Bild: Berthold Brodersen, Pixabay

Gute Kommunikation senkt Kündigungsrate in Unternehmen

Langzeitexperiment in Kooperation mit osteuropäischer Supermarktkette unter Beteiligung des Organisationsökonomen Nick Zubanov von der Universität Konstanz zeigt, dass gute Kommunikation zwischen mittlerem Management und Mitarbeitenden dazu beitragen kann, die Personalfluktuation um bis zu 25 Prozent senken.

Ein bekanntes Sprichwort besagt: „People join firms but leave managers“. Ein Langzeitexperiment in Kooperation mit einer großen Supermarktkette im Baltikum zeigt, dass das mittlere Management die Kündigungsraten bei Beschäftigten tatsächlich beeinflussen kann. Durchgeführt wurde das Projekt von den Ökonomen Prof. Dr. Matthias Heinz von der Universität zu Köln, Prof. Guido Friebel, Ph.D., von der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt und Prof. Nick Zubanov, Ph.D., von der Universität Konstanz. Die Ergebnisse stehen im Fokus einer Veröffentlichung des Exzellenzclusters „ECONtribute: Markets & Public Policy“ der Universität zu Köln und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und werden demnächst in der Fachzeitschrift Management Science veröffentlicht.

„Hohe Personalfluktuation ist teuer“, sagt Nick Zubanov, der die Professur für Organisationsökonomie an der Universität Konstanz innehat und Principal Investigator am Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“ der Universität ist. „Sie ist insbesondere mit hohem administrativem Aufwand verbunden und kann sich negativ auf den Umsatz und Gewinn auswirken. Das legen auch unsere Berechnungen nahe und unterstreichen somit bereits gewonnene Erkenntnisse zur negativen Wechselwirkung zwischen Personalfluktuation und Geschäftsleistung.“ Das Langzeitexperiment im Baltikum zeigt nun, dass insbesondere der Umgang zwischen mittlerem Management und Beschäftigten eine wichtige Rolle spielt.

Der Umgang ist wichtig
Vor dem Experiment lag die Kündigungsrate bei den 5.500 Mitarbeitenden des ausgewählten Unternehmens pro Jahr bei durchschnittlich 80 Prozent. „Uns hat interessiert, ob und wie sich eine so hohe Personalfluktuation möglichst kostenneutral senken lässt“, führt Zubanov aus. „Da das mittlere Management üblicherweise täglichen Kontakt zu den Beschäftigten hat, wollten wir außerdem wissen, ob es durch sein Verhalten maßgeblich zur Verringerung der Personalfluktuation beitragen kann.“

Die Wissenschaftler verglichen über einen Zeitraum von 16 Monaten die Kündigungsraten in Filialen, die von der Firmenleitung dazu aufgerufen worden waren, „alles in ihrer Macht Stehende zu tun“, um die Fluktuation an ihrem Standort zu senken und sich besser um die Mitarbeitenden zu kümmern, mit Filialen, die keine solche Mitteilung erhalten hatten. In den Filialen, die den Aufruf erhalten hatten, sanken die Kündigungsraten um bis zu 25 Prozent und die Filialleitungen begannen, im Vergleich mit den restlichen Filialen mehr Zeit mit ihren Angestellten zu verbringen, und zwar etwa 20 Minuten pro Tag. Der Effekt des Aufrufs auf die Kündigungsraten hielt für neun Monate an, ließ dann allmählich nach und setzte kurzfristig erneut ein, als die Filialleitungen an die Zielvorgabe erinnert wurden. Eine langfristige Veränderung blieb aus, weil die Filialleitungen für die erfolgreiche Senkung der Kündigungsraten keine Belohnung erhielten.

Keine Auswirkungen auf den Umsatz
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass sich die Fluktuation allein durch einfache Kommunikation von oberem zu mittlerem Management und Filialleitungen zu Mitarbeitenden maßgeblich senken lässt. „Wir waren überrascht, wie groß der Effekt dieses relativ simplen Eingriffes ist“, sagt Matthias Heinz, Professor am Exzellenzcluster „ECONtribute“ der Universitäten zu Köln und Bonn.

Obwohl sich auf diese Art und Weise der administrative Aufwand und die damit verbundenen Kosten innerhalb des Unternehmens kostengünstig senken ließen, hatten die niedrigeren Kündigungsraten keinen positiven Effekt auf den Umsatz, er blieb gleich. Das könnte daran liegen, dass die intensivere Interaktion der Filialleitungen mit ihren Angestellten einen Preis hat: Bei gleicher Arbeitszeit blieb weniger Zeit für die Kundenbetreuung. Damit widerspricht die Studie von Heinz, Friebel und Zubanov den Ergebnissen bisheriger Untersuchungen, die davon ausgehen, dass niedrigere Fluktuation immer zu höheren Geschäftsleistungen führt.

Das Forschungsprojekt unterstreicht, wie wichtig die Wahl des passenden Managementpersonals ist. Dieses sollte grundsätzlich gut kommunizieren und mit Menschen umgehen können, um die Kündigungsraten möglichst gering zu halten. Gleichzeitig zeigt es jedoch auch, dass eine einfache Aufforderung aus der Chefetage genügt, um Managementpersonal positiv zu beeinflussen, auch wenn dieser Effekt nur vorübergehend anhält.

Faktenübersicht:

  • Studie zur Personalfluktuation bei einem großen Einzelhandelsunternehmen unter Beteiligung des Organisationsökonomen Prof. Nick Zubanov, Ph.D., von der Universität Konstanz.
  • Das gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität zu Köln und der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt durchgeführte Langzeitexperiment in Kooperation mit einer osteuropäischen Supermarktkette zeigt, dass gute Kommunikation zwischen mittlerem Management und Mitarbeitenden die Personalfluktuation um bis zu 25 Prozent verringern kann.
  • Niedrigere Kündigungsraten bei den Beschäftigten verringern den administrativen Aufwand und die damit verbundenen Kosten, wirken sich jedoch nicht positiv auf den Umsatz aus.
  • Die Ergebnisse der Studie wurden vom Exzellenzcluster „ECONtribute: Markets & Public Policy“ der Universität zu Köln und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn veröffentlicht und werden demnächst in der Fachzeitschrift Management Science erscheinen.
  • Originalveröffentlichung: Guido Friebel, Matthias Heinz, Nikolay Zubanov: Middle Managers, Personnel Turnover and Performance: A Long-Term Field Experiment in a Retail Chain, ECONtribute Discussion Paper No. 039, November 2020. URL: https://selten.institute/RePEc/ajk/ajkdps/ECONtribute_039_2020.pdf