Dr. Christa Kamleithner

Foto Christa Kamleithner

Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Zentrum für Kulturwissenschaftliche Forschung

Bischofsvilla
Otto-Adam-Str. 5
78467 Konstanz

Hauspost: Fach 914
Telefon: +49 7531 88-5820
E-Mail: christa.kamleithner@uni-konstanz.de


Kurzlebenslauf

Christa Kamleithner ist Architekturtheoretikerin und Kulturwissenschaftlerin und forscht zur Wissens- und Kulturgeschichte des gebauten Raumes. Sie studierte Architektur und Philosophie in Wien, war von 2004-05 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften der TU Graz und von 2006-12 an der Professur für Kunst- und Kulturgeschichte im Studiengang Architektur der Universität der Künste Berlin. Von 2007-13 war sie Lehrbeauftragte am Center for Metropolitan Studies der TU Berlin, und im Sommersemester 2011 lehrte sie als Gastprofessorin an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg im Masterstudiengang Architektur und Stadtforschung. 2018 wurde sie mit einer Arbeit zur Genealogie der „funktionalen Stadt“ am Institut für Kulturwissenschaft an der HU Berlin promoviert, wo sie auch als Lehrbeauftragte unterrichtete. 2019/20 forschte sie als Postdoc-Stipendiatin an der Bauhaus-Universität Weimar, danach war sie akademische Mitarbeiterin am DFG-Graduiertenkolleg Kulturelle und technische Werte historischer Bauten der BTU Cottbus-Senftenberg. Seit Oktober 2022 ist sie akademische Mitarbeiterin am ZKF der Universität Konstanz. Ihr aktuelles Forschungsprojekt widmet sich der Geschichte des „Nutzers“.

Forschungsschwerpunkte

Wissens- und Kulturgeschichte des gebauten Raumes (18.-21. Jh.)
Geschichte des modernen Städtebaus
Geschichte der Nachkriegsarchitektur und ihrer Theorie
Medialität der Architektur
Theorien des sozialen Raumes

Forschungsprojekt

Die Erfindung des „Nutzers“. Eine Architektur- und Wissensgeschichte, 1957-1977

Der „Nutzer“ ist heute allgegenwärtig, sei es als Kunde und Kundin verschiedenster Dienste, „Benutzer“ von Verkehrsnetzen oder „User“ von Social Media-Plattformen. Nach ersten Verwendungen in den 1930er Jahren erfuhr der Begriff in den 1960er Jahren eine Konjunktur: zunächst in den Sozialwissenschaften, dann im Architektur- und Städtebaudiskurs, wo er heute selbstverständlich verwendet wird. Dabei hat der Begriff eine historische Signatur: Seine Verbreitung war mit dem Bau neuer Infrastrukturen ebenso verbunden wie mit neuen Methoden der empirischen Sozialforschung, die sich für die gerade im Entstehen begriffene „Umwelt“ und deren Wahrnehmung, Aneignung und Nutzung interessierte. Das an der Schnittstelle von Architektur- und Wissensgeschichte angelegte Projekt verfolgt den Aufstieg des „Nutzers“ zwischen 1957 und 1977, wobei der Fokus auf dem deutschsprachigen Raum liegt. Allerdings ist die epistemische Figur nicht ohne die globalen Bezüge zu denken, die sie hervorgebracht haben: Die Autobahn- und Schnellbahnnetze, die großmaßstäblichen Wohnsiedlungen wie die Großkomplexe für Einkauf, Bildung und Freizeit, in denen sich Nutzer und Nutzerinnen bewegten, folgten weltweit zirkulierenden Mustern.

