Dr. Andreas Walker (rechts) erhielt den wissenschaftlichen Förderpreis der Stadt Konstanz. Die Urkunde überreichte Bürgermeister Dr. Andreas Osner.
Dr. Andreas Walker (rechts) erhielt den wissenschaftlichen Förderpreis der Stadt Konstanz. Die Urkunde überreichte Bürgermeister Dr. Andreas Osner.

Die Sache mit den „Eselssätzen“

Der Sprachwissenschaftler Dr. Andreas Walker erhielt den wissenschaftlichen Förderpreis der Stadt Konstanz

Die „Eselssätze“ haben keinen der Laudatoren bei der Verleihung des wissenschaftlichen Förderpreises der Stadt Konstanz kalt gelassen. Direkt oder indirekt kamen alle darauf zu sprechen angesichts des Titels der ausgezeichneten Dissertation von Dr. Andreas Walker. In der Arbeit mit der launigen Überschrift „The world is not enough: situations, laws and assignments in counterfactual donkey sentences“ wird ein zentrales Thema der formalen Semantik behandelt – die Logik und Bedeutung verschiedener Klassen von Konditionalsätzen und ihre Analyse in der Theorie möglicher Welten.

Zunächst dankte Rektor Prof. Dr. Ulrich Rüdiger Bürgermeister Dr. Andreas Osner und der Stadt Konstanz für die bereits 33. Vergabe des wissenschaftlichen Förderpreises. Auch er ging in seinem Redebeitrag auf den Titel der Doktorarbeit ein, aber auch auf andere bemerkenswerte Themen, die Andreas Walker zuvor in seiner nicht minder launigen Dankesrede anklingen ließ. Der Preisträger sprach zum Beispiel das Thema Open Access an. Anlass war die Bemerkung von Prof. Dr. Jürgen Klöckler, dem Vorsitzenden des Kuratoriums zur Vergabe des Preises und als Stadtarchivar Hausherr bei der Preisverleihung, das Preisgeld von 4.000 Euro reiche, um die Dissertation drucken zu lassen. Andreas Walker hat jedoch anderes vor. Er hat die Arbeit auf KOPS hochladen lassen, dem Internet-Repositorium der Universität Konstanz, auf dem wissenschaftliche Publikationen im Sinne von Open Access bereitgestellt werden.

Andreas Walker sprach sich für die Publikationsform aus, die Arbeiten im Internet zur freien und kostenlosen Nutzung zur Verfügung stellt. Und das nicht nur in seiner Funktion als wissenschaftlicher Autor. Nach seiner Dissertation 2017 hat er ein Bibliotheksreferendariat an der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek in Göttingen begonnen. Aus aller Munde wurde ihm höchste wissenschaftliche Exzellenz bescheinigt. Allen voran zeigte seine Erstbetreuerin, die Konstanzer Sprachwissenschaftlerin Prof. Dr. Maribel Romero, ihre Wertschätzung. Seine analytischen Fähigkeiten seien „absolute Spitze“, er besitze Neugierde für alle möglichen wissenschaftlichen Fragen und sei ein großartiger Wissenschaftskommunikator.

Auch dass es in diesem Jahr nur eine Auszeichnung gibt, obwohl der Preis der Stadt Konstanz je zur Hälfte für eine sprachwissenschaftliche und eine literaturwissenschaftliche Dissertation vorgesehen ist, hat mit der herausragenden Qualität der Arbeit von Andreas Walker zu tun. Ihr Thema bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Linguistik und Philosophie und wurde im Rahmen der Konstanzer Forschergruppe „Was wäre wenn?“ verfasst, in der sich Sprachwissenschaft, Philosophie, Literatur- und Geschichtswissenschaft sowie Psychologie begegnen.

Die Dissertation handelt davon, wie Menschen kontrafaktische Konditionalsätze verwenden, um nicht nur über die alltägliche Welt, sondern auch über bloße Möglichkeiten zu sprechen. Anhand eines klassischen Problems der formalen Semantik – und hier tauchen die „Eselssätze“ auf – zeigt er, dass die Art und Weise, wie in solchen Sätzen Möglichkeiten miteinander verglichen werden, von der Verwendung bestimmter sprachlicher Konstruktionen abhängig ist. Andreas Walker schlägt eine stark pragmatisch orientierte innovative Lösung vor, wie diese Abhängigkeit semantisch modelliert werden kann.

Ein Beispiel für einen Eselssatz lautet übrigens: „Wer einen Esel hat, der füttert ihn.“ Eselssätze gehen auf die mittelalterliche Logik zurück und heißen so, weil sie meist von Eseln handeln.