Zentrum für Kulturwissenschaftliche Forschung | Vortrag

ZKF Public Talk: Are we all compost? Trümmer- und Abfallnarrative um 1850 bei Gottfried Semper und Adalbert Stifter

Wann
Mittwoch, 5. Juli 2023
17:30 bis 19 Uhr

Wo
Bischofsvilla + online

Veranstaltet von
ZKF

Vortragende Person/Vortragende Personen:
Prof. Dr. Hans-Georg von Arburg, Université de Lausanne

Moderation:
Prof. Dr. Anne-Berenike Rothstein

„We all are compost, not posthuman“. Diese Parole der ökofeministischen Wissenschaftshistorikerin Donna Haraway (2016) hat unter dem Eindruck der globalen Umwelt- und Klimakrise auch in der Literaturwissenschaft Furore gemacht. Sie resümiert eine Transgressionsfiktion, die den gefährdeten Planeten durch ein Mischmasch aus menschlichen und nichtmenschlichen Daseinsformen zu retten verspricht (falls es noch etwas zu retten gibt). Eine ähnliche Denkfigur mit einem vergleichbaren Fiktionspotenzial hat die erste Globalisierung in der Mitte des 19. Jahrhunderts bei zwei Autoren provoziert, die sonst nichts miteinander zu tun hatten: Der deutsche Architekt Gottfried Semper entwirft in seiner Schrift „Vier Elemente der Baukunst“ (1851) eine historische Theorie der menschlichen (Bau-)Kunst und Kultur als Trümmernarrativ, in dem spätere Hochkulturen aus den zersetzten Resten früherer, (nur) scheinbar minderwertiger Kulturen hervorgehen. Und der realistische Schriftsteller Adalbert Stifter erfindet in seiner Novelle „Abdias“ (1847) fast gleichzeitig die Geschichte eines jüdischen Emigranten aus Nordafrika in den österreichischen Alpen, auf dessen Grab und sterblichen Überresten die Nachkommen seines europäischen Handelsfreundes florieren. Die kritische Gegenlektüre beider Trümmer- und Abfallnarrative möchte dazu einladen, auch aktuelle Theorien der kulturellen Aneignung und des ökokritischen ,Composting‘ (D. Harraway) zu überdenken.

Zoom-Link
Meeting-ID: 915 3170 7702

Kontakt: zkf@uni-konstanz.de