Pflanzentöpfe mit Versuchspflanzen, die während des Experimentes untersucht wurden. Bild: Zhijie Zhang

Invasional Meltdown bei Mehrarten-Pflanzengemeinschaften

Neue Forschung mit Beteiligung von Ökologen der Universität Konstanz weist auf „Invasional Meltdown“ bei Pflanzengemeinschaften hin, die aus mehreren Arten bestehen, und identifiziert Bodenmikrobiome als Hauptfaktor für den Invasionserfolg.

Invasive nicht-heimische Pflanzenarten können eine ernsthafte Bedrohung für die heimische Artenvielfalt und für den Menschen darstellen. Deshalb ist die Identifizierung der Faktoren, die bei der Invasion eine Rolle spielen, so wichtig. Bisherige Studien zu biologischen Invasionen konzentrierten sich hauptsächlich auf die Interaktionen zwischen einer fremden und einer heimischen Art, und führten den Invasionserfolg auf die höhere Konkurrenzfähigkeit der Eindringlinge zurück. Nur sehr wenige Experimente untersuchten bislang das Geschehen in Pflanzengemeinschaften, die sich aus mehreren Arten zusammensetzen.

Ein neues Experiment von Ökologen der Universität Konstanz, des Northeast Institute of Geography and Agroecology an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, der Taizhou Universität (beide in China), des französischen Institut de recherche pour le développement und der gemeinsamen Forschungsgruppe „Interactions Plantes-Microorganismes-Environnement“ (Frankreich) schließt diese Wissenslücke, indem es den Konkurrenzkampf unter Pflanzen erforscht, die in Gemeinschaften mit mehreren Arten, fremd und einheimisch, leben. Die in der neuesten Ausgabe von Nature Ecology and Evolution veröffentlichten Ergebnisse identifizieren Bodenmikroben, vor allem Pilzendophyten, als Hauptfaktoren für den Invasionserfolg und die daraus resultierenden Folgeeffekte („Invasional Meltdown“).

Bodenmikroben als Haupttreiber für Invasionserfolg
„Pflanzen konkurrieren auf verschiedene Arten miteinander“, erklärt Zhijie Zhang, Erstautor der Studie und Doktorand in der von Prof. Dr. Mark van Kleunen geleiteten Arbeitsgruppe für Ökologie an der Universität Konstanz. „Besonders intuitiv ist dabei die Konkurrenz um Nährstoffe und Sonnenlicht. Aber Konkurrenz kann auch auf anderen trophischen Ebenen auftreten, beispielsweise hinsichtlich Pflanzenfressern und insbesondere im Hinblick auf Bodenmikroben (Pilze, Bakterien und andere Kleinorganismen, die unter der Erde leben). Unsere Studie zeigt, dass Pilzendophyten, die zumindest einen Teil ihres Lebenszyklus innerhalb von Pflanzen verbringen, ein Schlüssel zur Erklärung für Invasionserfolg sind.”

Frühere Studien haben gezeigt, dass Pflanzen während ihres Wachstums Bodenmikroben verändern, was sowohl ihre eigene Entwicklung als auch die der Pflanzen, die später auf diesem Boden wachsen, beeinflusst („Soil-Legacy Effect“). Unklar blieb bislang jedoch, wie sich dies auf den Konkurrenzkampf zwischen fremden und einheimischen Pflanzen in Gemeinschaften auswirkt, die aus multiplen Arten bestehen. Daher entwickelten die Forschenden ein groß angelegtes, zweiphasiges Experiment mit mehreren Pflanzenarten. Zunächst wurde der Boden mit einer von sechs heimischen Pflanzenarten, mit einer von vier nicht-heimischen oder, als Kontrolle, ohne Pflanzen konditioniert. In der zweiten Phase wurden auf diesem Boden zehn Pflanzenarten (entweder heimisch oder nicht-heimisch) ohne Konkurrenz, mit Konkurrenz von Artgenossen oder mit Konkurrenz von anderen Arten angebaut, um so verschiedene Konkurrenzszenarien in der Natur abzubilden. Dabei analysierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch, welchen Einfluss die zur Bodenkonditionierung eingesetzten Arten auf die Bodenmikroben-Gemeinschaften ausübten und wie diese Mikroben-Gemeinschaften später wiederum dort wachsende Pflanzen beeinflussten. Als Indikator für Wettbewerbsfähigkeit diente die Produktion von Biomasse über dem Boden.

