Masterkurs in tiefen Gewässern
Masterkurs in tiefen Gewässern

Masterkurs in tiefen Gewässern

Studierende der Universität Konstanz erhalten weltweit führende Ausbildung in der Verhaltensforschung, der computergestützten Analyse und der Unterwasserexploration an einer der bedeutendsten europäischen Stationen für Meeresökologie

Der neue Masterkurs “Quantitative Field Biology”, in dessen Rahmen gerade Feldstudien auf der Mittelmeerinsel Korsika aufgenommen wurden, wird einer Kohorte Studierender eine Reihe von interdisziplinären Fähigkeiten vermitteln, die den neuesten Stand der verhaltensbiologischen Forschung widerspiegeln.

Der Kurs ermöglicht den Studierenden die Zusammenarbeit mit einem Team international anerkannter ExpertInnen aus den Fachgebieten der Evolutionstheorie, Verhaltensökologie und der Informatik, die sie dabei unterstützen werden, die neuesten quantitativen Methoden auf dringende Fragen der Verhaltensforschung anzuwenden – und das alles am Biodiversitätshotspot und in den unberührten Gewässern der STARESO-Station auf Korsika.

“Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum zu beobachten ermöglicht es uns auf unvergleichliche Art und Weise, ihr Verhalten nachzuvollziehen“, erklärt Dr. Alex Jordan, Kursleiter und Principal Investigator am Max-Planck-Institut für Ornithologie (MPIO).

“Nur indem wir die Studierenden auch tatsächlich mit ins Gelände nehmen, können wir die Biologie zu einer erfahrbaren Größe machen. Die Studierenden mit ans Mittelmeer zu nehmen birgt einzigartige Herausforderungen. Wichtiger ist allerdings, dass sie dort die Chance erhalten, sich mit ihren Studieninhalten ganz unmittelbar auseinanderzusetzen und diese so besser zu verstehen.“

Neben der Möglichkeit, die Methoden der feldbasierten, wissenschaftlichen Forschung kennenzulernen, lehrt das „Quantitative Field Biology“-Programm die Studierenden auch jene computergestützten Fähigkeiten, die sie benötigen, um in der datenbasierten Biologie der Zukunft wettbewerbsfähig zu werden.

“Der Verhaltensbiologie von heute hat die Fähigkeit, Unmengen von Daten zu sammeln. Deshalb bilden wir die kommende Generation darin aus, diese zu analysieren und zu verstehen. Neben der direkten Erfahrung mit den Tieren und traditionellen ethologischen Methoden bringen wir den Studierenden auch bei, wie man Tiere beobachtet und ihr Verhalten analysiert – und das mit Mitteln, die momentan wirklich nur in der modernsten Forschung zum Einsatz kommen.“

Eine Verbindung aus Theorie, Analyse und Feldarbeit

Der Masterkurs „Quantitative Field Biology“ verbindet Theorie, Analyse und Praxis und vermittelt den Studierenden so wichtiges Basiswissen aus den Bereichen Tierverhalten und Evolutionstheorie. Komplettiert wird das Studienangebot durch die Ausbildung in der Feldarbeit, der Beobachtung von Tieren, Programmierung und maschinellem Lernen.

Der Lehrstoff, der von WissenschaftlerInnen der Universität Konstanz, des MPIO und der Universität Bern entwickelt wurde, wird über einen Zeitraum von sechs Wochen – zwei davon auf der STARESO-Station auf Korsika – auf Vorlesungen, Workshops und Feldversuche verteilt.

Das Kaliber der Lehrenden, die das Masterprogramm “Quantitative Field Biology” begleiten, eröffnet eine einzigartige Chance, sagt Dr. Jordan: „Konstanz ist einer der wenigen Plätze in der Welt wo man Experten sowohl für die Theorie als auch für die Praxis modernster Verhaltensbiologie findet“.

Kursleiterin Dr. Ariana Strandburg-Peshkin, eine führende Expertin in der quantitativen Analyse des Verhaltens von Wildtieren und Gips-Schüle Nachwuchsgruppenleiterin an der Universität Konstanz, glaubt, dass das praktische Element des “Quantiative Field Biology”-Kurses offensichtliche Vorteile für das Erlernen quantitativer Methoden zur Erforschung von Tierverhalten birgt.

