Rethinking Infrastructure
Obwohl Infrastrukturen eine grundlegende Dimension menschlichen Zusammenlebens darstellen, werden sie weithin als gegeben betrachtet. Gewissermaßen macht erst diese Selbstverständlichkeit sie zu Infrastrukturen: Wenn sie funktionieren, müssen sie nicht mehr mitreflektiert werden und sinken auf eine tiefere Ebene des menschlichen Bewusstseins und der sozialen Organisation. Die großen Krisen der jüngeren Zeit zeigen jedoch, dass Infrastrukturen nicht nur mitgedacht, sondern neu gedacht werden müssen.
Straßen und Brücken, die von Hochwassern fortgetragen werden; Gesundheits- und Versorgungssysteme, die wegen eines Virus zusammenbrechen; soziale Ordnungen, die sich durch Kriegsoffensiven innerhalb weniger Wochen von Grund auf ändern: all das sind Infrastrukturkrisen. Um ihnen beizukommen, wird es nicht genügen, bestehende Infrastrukturen technisch zu verbessern. Vielmehr muss grundlegend hinterfragt werden, was wir unter Infrastrukturen verstehen, welche Rolle wir ihnen zuschreiben und wie wir sie flexibler gestalten können.
Um diesen Fragen nachzugehen, ist ein breiter kulturwissenschaftlicher Ansatz nötig. Im Rahmen des ZKF-Schwerpunktthemas werden daher Forschende aus zahlreichen Disziplinen zusammenarbeiten, um Infrastruktur aus historischen, literarischen, medialen, sozialen, kulturvergleichenden und anderen Perspektiven neu zu denken. Im Fokus dieser Überlegungen werden einerseits die kulturellen Dimensionen materiell-technischer Infrastrukturen stehen, andererseits das Zusammenspiel materieller und immaterieller Infrastrukturen in Bereichen wie Digitalität, Kunst, normativen Ordnungen und sozialen Systemen.