sollte ich vielleicht gerade nicht die 3 wählen. Wenn sich die Suchenden diese Gedanken aber ebenfalls machen, wäre es vielleicht sogar gut, gerade die 3 zu wählen. Und so weiter. Irgendwann merkt man, dass man sich dabei im Kreis dreht, und beschließt womöglich, dass es egal ist, bei welchem Kästchen man sein Kreuz macht. Und dann – im Schritt 2 – wettet man einfach auf ein Kästchen – und ignoriert die strategische Interaktion am Ende dann doch.

Was ist somit angeraten, um beim Lottospielen im (weiterhin höchst unwahrscheinlichen) Glücksfall möglichst viel Geld zu gewinnen? Man sollte auf Zahlenkombinationen setzen, die kein klares Muster erkennen lassen, nicht in der Mitte des Lottoscheins stehen und die nicht in Kalenderdaten auftauchen, also größer als 31 sind. Das sollte paradoxerweise selbst dann funktionieren, wenn viele Leute das eigentlich wissen. Da man sich auch hier gedanklich im Kreis drehen würde, ist zu erwarten, dass die meisten am Ende eben doch zu ihrer Anfangsstrategie zurückkehren werden.

Faktenübersicht:

  • Originalpublikation: Irenaeus Wolff. The lottery player’s fallacy: Why labels predict strategic choices. Journal of Economic Behavior & Organization, April 2021 DOI: https://doi.org/10.1016/j.jebo.2021.01.010
  • Untersuchung zur Strategiewahl in Spielen und Lotterien
  • Wirtschaftswissenschaftler Dr. Irenaeus Wolff vom Thurgauer Wirtschaftsinstituts (TWI), einem An-Institut der Universität Konstanz
  • Fortsetzung der Forschung, die mit dem Young Scholar Fund der Universität Konstanz gefördert wurde.