Vom Nutzen der Logik für das Recht
Presseinformation Nr. 1 vom 11. Januar 2012
Ein deutsch-französisches Forschungsprojekt der Universitäten Konstanz und Lille erforscht die Nutzbarmachung der Logik für das Recht
Prof. Dr. Matthias Armgardt
„Jurisprudenz und Logik“ lautet der Titel eines deutsch-französischen Forschungsprojekts, das an der Universität Konstanz und an der Université de Lille 3 in Frankreich angesiedelt ist. Es startet im April 2012. In der zunächst für drei Jahre geförderten interdisziplinären Kooperation steht die Nutzbarmachung der Logik für das Recht sowohl aus historischer als auch systematischer Perspektive im Fokus. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Agence Nationale de la Recherche (ANR) teilen sich die Fördersumme über rund 845.000 Euro. Die Projektleitung übernimmt auf Konstanzer Seite der Zivilrechtler und Rechtshistoriker Prof. Dr. Matthias Armgardt, auf Seite der Universität in Lille der Logiker Prof. Dr. Shahid Rahman.
Das internationale Forschungsprojekt geht der Frage nach, inwiefern die Logik, vor allem auch neuere Ausprägungen der dialogischen Logik, als bedeutender Teilbereich der Philosophie für die Rechtswissenschaft und die Rechtspraxis fruchtbar zu machen sind. An drei herausragenden Stellen setzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Rechtswissenschaft, der Philosophie sowie der Rechts- und Logikgeschichtsschreibung an, um das Spannungsverhältnis zwischen Jurisprudenz und Philosophie zu beleuchten. Den historischen Anfang macht das Forschungsprojekt beim Römischen Recht und seiner Beeinflussung durch die stoische Logik. Weiter werden die Bemühungen des Philosophen und Juristen Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 bis 1716) um die Fortentwicklung der Logik und deren Anwendung auf das Recht untersucht. Schließlich soll geprüft werden, inwieweit neben den historischen auch heutige Entwicklungen im Verhältnis von Logik und Recht für die gegenwärtige Rechtswissenschaft fruchtbar zu machen sind. Von besonderem Interesse wird dabei sein, welche Möglichkeiten die dialogische Logik für die Jurisprudenz eröffnet und ob deren Sensibilität für unterschiedliche Bedingungsverhältnisse zu einem vertieften Verständnis juristischer Argumentationen verhelfen kann.
Das deutsch-französische Projekt ist als Grundlagenforschung angelegt. Es dient der Systembildung in den Rechtswissenschaften, möchte durch Konsistenzbetrachtungen das Niveau rechtlicher Argumentationen verbessern helfen und hat dabei auch den Zusammenschluss Europas im Auge, wo durchaus verschiedene, zum Teil sogar widersprüchliche Rechtstraditionen miteinander verbunden werden, de facto häufig nach Maßgabe des kleinsten gemeinsamen Nenners.
Einen wichtigen Baustein zur Systematisierung bildet die Entwicklung einer Theorie der Wertungswiderspüche. Wertungswidersprüche treten auf, wenn in einem komplexen Rechtssystem die hinter einzelnen Rechtsnormen stehenden Wertungen miteinander kollidieren. Ein grundlegender Wertungswiderspruch läge etwa vor, wenn der Rechtsbrecher am Ende besser dastünde als der Rechtstreue. Nach dem Motto „Der Ehrliche ist der Dumme“ könnte dies als Anreiz zum Rechtsbruch verstanden werden. Eine Theorie der Wertungswiderspruchsfreiheit gäbe eine Grundlage für eine Bewertungstheorie ab, die wiederum Kriterien an die Hand gäbe, um Rechtsordnungen qualitativ zu beurteilen. Dies ist insbesondere für die Schaffung eines einheitlichen europäischen Privatrechts von Bedeutung.
Matthias Armgardt hat zur Anwendung der Logik auf das Recht bei Leibniz gearbeitet und über den Einfluss der stoischen Logik auf das römische Recht geforscht. Shahid Rahman, sein Partner in der Projektleitung auf französischer Seite, hat die dialogische Logik zur vollen Entfaltung gebracht. Mit dem Konstanzer Philosophen Dr. Karlheinz Hülser ist der Experte schlechthin für stoische Logik mit von der Partie, der die nur in Fragmenten überlieferte stoische Logik gesammelt und kritisch bearbeitet hat.