Die Logik kollektiver Anfeindung. Der Berliner Antisemitismusstreit 1879/80 und die Sprache des modernen Antisemitismus

Wann
Montag, 6. Mai 2024
18 bis 19:30 Uhr

Wo
Online (Zoom)

Veranstaltet von
Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt

Vortragende Person/Vortragende Personen:
Nicolas Berg (Leibniz Institut für jüdische Geschichte und Kultur – Simon Dubnow Leipzig)

Moderation:
Anna Pollmann (Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt, Universität Konstanz)

Zoom-Link

Online-Vortrag und Buchvorstellung

An den Wänden der Universität Konstanz prangten im Frühjahr zwei Parolen: eine aus dem Arsenal des modernen Antisemitismus, die schließlich im Nationalsozialismus zur mörderischen, politischen Maxime wurde; die zweite eine Leitformel der pro-palästinensischen Protestbewegung. Das Nebeneinander dieser Parolen legt nahe, sich mit formierenden Ereignissen und mit der Tradierungs- und Radikalisierungsgeschichte des Antisemitismus zu beschäftigen, dessen Konjunkturen seit vielen Jahrzehnten immer auch im Zusammenhang mit Konflikt und Krieg im Nahen Osten und derzeit mit dem Krieg in Gaza zu sehen sind.

Zu Kontextualisierung des historischen und folgenschweren Zitates Heinrich von Treitschkes »Die Juden sind unser Unglück« heißen wir den Historiker Nicolas Berg willkommen. Das Zitat stand am Anfang des Berliner Antisemitismusstreits 1879/80, einer Urszene des modernen Antisemitismus, in dessen Zentrum zunächst die Infragestellung der gleichberechtigten Teilhabe von Juden im neu gegründeten Deutschen Reich stand. Nicolas Berg hat 2023 die Sammlung der historischen Dokumente aus den Jahren 1879/80, die erstmals 1965 von Walter Boehlich zusammengestellt wurde, bei Suhrkamp neu herausgegeben. Berg wird in seinem Vortrag Ursprünge und Rezeptionsgeschichte des fatalen Satzes bis zu seiner Funktion als zentralem Slogan der völkischen und später nazistischen Bewegung und seinem Nachhall in gegenwärtigen Parteiprogrammen nachzeichnen. Zudem wird es um die sprachlichen Strukturen antisemitischer Anfeindungen gehen, die bis heute Bestand haben: seine Wort- und Metaphernwahl, seine aporetischen Denkfiguren, die Verwissenschaftlichung des Ressentiments und die Angleich­ungen an den akademischen Jargon. Die Leitfrage seiner Ausführungen lautet: Kann man antisemitische Diffamierungs- und Ausgrenzungsideologie mit Mitteln der historischen Sprachkritik dekonstruieren?