Antiferromagnetisch gekoppelte Skyrmionen. Copyright: Takaaki Dohi / Tohoku University

Mit magnetischen Wirbeln zu energiesparenden Computern

Eine internationale Forschungskooperation mit Beteiligung der Universität Konstanz konnte die Diffusion von Skyrmionen auf das Zehnfache steigern

Ohne Computer ist unser heutiges Leben nicht denkbar. Bis dato verarbeiten diese die Informationen über Ladungsträger, die Elektronen – wobei die Komponenten sich jedoch stark erhitzen. Es ist also eine aktive Kühlung nötig, was mit einem großen Energieaufwand einhergeht. Die Spintronik soll dieses Problem lösen: Statt die Elektronen selbst für die Informationsverarbeitung zu nutzen, setzt man dabei auf deren Spin, also ihren Eigendrehimpuls. Auch auf die Größe, die Geschwindigkeit und die Nachhaltigkeit von Computern soll sich dieser Schritt positiv auswirken.

Magnetische Wirbel speichern und verarbeiten Informationen
Vielfach betrachtet man dabei nicht einfach den Spin eines einzelnen Elektrons, sondern magnetische Wirbel aus zahlreichen Spins. Diese Wirbel treten in magnetischen metallischen Dünnschichten auf und werden Skyrmionen genannt, die quasi als zweidimensionale Teilchen betrachtet werden können. Die Wirbel lassen sich zum einen zielgerichtet bewegen, indem elektrischer Strom an die dünnen Schichten angelegt wird, zum anderen bewegen sie sich zufällig und äußerst energiesparend aufgrund von Diffusion. Dass sich auf Basis von Skyrmionen ein funktionsfähiger Computer realisieren lässt, konnten Forschende der Johannes Gutenberg-Universität Mainz rund um Mathias Kläui bereits anhand eines ersten Prototyps zeigen. Die Basis bildeten dünne, übereinanderliegende Schichten, teilweise nur wenige Atomlagen dick.

Energieeffizienz: Diffusion der Wirbel auf das zehnfache gesteigert
Wie in der aktuellen Ausgabe von Nature Communications nachzulesen ist, ist der Forschungskooperation der Universität Konstanz, der Johannes Gutenberg-Universität und der japanischen Tohoku University ein weiterer Schritt hin zu spinbasiertem, nicht-konventionellem Computing geglückt: Sie konnten die Diffusion der Skyrmionen durch synthetische Antiferromagneten auf das etwa Zehnfache steigern – und damit den Energieverbrauch eines solchen potenziellen Computers drastisch senken. „Die Senkung des Energieverbrauchs elektronischer Bauelement ist eine der größten Herausforderungen der Grundlagenforschung“, sagt der Physiker Ulrich Nowak, der den Theorieteil des Projekts in Konstanz geleitet hat.

Was ist ein Antiferromagnet?
Normale Ferromagnete bestehen aus vielen kleinen Spins, die gekoppelt alle in die gleiche Richtung zeigen und damit ein großes magnetisches Moment bilden. In Antiferromagneten zeigt die eine Hälfte der Spins in die eine und die andere Hälfte der Spins genau in die entgegengesetzte Richtung. Es entsteht also kein netto magnetisches Moment, obwohl die Spins weiterhin gut (antiferromagnetisch) geordnet sind. Antiferromagnete haben große Vorteile, wie eine tausendfach schnellere Dynamik z. B. zum Schalten, bessere Stabilität und mögliche höhere Speicherdichten.

Wofür sind Antiferromagnete hier nützlich?
Bewegen sich die Skyrmionen sehr schnell, tritt in ferromagnetischen Schichten senkrecht zur Bewegungsrichtung eine weitere Kraftkomponente auf, die die Wirbel aus der Bahn drückt. Sie krachen also gegen die Wand, bleiben stecken und blockieren den Weg für die anderen, bei hohen Geschwindigkeiten können sie sogar zerstört werden. Theoretisch wurde jedoch vorhergesagt, dass dieser Effekt in Antiferromagneten nicht oder nur in sehr geringem Maße auftritt.

Um einen solchen Antiferromagneten herzustellen, haben die Forschenden zwei ihrer ferromagnetischen Schichten so miteinander gekoppelt, dass die Magnetisierung in den beiden Schichten genau entgegengesetzt ausgerichtet ist und sich ihre Magnetfelder gegenseitig aufheben. Damit reduzieren sie die Kraft, die die Wirbel aus ihrer Bahn drückt.

Stochastisches Computing
Damit wurde ein synthetischer Antiferromagnet geschaffen, in dem die Diffusion der Skyrmionen etwa zehnmal höher ist als in den einzelnen Schichten. Diese Diffusion lässt sich nutzen, um etwa stochastisches Computing zu realisieren – eine Form des Computing, in dem stochastische Prozesse wie die zufällige Bewegung von Teilchen genutzt werden.  

Die Rolle von Fluktuation für die Bewegung der Skyrmionen wird in Konstanz im Rahmen des SFB1432 untersucht. Die Zusammenhänge sind komplex, und nur mit Hilfe von Computersimulationen ist es möglich, die verschiedenen auftretenden Effekte voneinander zu trennen und damit zu verstehen. 

Faktenübersicht

  • Originalpublikation T. Dohi et al., Enhanced thermally-activated skyrmion diffusion with tunable effective gyrotropic force, Nature Communications, 11. September 2023, DOI: 10.1038/s41467-023-40720-0
  • Forschungskooperation der Universität Konstanz, der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und der japanischen Tohoku University konnte die Diffusion der Skyrmionen durch synthetische Antiferromagneten auf das etwa Zehnfache steigern und damit den Energieverbrauch eines Spin-basierten nicht-konventionellen Computing drastisch senken
  • Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Sonderforschungsbereichs (SFB) „Fluktuationen und Nichtlinearitäten in klassischer und Quantenmaterie jenseits des Gleichgewichts“ (SFB1432) der Universität Konstanz, des SFB „Spin+X“ (SFB/TRR 173) der Rheinland-Pfälzischen Universität Kaiserslautern-Landau und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sowie durch das Schwerpunktprogramm SPP 2137: „Skyrmionics: Topologische Spin-Phänomene im Realraum für Anwendungen“.