An ausgewählten Bauvorhaben und den sie begleitenden Diskursen wird das Projekt die mit der Figur verbundenen Versprechen herausarbeiten, ebenso wie die Gewaltförmigkeit, die der seit den 1950er Jahren entstehenden Konsumgesellschaft und ihren Infrastrukturen innewohnt. Die „Nutzer“, von denen seit damals die Rede ist, sind mobil gewordene Stadtbewohner und -bewohnerinnen, die die Orte ihres Alltags wie ihre sozialen Beziehungen frei zusammenstellen. Sie sind weder ohne technische Vernetzung zu denken, noch ohne eine Sozialforschung, die sich für die zunehmend individuelleren Formen der sozialen Vernetzung interessierte. Nichtsdestoweniger waren die Freiheits- und Inklusionsversprechen mit sozialen Ausschlüssen verbunden. Noch bevor sich die ökologischen Bedenken gegenüber der energieintensiven, auf fossilem Kapital beruhenden Stadtstruktur zuspitzten, reagierte darauf nach 1968 ein kritischer Diskurs, der die Erforschung der „Nutzer“ mit ihrer Politisierung verband. Indem das Projekt den Transformationen der Figur anhand konkreter Bauvorhaben und Diskussionen nachgeht, arbeitet es die Rolle von Architektur bei der Entstehung der Konsum- und Kommunikationsgesellschaft heraus – und will damit einen Beitrag zur Archäologie der Gegenwart liefern.

Publikationen

Monographien und Editionen

  • „Picturing Motion: Mapping, Modelling and Managing Urban Regions“, Schwerpunktthema Journal of Urban History, Gastredaktion mit Laila Seewang, in Vorberitung für 2024
  • Architectures of Colonialism: Constructed Histories, Conflicting Memories, hg. mit Vera Egbers, Özge Sezer und Alexandra Skedzuhn-Safir, Basel: Birkhäuser, in Vorbereitung für 2023
  • Medium unter Medien. Architektur und die Produktion moderner Raumverhältnisse, hg. mit Moritz Gleich, Basel: Birkhäuser 2023
  • Ströme und Zonen. Eine Genealogie der „funktionalen Stadt“, Basel: Birkhäuser 2020
  • „Medien/Architekturen“, Schwerpunktthema ZfM – Zeitschrift für Medienwissenschaft 12, 2015, Gastredaktion mit Roland Meyer und Julia Weber
  • Architekturwissen. Grundlagentexte aus den Kulturwissenschaften. Bd. 2: Zur Logistik des sozialen Raumes, hg. mit Susanne Hauser und Roland Meyer, Bielefeld: transcript 2013
  • Architekturwissen. Grundlagentexte aus den Kulturwissenschaften. Bd. 1: Zur Ästhetik des sozialen Raumes, hg. mit Susanne Hauser und Roland Meyer, Bielefeld: transcript 2011
  • „Gouvernementalität“, Schwerpunktthema dérive – Zeitschrift für Stadtforschung 31, 2008
  • Ästhetik der Agglomeration, mit Susanne Hauser, Wuppertal: Müller+Busmann 2006

Aufsätze und Essays (Auswahl)

