Grafik: Niklas Windbacher, AG Bechinger

Bananenflanke in der Mikrowelt

Der Magnus-Effekt ist für die gekrümmte Flugbahn von angeschnittenen Fuß- oder Tennisbällen verantwortlich und wird auch als Antriebsmechanismus für Schiffe eingesetzt. Dass der Magnus-Effekt auch auf mikroskopischer Skala existiert, konnte nun erstmal von Forschern um den Konstanzer Physiker Clemens Bechinger gezeigt werden.

Egal, ob man den Magnus-Effekt kennt oder nicht, man hat ihn garantiert schon häufig eingesetzt: im Fußball bei der Bananenflanke oder bei angeschnittenen Bällen im Tennis. Als sogenannter Flettner-Rotor kommt das Prinzip als Schiffsantrieb zum Einsatz und kann sogar für den Auftrieb eines Flugzeugs sorgen.

Der Magnus-Effekt lässt sich immer dann beobachten, wenn ein rotierendes Objekt sich durch Luft oder eine Flüssigkeit bewegt. Durch den Drall wird die Strömung im umgebenden Medium so verformt, dass dabei Geschwindigkeitsunterschiede auf den gegenüberliegenden Seiten des rotierenden Objekts entstehen. Ähnlich wie beim Auftrieb eines Flugzeugflügels führt dies zu einer Kraft, die in diesem Fall das Objekt von einer geraden Flugbahn ablenkt. Bereits in den 1930er-Jahren wurde dieses Prinzip verwendet, um einen neuartigen Antriebsmechanismus für Schiffe (Flettner-Rotor) zu entwickeln, der seit einigen Jahren wegen seiner guten Energiebilanz kommerziell wiederentdeckt wurde. Darüber hinaus spielt der Magnus-Effekt auch eine Rolle bei der Entstehung von Planeten durch Kollisionen mit rotierenden Gesteinsbrocken.

Verschwindet der Effekt im Mikro-Bereich?
Generell wird der Magnus-Effekt mit abnehmender Größe des rotierenden Objekts immer kleiner. Wenn man eine rotierende Kugel von nur wenigen Mikrometern (dem Millionsten Teil eines Meters) Durchmesser betrachtet, die sich durch eine einfache Flüssigkeit bewegt, dann sollte der Effekt nahezu komplett verschwinden.

Physiker aus Konstanz und Göttingen um Clemens Bechinger korrigieren nun diese Annahme. In einer aktuellen Studie können sie zeigen, dass der Magnus-Effekt auf mikroskopischer Skala sogar sehr groß werden kann, wenn die Kugel sich in einer sogenannten viskoelastischen Flüssigkeit bewegt. Im Unterschied zu Wasser vereinigen viskoelastische Flüssigkeiten sowohl flüssige als auch elastische Eigenschaften. Typische Beispiele für solche Materialien sind Polymerlösungen, aber auch biologische Systeme wie etwa Blut.

Mit den Beobachtungen der Wissenschaftler lassen sich neuartige Bewegungsmechanismen für mikroskopische Teilchen realisieren. Denkbare Anwendungsfelder wären zukünftige Miniroboter, die sich durch Blutbahnen bewegen und gezielt bestimmte Positionen innerhalb eines Körpers ansteuern können.

Flüssigkeiten mit Zeitverzögerung
In ihren Experimenten verwendeten die Forscher magnetische Miniglaskügelchen, die durch ein rotierendes Magnetfeld in eine Drehbewegung gesetzt wurden und sich mit konstanter Geschwindigkeit durch eine viskoelastische Flüssigkeit bewegten. Ähnlich wie bei einem Hefeteig, der nach einer kurzen Eindellung nicht sofort wieder seine ursprüngliche Form annimmt, reagiert eine viskoelastische Flüssigkeit ebenfalls etwas zeitverzögert auf das sich bewegende und rotierende Teilchen. Dadurch kommt es zu einer Verzerrung innerhalb der Flüssigkeit, die sich zusammen mit dem Teilchen bewegt und dieses dabei zur Seite drückt. In einfachen Flüssigkeiten wie z. B. Wasser ist dieser Effekt verschwindend gering, da die kleinen Wassermoleküle nahezu augenblicklich auf die Bewegung des Minikügelchens reagieren.

Eine weitere Konsequenz aus dem zeitverzögerten Verhalten viskoelastischer Flüssigkeiten ist, dass die Magnus-Kraft – anders als z. B. bei einem Tennisball – nicht sofort verschwindet, sobald die Drehung stoppt. Diese Vorhersage wurde von den Forschern in ihren Experimenten ebenfalls bestätigt. Besonders überrascht waren die Physiker von der unerwarteten Stärke der Magnus-Kraft, die zu einer massiven Ablenkung des Teilchens von einer geraden Bahn führt. Damit lassen sich die Bewegungen von Teilchen bis in den Nanometerbereich gezielt kontrollieren, was – beim Anwendungsbeispiel des Miniroboters – eine wesentliche Voraussetzung für den gezielten Transport von Medikament-beladenen Teilchen an bestimmte Stellen in Organismen ist.

Faktenübersicht:

  • Originalpublikation: Xin Cao, Debankur Das, Niklas Windbacher, Felix Ginot, Matthias Krüger and Clemens Bechinger: Memory-induced Magnus effect, Nature Physics, 2023
    DOI: 10.1038/S41567-023-02213-1. Link: https://www.nature.com/articles/s41567-023-02213-1
  • Prof. Dr. Clemens Bechinger ist Professor für Colloidal Systems und Mitglied des Exzellenzclusters „Centre for the Advanced Study of Collective Behaviour” der Universität Konstanz
  • Zusammenarbeit von Physikern der Universität Konstanz und Universität Göttingen
  • Gefördert durch: Sonderforschungsbereich SFB 1432 „Fluctuations and Nonlinearities in Classical and Quantum Matter beyond Equilibrium“, Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)