Ein interaktiver Tisch informiert über die Entwicklung der antiken Stadt.

Einen Sehnsuchtsort auferstehen lassen

Staunen auf vier Stockwerken: Studierende von HTWG und Universität Konstanz gestalten die Ausstellung »Rebuild Palmyra« im Konstanzer Bildungsturm

Sie versetzen das Publikum an einen Sehnsuchtsort – und stellen gleichzeitig die Frage, wie die Menschheit mit zerstörtem Weltkulturerbe umgehen soll: Drei Professoren und ein interdisziplinäres Team aus Studierenden der Hochschule Konstanz (HTWG) und der Universität Konstanz haben über vier Semester die interaktive Ausstellung »Rebuild Palmyra« vorbereitet. Noch bis 17. September ist sie im Konstanzer Bildungsturm zu sehen.

„Wir glauben, dass Ausstellungen emotional berühren müssen“, das sagte Eberhard Schlag, Professor für Architektur und Design an der HTWG, bei der Vernissage im voll besetzten Wolkensteinsaal. Er hat gemeinsam mit den Universitätskollegen Harald Reiterer (Professor für Informatik) und Stefan Hauser (Professor für Archäologie) sowie mit Studierenden aus vier Studiengängen und zwei Hochschulen daran gearbeitet, dass das gelingt. Und das Staunen der rund 250 Gäste, die am Freitagabend die Ausstellung erstmals gesehen haben, gibt den Machern recht.

Auf den vier Stockwerken des Bildungsturms zeigen Historiker, Informatiker, Kommunikationsdesigner und Architekten die Geschichte und Zerstörung der Stadt Palmyra, sie führen den Besucher durch eine Flut an Eindrücken hin zur Entscheidung: Wiederaufbauen – oder nicht? Und bereits am Vernissage-Abend zeugen die Notizen, die die Gäste im obersten Stockwerk an einer Pinnwand hinterlassen, davon, wie sehr die Ausstellung das Publikum beeindruckt und seine Haltung zu dieser Frage verändert.

Denn seit Jahrhunderten, so der Archäologe Hauser, gehörte die antike Stätte in Syrien zu den „Sehnsuchtsorten“ der Menschheit. Und als der sogenannte „Islamische Staat“ im Jahr 2015 begann, die Anlage zu zerstören und antike Tempel zu sprengen, gingen die Bilder um die Welt. Wie umgehen mit zerstörter Weltkultur? Das ist letztlich die Frage, die hinter der Ausstellung steht und das Thema über die aktuelle Lage in Syrien hinaus öffnet. Eine Frage, die sich mancher Besucher vielleicht erst durch den Besuch stellt.

Die Studierenden schicken die Gäste zunächst durch einen wahren Blätterwald an Berichten über die Vernichtung durch den IS. Sie greifen dann im zweiten Stock weit aus und erzählen die Geschichte Palmyras: Ein interaktiver Tisch zeigt die Entwicklung der Stadt. Antike Figuren sprechen über Kopfhörer, Handelswege leuchten an der Wand. In gelbem Wüstensand wähnt man sich im dritten Stock, kann mit Hilfe von Tablets die Zerstörung der Tempel nachvollziehen oder via VR-Brille ins antike Palmyra reisen. Und schließlich, ganz oben, warten zwei Türen: Ja oder nein? Dahinter führen Pfeile am Boden zu immer neuen Entscheidungsfragen und schließlich zum Ergebnis des ganz persönlichen Rundgangs. Wie würde man selbst entscheiden, als Skeptiker oder Idealist?

Bis zum 17. September läuft die Ausstellung, die sich, wie Gastgeberin Waltraut Liebl-Kopitzki vom Amt für Schulen, Bildung und Wissenschaft in ihrer Begrüßung betonte, vor allem auch für Schüler eignet. Denn sie holt den Besucher mitten ins Geschehen, konfrontiert direkt mit alter Schönheit und jüngster Schändung. Und sie zeigt, wie moderne Ausstellungstechnik scheinbar Fernes erlebbar machen kann.

50 000 Euro an Sponsorengeldern haben die Studierenden erhalten. Ohne diese Geldgeber und die Unterstützung der Stadt wäre das Projekt so nicht möglich gewesen. Und natürlich nicht ohne die Studierenden, denen der lange Schlussapplaus bei der Eröffnung galt.

Die Ausstellung wird begleitet von einem Rahmenprogramm, das am Dienstag, 4. Juli, mit einem Vortrag von Prof. Dr. Stefan Hauser um 19 Uhr im Wolkensteinsaal beginnt. Thema: „Palmyra aufbauen – warum?“ Weitere Infos unter www.rebuild-palmyra.de