Auf alt gemachte Zeichnung eines Schuljungens sitzend an einer Schulbank
Grafik: Pixabay, OpenClipart-Vectors

Von der Schulbank in den Hörsaal

Seit 15 Jahren betreut das Schülerstudium an der Universität Konstanz besonders interessierte Schülerinnen und Schüler und feiert einen Anmelderekord

Sich entfalten zu können, das zu machen, für was man Leidenschaft empfindet – für Julia Jäger ist es der Grund, weshalb sie ihr Schülerstudium nicht mehr missen möchte. Für sie steht fest: „Die Uni ist meine Welt.“ Ganz ähnlich sieht es Neil Schaar: „Dass ich über die Schule hinaus gefordert werde, finde ich bereichernd.“ Ihm imponiert der Enthusiasmus, mit dem an der Universität analysiert und diskutiert wird. Und auch Chiara Cimino meint: „Selbstständig das zu lernen, was einem Spaß macht, ist schon eine coole Sache.“ Alle drei sind Schülerstudierende an der Universität Konstanz.

Das Schülerstudium ermöglicht es besonders interessierten Schüler*innen, parallel zum Schulunterricht an universitären Vorlesungen und Seminaren teilzunehmen. Seine Vorteile sind vielfältig: Schülerinnen und Schülern eröffnet es neue Möglichkeiten, Interessen nachzugehen, die über die Schulfächer hinausreichen. Außerdem können Gymnasiast*innen ausprobieren, was ihnen liegt und was nicht, um nach dem Abitur die richtige Studienwahl zu treffen. Daran wiederum hat eine Universität großes Interesse, da es verhindern kann, dass Studierende ihr Studium vorzeitig abbrechen. Die Fachbereiche bekommen im Gegenzug besonders motivierte Studierende. Und: Die Universität erfüllt damit ihren allgemeinen Auftrag, dazu beizutragen, dass alle das Bildungsangebot finden, das zu ihnen passt.

Die meisten bleiben mehrere Semester
Umso erfreulicher, dass Studienberaterin Ulrike Leitner zum 15. Geburtstag des Schülerstudiums an der Universität Konstanz einen Anmelderekord verzeichnen kann. 36 Schülerinnen und Schüler wollen im Wintersemester 2023/2024 erstmalig schauen, wie es ist, an einer Universität zu studieren, insgesamt sind es aktuell 60 junge Menschen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die neu fürs Schülerstudium Eingeschriebenen länger als ein Semester bleiben werden, ist groß: Bislang sind deutlich über 50 Prozent der Schülerstudierenden ins zweite Semester gewechselt, ins dritte fast 30 Prozent, selbst im achten Semester sind es noch rund fünf Prozent. In einem Fall hat ein Schüler vor seinem Abitur zehn Semester Informatik studiert. Eine Altersgrenze nach unten gibt es nicht.

Im Wintersemester 2007/2008 ging es mit den naturwissenschaftlichen Fächern los, die bis heute von den Schülerinnen und Schülern am meisten nachgefragt werden, gefolgt von den Sozial- und Geisteswissenschaften. Insbesondere werden Wirtschaftswissenschaft und Rechtswissenschaft angeboten, was bundesweit selten ist. „Wenn man als Schüler*in tiefer in eine Materie einsteigen will, ist die Universität das, was einen wirklich weiterbringt“, sagt Ulrike Leitner, die das Programm des Schülerstudiums aufgebaut hat. Im Gegensatz zu anderen Hochschulen wurde an der Universität Konstanz von Anfang an Wert darauf gelegt, dass möglichst viele Fächer in das Angebot eingebunden werden. Heute machen alle Fachbereiche mit.

Erfolgreiche Klausuren können auf ein späteres Studium angerechnet werden
Im Schülerstudium, wie es an der Universität Konstanz verstanden wird, werden nicht nur diejenigen gefördert, deren Zeugnisse voller Bestnoten sind. Ulrike Leitner kann allerdings sehr imponierende Geschichten von Schülerstudierenden erzählen. Gleich zu Beginn war ein Neuntklässler aus Villingen-Schwenningen dabei, der am Ende seines ersten Semesters die beste Klausur aller teilnehmenden Studierenden in Lineare Algebra I geschrieben hat, ohne auch nur Oberstufen-Mathematik gehabt zu haben. Erfolgreiche Klausuren können auf ein späteres Studium an der Universität Konstanz angerechnet werden. Einmal musste ein Schülerstudent im regulären Studium für seinen Bachelor-Abschluss nur noch sein Praktikum absolvieren.

Sehr willkommen sind aber auch Schülerinnen und Schüler, die ein vertieftes Interesse an einem bestimmten Thema haben, in das sie in Vorlesungen, Seminaren und Kursen weiter eintauchen möchten. Sogenannte Underachiever, die ihr spezielles Talent aus welchen Gründen auch immer bislang nicht einsetzen konnten, bekommen gleichfalls eine Chance. Ohnehin ist dem Einstieg ins Schülerstudium ein Gespräch mit der Studienberatung und dem zuständigen Fachbereich vorgeschaltet. Und selbstverständlich müssen die Eltern und die Schulen einverstanden sein.

Wie der herausragende Jung-Mathematiker aus Villingen-Schwenningen haben nicht wenige der bislang um die 500 Schülerstudierende der Universität Konstanz längere Anfahrtswege. Auch heute besteht ein Schülerstudium mehrheitlich aus Präsenzveranstaltungen. Erwartungsgemäß kommen mit rund 50 Prozent die meisten aus Konstanz. Gleich dahinter folgt die Gruppe derjenigen, die von weiter entfernten Regionen anreisen. Konkret heißt das neben Villingen-Schwenningen z. B. Rottweil, Offenburg oder Lindau, was eineinhalb Stunden Anreise und mehr bedeuten kann. Auch auf Schweizer Seite trifft das Angebot in Kantonsschulen bis nach Zürich auf Interesse.

Die Studienberaterin informiert immer im Herbst an Schulen über Studienmöglichkeiten, aber auch darüber, was man als Schüler*in machen kann, um das Thema Studieren schon vor dem Abitur für sich auszuprobieren. Selbstverständlich sind auf der Website der Universität die nötigen Informationen nachzulesen. Beim zehnten Geburtstag gab es eine kleine Feier mit ehemaligen Schülerstudierenden. „Sie waren auch im Nachhinein sehr mit der Universität Konstanz verbunden, es war eine prägende Zeit für sie“, erinnert sich Ulrike Leitner. Gut möglich, dass das bei Julia Jäger, Neil Schaar, Chiara Cimino und nicht wenigen ihrer Kommiliton*innen im Schülerstudium auch der Fall sein wird.

Lesen Sie mehr dazu, was die drei Schülerstudierenden und ein ehemaliger Frühstudent zum Schülerstudium an der Universität Konstanz sagen.