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Der Mindset macht den Unterschied

Eine psychologische Studie an der Universität Konstanz zum Alkoholkonsum von Studierenden eröffnet innovative Perspektiven für die Forschung und Praxis von Präventionsprogrammen.

Eine Studie im Fachbereich Psychologie der Universität Konstanz kam zu einem überraschenden Ergebnis: Studierende mit einem „geschlossenen Mindset“, die eigentlich nicht mehr aufnahmebereit sind für neue Informationen, reagierten positiver auf eine Intervention bezüglich ihres Alkoholkonsums als Studierende mit einem „offenen Mindset“. Das Ergebnis könnte in der Lage sein, die Erforschung und Entwicklung effektiverer Präventions- und Interventionsmethoden einen großen Schritt nach vorne zu bringen. 

Im Bereich der Klinischen Psychologie der Universität Konstanz ist aus Untersuchungen zu Suchtmittelkonsum die fehlende Offenheit bekannt, über Alkohol und Drogen zu sprechen. Gleichzeitig wird seit mehr als 20 Jahren im benachbarten Bereich Motivationspsychologie an der Universität Konstanz in Laborstudien die Aufnahmebereitschaft von neuer Information im Rahmen der kognitiven Entscheidungsforschung untersucht. 

Einfluss der kognitiven Aufnahmebereitschaft auf die Alkohol-Prävention
 
Die Autorinnen und Autoren dieser Studie kommen aus beiden genannten Arbeitsgruppen und stellten sich die Frage, ob die kognitive Aufnahmebereitschaft für neue Informationen den Effekt einer präventiven Alkohol-Intervention und damit die Entscheidung, seinen Konsum zu reduzieren, beeinflusst. Generell sind Menschen in der Abwägungsphase vor einer Entscheidung in einem „offenen Mindset“ und somit geistig empfänglich dafür, neue Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten. Sobald eine Entscheidung getroffen ist, wird ein „geschlossener Mindset“ aktiviert, das heißt, die bereits erhaltenen Informationen, die diese Entscheidung unterstützen, werden bevorzugt verarbeitet, während inkongruente Informationen als unpassend eingestuft und nicht mehr berücksichtigt werden. Daher wurde erwartet, dass auch bei diesem eher schwierigen Thema ein offener Mindset und damit eine offenere Haltung die Akzeptanz der Präventionsbotschaft bei den Versuchspersonen erhöht und die Intervention dadurch stärker wirkt.  

Um geeignete Teilnehmende für die Studie zu finden, wurden zuerst über 250 freiwillige Studierende zu ihrem Alkoholkonsum befragt. Im Anschluss wurden die Personen zur Interventions-Studie eingeladen, die nach den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation einen riskanten Alkoholkonsum vorweisen. In der eigentlichen Interventions-Studie nahmen 64 Studierende mit riskantem Alkoholkonsum teil, die im Vormonat im Durchschnitt zirka 40 Standarddrinks eingenommen hatten (ein Standarddrink enthält zirka 12 Gramm Reinalkohol, entspricht also zirka 0,33 Liter Bier oder 0,15 Liter Wein).  

Am Anfang des Experimentes wurde mittels einer kurzen Instruktion „verdeckt“ ein offener oder ein geschlossener Mindset induziert, was bewirkte, dass die Studierenden geistig empfänglich oder unempfänglich für neue Informationen wurden, ohne dass sie ahnten, dass dies etwas mit der folgenden Alkoholintervention zu tun hatte. Auf der anderen Seite wusste aber auch die jene Intervention durchführenden Psychologinnen und Psychologen nicht, wem welcher Mindset induziert worden war. Im Anschluss nahmen alle an einer präventiven 25-minütigen motivierenden Kurzintervention zur Alkoholreduktion teil. 

Potenzial zur Verbesserung bisheriger Präventionsstrategien
 Das überraschende Ergebnis war, dass die Beeinflussung des Mindsets einen deutlichen Effekt hatte, aber ganz anders als von den Forschenden erwartet: Studierende, bei denen vor der Intervention ein geschlossener Mindset aktiviert wurde, reduzierten ihren Alkoholkonsum in den folgenden vier Wochen deutlich, während diejenigen in einem offenen Mindset ihn sogar signifikant erhöhten; der Mittelwertunterschied zwischen den beiden Gruppen betrug im Monat nach der Intervention 21 Standarddrinks. In einer Nachbefragung wussten die Studierenden selbst nicht, dass ihr Mindset manipuliert worden war, und sie konnten nicht generell einschätzen, ob sie mehr oder weniger als im Vormonat getrunken hatten. 

Die Forschenden interpretieren die Ergebnisse so, dass durch den offenen Mindset mehr Unentschlossenheit bezüglich des Ziels, den eigenen Alkoholkonsum zu reduzieren, entstanden sein könnte, während im geschlossenen Mindset die Entscheidung, den schädlichen Konsum zu reduzieren, weiter reifte. Weitere Studien sollen Aufschluss über die genauen Prozesse geben, die durch die Induktion von Mindsets ausgelöst werden. Das Mindset-Paradigma hat das Potenzial, Akzeptanz von und Widerstand gegen Präventionsmaßnahmen gezielt zu beforschen und die bisherigen Strategien zu verbessern.

Faktenüberblick:

  • Originalpublikation: Natascha Büchele, Lucas Keller, Anja C. Zeller, Freya Schrietter, Julia Treiber, Peter M. Gollwitzer, Michael Odenwald (2020). The effects of pre-intervention mindset induction on a brief intervention to increase risk perception and reduce alcohol use among university students: A pilot randomized controlled trial. PLoS ONE 15(9): e0238833. https://dx.doi.org/10.1371/journal.pone.0238833
  • Psychologische Studie an der Universität Konstanz zum Alkoholkonsum von Studierenden
  • 250 freiwillige Studierende wurden zu ihrem Alkoholkonsum befragt; 64 Studierende mit riskantem Alkoholkonsum nahmen an der Interventions-Studie teil 
  • Der offene Mindset mit der geistigen Empfänglichkeit für neue Informationen führte zu einer paradoxen und starken Erhöhung des Alkoholkonsums in den folgenden vier Wochen, der geschlossene Mindset mit der geistigen Unempfänglichkeit für neue Informationen zu einer Reduktion.
  • Die Studie wurde im Rahmen der DFG-Forschergruppe Risk-Dynamics durchgeführt. Die offizielle Laufzeit von 2016 bis 2019 wurde für dieses und weitere Teilprojekte bis 31. März 2023 verlängert.