„Invasional Meltdown“ bei Pflanzengemeinschaften mit mehreren Arten
Aus der Studie gingen mehrere Erkenntnisse hervor: Wurde der Boden, auf dem die Pflanzen wuchsen, nicht konditioniert, wurde keine erhöhte Konkurrenzfähigkeit bei den nicht-heimischen Arten festgestellt: Mit anderen Worten erwiesen sich die Eindringlinge im Kontext einer Gemeinschaft aus zwei Arten nicht konkurrenzfähiger als die heimischen Pflanzen – ein Ergebnis, das neues Licht auf bisherige Theorien zum Invasionserfolg wirft. Wurde der Boden jedoch von nicht-heimischen Arten konditioniert, veränderte sich die Wettbewerbssituation zwischen heimischen und nicht-heimischen Pflanzen: Die Eindringlinge produzierten deutlich mehr Biomasse als die heimischen Arten. „In diesem Szenario waren die nicht-heimischen Arten deutlich konkurrenzfähiger als ihre heimischen Rivalen, was für die Hypothese des Invasional Meltdown spricht“, erklärt Zhang.

Diese Hypothese besagt, dass die Ansiedlung einer nicht-heimischen Art die Invasion anderer fremder Arten im selben Lebensraum begünstigen kann. Laut der von Zhang et al. durchgeführten Studie ist ein Grund dafür im Bodenmikrobiom zu suchen: „Unsere Analysen zeigen, dass sich der durch die zur Bodenkonditionierung eingesetzten Pflanzen hervorgerufene ,Soil-Legacy-Effect‘ weniger negativ auf später dort wachsende Arten auswirkte, je weniger sich ihre Mikroben-Gemeinschaften ähnelten“, führt der Wissenschaftler weiter aus. Die Forscher beobachteten, dass Eindringlinge weniger Pilzendophyten mit anderen nicht-heimischen Arten gemein hatten als mit heimischen Arten, was bedeutet, dass sich Pilzendophyten unter den invasiven Spezies weniger gut ausbreiten können. „Die Idee dahinter, die auch mit dem Begriff ,Novelty‘ beschrieben wird, ist, dass zwei Arten, die nur wenige Pilzendophyten miteinander teilen, sich weniger negativ beeinflussen als zwei Arten, die viele Endophyten gemein haben“, schlussfolgert Zhang. „Es bedarf weiterer Forschung auf diesem Gebiet, wir sind jedoch davon überzeugt, dass Bodenmikroben für den Invasionserfolg und die daraus resultierenden Folgen in Mehrarten-Gemeinschaften entscheidend sind.“

Faktenübersicht:

  • Neue Studie mit Beteiligung von Ökologen der Universität Konstanz weist auf „Invasional Meltdown“ bei Pflanzengemeinschaften hin, die aus mehreren Arten bestehen, und identifiziert Bodenmikroben, insbesondere Pilzendophyten, als Hauptfaktoren für den Invasionserfolg.
  • Groß angelegtes Bodenkonditionierungsexperiment mit verschiedenen heimischen und nicht-heimischen Pflanzen deutet darauf hin, dass von nicht-heimischen Pflanzenarten konditionierter Boden später dort wachsenden Eindringlingen Vorteile verschafft.
  • Die Ergebnisse lassen vermuten, dass nicht-heimische Arten weniger Bodenmikroben, besonders Pilzendophyten, miteinander teilen als mit heimischen Arten, was wiederum bedeutet, dass die Eindringlinge sich gegenseitig weniger negativ beeinflussen als ihre einheimischen Konkurrenten.
  • Originalveröffentlichung: Zhijie Zhang, Yanjie Liu, Caroline Brunel, Mark van Kleunen, Soil-microorganism-mediated invasional meltdown in plants, Nature Ecology and Evolution, 5. Oktober 2020. DOI: https://doi.org/10.1038/s41559-020-01311-0.