Parlamente im Wandel

Konstanzer Politikwissenschaftler Dr. Thomas Malang erhält den Manfred-Fuchs-Preis 2021 für seine Forschung zur Rolle von Parlamenten in Zeiten zunehmender Internationalisierung.

Dr. Thomas Malang aus dem Fachbereich Politik- und Verwaltungswissenschaft an der Universität Konstanz ist mit dem Manfred-Fuchs-Preis 2021 der Heidelberger Akademie der Wissenschaften ausgezeichnet worden. Der seit 2015 jährlich durch die Akademie verliehene Preis ist mit insgesamt 10.000 Euro dotiert und prämiert die herausragenden wissenschaftlichen Leistungen qualifizierter Nachwuchsforscherinnen und -forscher aus Baden-Württemberg. Thomas Malang untersucht in seiner Arbeit die Rolle von Parlamenten in Zeiten zunehmender Internationalisierung und verbindet dabei die Methoden verschiedener Wissenschaftsdisziplinen, von der Politikwissenschaft über die Informatik bis hin zur Verhaltensforschung.

Thomas Malang ist Emmy Noether-Nachwuchsgruppenleiter zum Thema „Parlamentarische Außenbeziehungen: Strukturen, Erklärungen, Effekte“ an der Universität Konstanz und vertritt derzeit die Professur für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Internationale Politik im Fachbereich Politik- und Verwaltungswissenschaft. Er erhält den Manfred-Fuchs-Preis als Würdigung seiner Arbeit über die „Komplexität mehrschichtiger parlamentarischer Aktivität“. Er teilt sich den mit insgesamt 10.000 Euro dotierten Preis mit der Umweltphysikerin Dr. Kira Rehfeld von der Universität Heidelberg.

Die Legislative in der Krise?
Der Manfred-Fuchs-Preis würdigt und berücksichtigt insgesamt vier Fachartikel, die Thomas Malang im Rahmen seiner Habilitation an der Universität Konstanz verfasst hat. In diesen untersucht Malang, wie nationale Parlamente und deren Mitglieder im Zuge zunehmender Internationalisierung ihre Rolle neu definieren. „In den Politikwissenschaften wird gemeinhin die Gefahr eines Demokratiedefizits durch zunehmende Internationalisierung gesehen. Internationale Abkommen oder Beschlüsse werden zwischen den beteiligten Regierungen ausgehandelt. Der Legislative, als legitimierte Volksvertretung, verbleibe dadurch lediglich die Aufgabe der abschließenden Ratifizierung, so die Befürchtung“, schildert Malang den Hintergrund seiner Forschung.

Im Detail stellt Thomas Malang die Fragen, was einzelne Parlamentarierinnen und Parlamentarier dazu bewegt, auf internationalem Parkett aktiv zu werden, und welchen Einfluss diese Aktivität auf die demokratische Legitimität internationaler Politik hat. Für deutsche Parlamentsmitglieder konnte er so zum Beispiel zeigen, dass die Grenznähe des innerstaatlichen Regierungsbezirks der Abgeordneten eine Vorhersage über deren internationale Aktivität erlaubt. Parteiliche Faktoren, wie zum Beispiel die Zugehörigkeit zur aktuellen Regierung oder Opposition, spielten hingegen keine messbare Rolle.

Vetoentscheidungen in der EU
Auf Ebene internationaler Organisationen untersuchte eine der gewürdigten Studien das Vetoverhalten von Nationalparlamenten zu Gesetzesentwürfen der Europäischen Union. Der Vertrag von Lissabon ermöglicht es den Kammern, Gesetzesentwürfe abzulehnen, sofern mindestens ein Drittel der Parlamente berechtigte Bedenken äußert. Thomas Malang konnte zusammen mit seinen Kolleginnen und Kollegen zeigen, dass nationale Parlamente ihre Vetoentscheidungen nicht unabhängig voneinander treffen, sondern dass es im Laufe des Prozesses zu gegenseitigen Beeinflussungen kommt, insbesondere zwischen Parlamenten mit ähnlicher parteilicher Zusammensetzung. 

“Die Legislative steht der zunehmenden Internationalisierung keineswegs machtlos gegenüber. Die Steigerung der parlamentarischen Aktivität auf internationalem Terrain ist ein geeignetes Instrument, um die demokratische Legitimität internationaler Entscheidungsprozesse zu erhöhen“, so Malang.

Das Schwarmverhalten von Parlamentsmitgliedern
Eine Besonderheit der Arbeiten von Thomas Malang liegt in der methodischen Herangehensweise an das Thema. Zum einen betrachtet er, für das Forschungsfeld ungewöhnlich, die internationale parlamentarische Arbeit aus einer innerstaatlichen Perspektive. Des Weiteren bedient er sich bei der Analyse seiner Daten moderner Methoden aus anderen Wissenschaftsdisziplinen. So nutzt er zum Beispiel aus der Verhaltensforschung entliehene Netzwerkanalysen zum Schwarmverhalten oder aus der Informatik stammende Analyseverfahren zur Erforschung von Internetphänomenen, wie Memes. Diese Interdisziplinarität macht ihn und seine Mitautorinnen und Mitautoren zu methodischen Pionieren in seinem Forschungsbereich. Entsprechend plant Thomas Malang, diesen Ansatz mit seiner kürzlich ins Leben gerufenen Emmy Noether-Arbeitsgruppe fortzusetzen und weiter auszubauen.

Über den Manfred-Fuchs-Preis
Der interdisziplinäre Manfred-Fuchs-Preis ist einer von sechs durch die Heidelberger Akademie der Wissenschaften verliehenen Preise für Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler. Er fördert besonders qualifizierte Nachwuchsforschende auf der Karrierestufe von Habilitierenden oder Nachwuchsarbeitsgruppenleitenden. Der jährlich mit 10.000 Euro dotierte Preis wird seit 2015 durch den Mannheimer Unternehmer Dr. Dr. h.c. Manfred Fuchs gestiftet und wurde, die Preisträgerin und den Preisträger 2021 eingeschlossen, bisher elfmal verliehen. Besondere Berücksichtigung bei der Preisvergabe finden vor allem Forschende, die durch ihre Arbeit, wie Thomas Malang, Brücken zwischen bestehenden Wissenschaftskulturen schlagen.

Faktenübersicht:

  • Konstanzer Politikwissenschaftler Dr. Thomas Malang erhält den Manfred-Fuchs-Preis 2021 der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.
  • Auszeichnung von Thomas Malangs Forschung zur „Komplexität mehrschichtiger parlamentarischer Aktivität“.
  • Förderhöhe des Manfred-Fuchs-Preises: jährlich insgesamt 10.000 Euro (im Jahr 2021: 5.000 Euro pro Preisträger bzw. Preisträgerin).
  • Auszeichnung für exzellente Nachwuchsforschende auf dem Weg zur Professur.
  • Die gewürdigten Originalpublikationen sind unter den folgenden Links verfügbar:
  • Teile der Forschung Thomas Malangs wurden durch das Emmy Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert (Projektnummer 447624982).