“Programmieren gehört heutzutage zu den grundlegenden Fähigkeiten, die BiologInnen für alle Arten von Forschung benötigen. Es fällt Studierenden der Biologie allerdings manchmal schwer, sich darauf einzulassen – bis sie die Vorteile selbst erfahren“, sagt Dr. Strandburg-Peshkin. „Der beste Weg, das Programmieren zu erlernen, ist selbst Daten zu sammeln, die sich auf eine bestimmte Forschungsfrage beziehen, an der man wirklich interessiert ist. Meistens kommen die Studierenden dann von selbst darauf, dass die Antwort in ein paar Zeilen Code liegt. So bringt das Programmieren sie bei einer Sache weiter, die ihnen sehr wichtig ist. Und das ist natürlich ein weitaus größerer Ansporn, als sich durch Übungsblätter zu wühlen.“

Dr. Jordan, der die Seen des Ostafrikanischen Grabens und Korallenriffe weltweit erforscht, kombiniert seine Expertenwissen im Bereich der Gewässerbiologie mit den quantitativen Herangehensweisen der Collective Behaviour- Abteilung des MPIO, die bekannt ist für ihre bahnbrechenden verhaltensbiologischen Forschungen im Bereich der Tierbeobachtung und der Analyse von Bewegungsdaten.

Expertenwissen zu Tierverhalten und Evolutionstheorie wird beigesteuert von Michael Taborsky, einem Pionier der Verhaltensökologie an der Universität Bern, Christian Kropf, Kurator für Wirbellose am Naturhistorischen Museum Bern sowie Julian Torres-Dowdall, einem Zukunftskolleg Fellow der Universität Konstanz, der im Evolutionsteam von Axel Meyer arbeitet und bereits zahlreiche Expeditionen nach Nicaragua, Trinidad und Brasilien durchgeführt hat. Methoden der computergestützten Analyse werden von ExpertInnen der Fachbereiche Biologie (Ariana Strandburg-Peshkin) sowie Informatik und Informationswissenschaft der Universität Konstanz unterrichtet. Letzterer wird vertreten durch Bastian Goldlücke (automatisierte Beobachtung von Tieren), Oliver Deussen (Visualisierung von Daten) und Falk Schreiber (Netzwerkanalyse).

Von Konstanz nach Korsika und zurück

Um den Studierenden erste Erfahrungen mit der Feldarbeit, dem Sammeln von verhaltensbezogenen Daten und deren Analyse zu ermöglichen, sieht der Masterkurs „Quantitative Field Biology“ einen sechswöchigen Lehrplan vor, der vom 11. Juni bis zum 20. Juli 2018 in Konstanz und auf Korsika unterrichtet wird.

In der ersten Woche in Konstanz wurden die Studierenden mit Tierverhalten, der Analyse von Bewegung und Verhalten, Feldarbeit sowie computerbasierten Herangehensweisen der Verhaltensforschung vertraut gemacht.

In der zweiten und dritten Woche, die die Studierenden auf der STARESO-Station auf Korsika verbringen, werden sie morgens Vorlesungen hören, viele Stunden schnorcheln, um die erforderlichen Daten zu sammeln, und diese dann abends archivieren und mithilfe der Kollegen aus der Informatik analysieren.

In Konstanz heißt es dann, die umfangreichen Datensammlungen zu erfassen und ihnen einen Sinn zu geben. Die Studierenden werden sich dabei intensiv mit computerbasierten Methoden wie dem maschinellen Lernen, visueller Rekonstruktion, der Verfolgung von Tierbewegungen und der Untersuchung von Verhalten unter Zuhilfenahme statistischer Methoden beschäftigen.

Disziplinübergreifende Forschung

Der Aufenthalt in Korsika wird nicht nur der Feldarbeit dienlich sein, sondern auch Möglichkeiten zur innovativen, disziplinübergreifenden Zusammenarbeit bieten. Zusätzlich werden zwei Wochen lang 15 WissenschaftlerInnen aus den Bereichen Biologie, Informatik und den Lebenswissenschaften zusammen auf der STARESO-Station arbeiten und zukünftige Projekte ausloten, die sich mit Themen wie Entscheidungsfindung, Kollektivverhalten, Spieltheorie und -analyse sowie der Beobachtung von Wildtiergruppen beschäftigen werden.

Geplante interdisziplinäre Projekte sehen unter anderem eine Studie zur Fernerkundung der Stressphysiologie von Tieren in Gruppen vor, die von Experten aus den Bereichen Computer Vision, Stresspsychologie und Tierverhalten durchgeführt wird. Außerdem werden unter Involvierung von WissenschaftlerInnen aus der Informatik, der Gesundheitspsychologie und dem Kollektivverhalten die Ernährungsentscheidungen von Wildtieren untersucht.