  • „Architektur als Medium unter Medien: eine Einleitung“, mit Moritz Gleich, in: Moritz Gleich, Christa Kamleithner (Hg.), Medium unter Medien. Architektur und die Produktion moderner Raumverhältnisse, Basel: Birkhäuser 2023, 7-22
  • „Architektur als Medium der Vernetzung. Zur Geschichte des ‚Nutzers‘“. in: ebd., 253-277
  • „In Search of Order: Hilberseimer‘s Visual Patterns”, in: Florian Strob (Hg.), Architect of Letters. Reading Hilberseimer, Basel: Birkhäuser 2022, 162-177
  • „Dangerous Congestions: Cholera, Mapping and the Beginnings of Modern Urbanism”, in: gta papers 5: “Social Distance”, 2021, 38–49
  • „Dessau, das Bauhaus und die Ästhetik der Rationalisierung“, in: 100+. Neue Perspektiven auf die Bauhaus-Rezeption, hg. vom Bauhaus-Institut für Geschichte und Theorie der Architektur und Planung, Berlin: Jovis 2021, 114–127
  • „Aneignung versus Planung. ‚Strategien für Kreuzberg‘ und der Streit um die Neuausrichtung der ARCH+, 1975–77“, https://dokumentederarchitektur.de (Juli 2021)
  • „Architekturtheorie um 1967: eine Umwelttheorie“, in: Juan Almarza Anwandter u.a. (Hg.), Architekturwissenschaft – Vom Suffix zur Agenda, Berlin: Universitätsverlag der TU Berlin 2021, 190–208
  • „Krankheit, Armut, Dichte. Die Kartierung der Cholera und der moderne Städtebau“, in: dérive – Zeitschrift für Stadtforschung 81, 2020, 53-58
  • „Concrete Abstractions. Berlin’s Statistical Bureau and the Concept of Zoning (1862-1910)”, in: Anne Kockelkorn, Nina Zschocke (Hg.), Productive Universals – Specific Situations. Analysis and Intervention in Art, Architecture and Urbanism, Berlin: Sternberg Press 2019, 94-123
  • „Kategorisierung und Zonierung. Der Entwurf der modernen Stadt im Statistischen Bureau (1860-1910)“, in: Stefan Haas, Michael C. Schneider, Nicolas Bilo (Hg.), Die Zählung der Welt. Kulturgeschichte der Statistik vom 18. bis 20. Jahrhundert, Stuttgart: Steiner 2019, 51-71
  • „‚Überleben im Stadtteil‘. Berliner Projektekultur und linke Planungstheorie zwischen 1968 und 1978“, in: Anina Falasca, Annette Maechtel, Heimo Lattner (Hg.), Wiedersehen in TUNIX! Ein Handbuch der Berliner Projektekultur. Berliner Hefte zu Geschichte und Gegenwart der Stadt 7, 2018, 109-116
  • „Konsum und Kritik. Die österreichische Architekturavantgarde, 1968 und die ‚Explorierung der Empfindung‘“, in: Johannes Porsch, Hedwig Saxenhuber, Georg Schöllhammer (Hg.), Wer war 1968? Kunst, Architektur, Gesellschaft. Ausstellungskatalog Lentos Kunstmuseum, Nordico Stadtmuseum, Landesgalerie Linz, Salzburg: Pustet 2018, 441-446
  • „Öffnen, Schließen, Filtern und Kanalisieren. Zum sozialen Gebrauch der Sinne“, in: Annette Haug, Patric-Alexander Kreuz (Hg.), Stadterfahrung als Sinneserfahrung in der römischen Kaiserzeit, Turnhout: Brepols 2016, 53-72
  • „Theorie der Praxis, oder: Von Nutzern und Lesern“, in: ARCH+ 221, 2015, 129-132
  • „Theorie des sozialen Raumes, oder: Die Konstruktion von Situationen“, in: ebd., 135-139
  • „Mit dem Markt planen. Zu den epistemischen Voraussetzungen moderner Stadtplanung“, in: Matthias Koch, Christian Köhler, Julius Othmer, Andreas Weich (Hg.), Planlos! Zu den Grenzen von Planbarkeit, München: Fink 2015, 35-49
  • „Was Architektur macht/What Architecture Does“, in: ARCH+ 217, 2014, 156-169
  • „Narrative Ökonomien. Kommentar zu Alexa Färbers ‚Potenziale freisetzen: Akteur-Netzwerk-Theorie und Assemblageforschung in der interdisziplinären Stadtforschung‘“, in: sub\urban. Zeitschrift für kritische Stadtforschung 2/1, 2014, 116-119, zeitschrift-suburban.de
  • „Neue Mischungsverhältnisse. Zum Gebrauch von Infrastrukturen“, in: Nathalie Bredella, Chris Dähne (Hg.), Infrastrukturen des Urbanen. Soundscapes, Landscapes, Netscapes, Bielefeld: transcript 2013, 253-274
  • „Ökonomie temporärer Nutzungen“, mit Rudolf Kohoutek, in: Philipp Oswalt, Klaus Overmeyer, Philipp Misselwitz (Hg.), Urban Catalyst. Mit Zwischennutzungen Stadt entwickeln, Berlin: DOM publishers 2013, 87-93
  • “The Economy of Temporary Use”, mit Rudolf Kohoutek, in: Philipp Oswalt, Klaus Overmeyer, Philipp Misselwitz (Hg.), Urban Catalyst. The Power of Temporary Use, Berlin: DOM publishers 2013, 87-93
  • „Urban Icons. Architektur und globale Bildzirkulation“, mit Roland Meyer, in: Informationen zur modernen Stadtgeschichte 2, 2011: „Urban Icons“, 17-31
  • „‚Regieren durch Community‘: Neoliberale Formen der Stadtplanung“, in: Matthias Drilling, Olaf Schnur (Hg.), Governance der Quartiersentwicklung. Theoretische und praktische Zugänge zu neuen Steuerungsformen, Wiesbaden: VS 2009, 29-47
  • „‘Life, Liberty, and the Pursuit of Happiness’. Liberalism and the Image of the City in German Planning Theory around 1870”, in: Arnold Bartetzky, Marc Schalenberg (Hg.), Urban Planning and the Pursuit of Happiness. European Variations on a Universal Theme (18th–21th Centuries), Berlin: Jovis 2009, 52-65
  • „(Neue) Gemeinschaften. Muster biopolitischer Raumordnung“, in: Ludger Schwarte (Hg.), Auszug aus dem Lager. Zur Überwindung des modernen Raumparadigmas in der politischen Philosophie, Bielefeld: transcript 2007, 268-284

