Transparent, leitend und ressourcenschonend
Presseinformation Nr. 120 vom 31. Juli 2012
Die Carl-Zeiss-Stiftung fördert Konstanzer Forschungskonsortium mit einer Million Euro
Prof. Dr. Sebastian Polarz
In vielen technischen Geräten werden Bauteile verwendet, die nur sehr selten vorkommende, chemische Elemente enthalten. Die Entwicklung von neuen Materialien, die genauso gut oder sogar besser sind, aber ohne diese seltenen (und teuren) Elemente auskommen, stellt eine große wissenschaftliche Herausforderung und gleichzeitig einen Schlüsselschritt für die Entwicklung zukünftiger Produkte dar. Ein konkretes Beispiel sind optisch transparente und gleichzeitig elektrisch leitende Beschichtungen, die unter anderem in Displays von Handys, in Flachbildschirmen, aber auch Solarzellen benötigt werden. An der Universität Konstanz hat sich ein Forschungskonsortium gebildet, das sich zum Ziel gesetzt hat, in entsprechenden Materialien wie dem so genannten ITO (Indium-Zinn-Oxid) das seltene Elemente wie Indium zu ersetzen, ohne dass das Material an positiven Eigenschaften einbüßt. Unter dem Titel „Ressourcenschonende Wege zu leitfähigen Filmen für neue Anwendungen in energietechnologisch relevanten Systemen“ (REFINE) fördert die Carl-Zeiss-Stiftung das Konsortium über einen Zeitraum von vier Jahren mit bis zu einer Million Euro.
Das Display eines Handys funktioniert, indem durch eine angelegte elektrische Spannung optische Signale erzeugt werden, die sichtbar sind. Ähnlich funktionieren Solarzellen dadurch, dass zwischen zwei Kontakten eine elektrische Spannung erzeugt wird, wobei der obere Kontakt lichtdurchlässig sein muss, so dass Strom fließen kann, aber auch Licht in das Gerät kommen kann. Sowohl die Sichtbarkeit der Anzeige auf Displays bzw. die Lichtdurchlässigkeit auf Solarzellen als auch die Leitfähigkeit von Strom werden durch eine unsichtbare Beschichtung, einen Film, bewirkt, der transparent und elektrisch leitfähig ist. Leitfähige transparente Schichten sind in vielen Bereichen relevant. „Wir nehmen uns ein zentrales Gebiet vor“, erläutert Prof. Dr. Sebastian Polarz als Sprecher von REFINE, „indem wir uns mit Materialien beschäftigen, die häufig vorkommende Elemente enthalten und somit ressourcenschonend sind, die aber dennoch die gleichen Eigenschaften haben wie zum Beispiel ITO-Materialien.“
Solche häufig vorkommenden Elemente sind beispielsweise Kohlenstoff, Aluminium, Zink oder Titan, die in alltäglichen Gegenständen wie Alu-Folie, Dachrinnen und Autokarosserien oder im Fall von Titandioxid in Zahnpasta oder Wandfarbe enthalten sind. Wird beispielsweise aus dem Zinkoxid ein Zink-Atom "herausgenommen" und durch ein Aluminium-Atom ersetzt, können die gewünschten Eigenschaften erhalten werden, aber nur dann, wenn das Aluminium-Atom genau den richtigen Platz einnimmt. Liegt es nur ein bisschen falsch, bekommt das Material nicht die Eigenschaft, die es haben soll. „In der Grundlagenforschung ist zu diesem Thema noch sehr viel zu tun. Wir werden versuchen einen Grundstein zu legen“, sagt der Chemiker Polarz. Gedacht wird jedoch längerfristig – von der Grundlagenforschung über die angewandte Forschung bis hin zur industriellen Applikation. Am Ende sollen Innovationsimpulse für die Produktion industrieller Produkte stehen.
Zu Beginn werden im REFINE-Konsortium vier Kernkompetenzen versammelt sein. Der Arbeitsbereich des Physikers Prof. Dr. Lukas Schmidt-Mende beschäftigt sich mit nanostrukturierten Solarzellen. Prof. Dr. Giso Hahn soll mit seiner Solarzellenforschung die Brücke zur industriellen Anwendung schlagen. Der Chemiker Prof. Dr. Stefan Mecking ist mit Untersuchungen zu leitfähigen, organischen Polymeren mit dabei, und Sebastian Polarz selbst widmet sich oxydischen Halbleitermaterialien. Über die Mittel der Carl-Zeiss-Stiftung werden zunächst vier Doktorarbeiten finanziert, die interdisziplinär betreut werden und deren Zahl mit der geplanten Erweiterung durch weitere Arbeitsbereiche auf bis zu zehn aufgestockt werden soll. Dazu können sich weitere Arbeitsgruppen und auch Industrieunternehmen an das Konsortium anschließen, wozu auch eine so genannte Seed-Finanzierung zur Initiierung von Forschungsprojekten zur Verfügung gestellt werden kann.
Ein wissenschaftlicher Zusammenschluss, der die drei Aspekte der Transparenz, Leitfähigkeit und Schonung von Ressourcen in sich vereint, ist zumindest deutschlandweit einzigartig. „Durch geschickte Berufungspolitik gibt es an der Universität Konstanz eine genügend große Anzahl an Wissenschaftlern, die das Thema bearbeiten können, die bislang nur noch nicht zusammengearbeitet haben“, erklärt Sebastian Polarz. „Wir haben hier eine Situation, mit der die Universität Konstanz schon in vielen Bereichen erfolgreich war: Dass wir unter einem Dach genau die Forscher beieinander haben, die solch eine Thematik abbilden.“