Veranstaltungen und Vorträge (Auswahl)

  • „Social Mobility Hurts: Berlin’s Märkisches Viertel in Film and Sociology, c. 1970”, Konferenz Urban Modernisation and Representations of the Working Class (1950–1975), Universität Salford, 26. Mai 2023
  • „After 1967: On the Origins of the Conflict between Reference and Contemporaneity in Architecture”, Konferenz Reference and Contemporaneity in Architecture, Goethe-Universität Frankfurt a.M., 12. Mai 2023
  • „Ströme und Zonen. Zur Modellbildung im Städtebau“, Städtebau-Kolloquium, Universität Stuttgart, 2. Mai 2023
  • „Designing (for) the ‘Milieu’: Urban Struggles and Disciplinary Conflicts in 1970s West Berlin”, Sektion Urban Design and the Rediscovery of the History City, EAHN Conference, Madrid, 17. Juni 2022
  • „Visualizing Population Density. Statistical Mapping and the Emergence of a New Urban Imaginary (1830–1910)”, Konferenz Making the Social World Objective, Universität Zürich, 11. November 2021
  • „In Search of Order: Hilberseimer’s Visual Patterns”, Konferenz Hilberseimer: Infrastructures of Modernity, Bauhaus Museum Dessau, 29. Oktober 2021
  • Architectures of Colonialism. Constructed Histories, Conflicting Memories, mit Vera Egbers, Özge Sezer, Alexandra Skedzuhn-Safir, Albrecht Wiesener, internationale Online-Konferenz, DFG-Graduiertenkolleg 1913 „Kulturelle und technische Werte historischer Bauten“, BTU Cottbus-Senftenberg, 16.19. Juni 2021, https://www.architecturesofcolonialism.net/
  • „Netze und Blasen. Eine Architektur- und Wissensgeschichte des ‚Nutzers‘“, Online-Vorlesungsreihe „Werkstatt Architekturgeschichte“, TU Wien, 8. Juni 2021
  • „Architectural Theory around 1970. Opening and Closing the Field”, Sektion „Split Cultures/New Dialogues: Research in Architectural History and Theory”, EAHN Conference, Edinburgh, 2.-5. Juni 2021
  • „Blasen, Kapseln und Netze. Agenturen der Individualisierung um 1967“, Symposium Selbstbehältnisse. Orte und Gegenstände der Aufbewahrung von Individualität, Centre Marc Bloch, 15. November 2019
  • „Henri Lefebvre, der Alltag und die Architekturtheorie der 1970er Jahre“, 6. Kolloquium Architekturwissenschaft Praktiken der Architekturforschung, HCU Hamburg, 7. November 2019
  • „Neue Verkehrsformen. Die kameralistische Ordnung der Stadt um 1770“, Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts Zirkulation und Kontrolle. Dynamiken des 18. Jahrhunderts, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 6. September 2019
  • „Spielraum und Erziehungsprogramm. Zur Soziologie der Fußgängerzone um 1970“, Tagung Urbane Muße. Materialien, Praktiken, Repräsentationen, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 2. Mai 2019
  • „Das Neue Bauen und die Ästhetik der Rationalisierung“, XIV. Internationalen Bauhaus-Kolloquium, Bauhaus-Universität Weimar, 11. April 2019