Zehn Gene weisen den Weg
Presseinformation Nr. 10 vom 27. Januar 2014
Konstanzer Wissenschaftler haben mit der Sulfo-Glykolyse einen wichtigen Stoffwechselweg aufgeklärt
Ähnlich wie bei dem Zucker Glukose wird auch sein schwefelhaltiges Pendant Sulfo-Glukose von sämtlichen photosynthetisch aktiven Organismen hergestellt. Die Sulfo-Glukose-Produktion in der Natur wird auf zehn Milliarden Tonnen pro Jahr geschätzt. Forscher aus dem Fachbereichs Biologie der Universität Konstanz um die Mikrobiologen Dr. David Schleheck und Prof. Dr. Alasdair Cook haben nun mit Unterstützung von Teammitarbeitern und Kollegen aus dem Fachbereich Chemie herausgefunden, wie der schwefelhaltige Zucker wieder abgebaut wird. Einen Abbauweg konnten die Wissenschaftler in dem am besten untersuchten bakteriellen Modellorganismus, dem Bakterium Escherichia coli, identifizieren, die Sulfo-Glykolyse, kodiert von zehn Genen, deren Funktion bislang völlig unbekannt war. Die Ergebnisse sind seit Montag, 27. Januar 2014, in der Online-Ausgabe von „Nature“ nachzulesen.
Sulfo-Glukose kommt in allen Pflanzen, Moosen, Farnen und Algen vor. Der Abbau- oder Stoffwechselweg für Sulfo-Glukose, die Sulfo-Glykolyse, ist somit ein wichtiger Bestandteil der Stoffkreisläufe in Ökosystemen.
Da Sulfo-Glukose nicht kommerziell erhältlich ist, wurde diese spezielle Form von Zucker am benachbarten Konstanzer Fachbereich Chemie von Dr. Thomas Huhn eigens in ausreichender Menge synthetisiert. Die chemische Analytik für den Beweis von Zwischenprodukten wurde anhand moderner Massenspektrometrie von Doktorand Alexander Schneider und den Chemikern Prof. Dr. Christoph Mayer, inzwischen Universität Tübingen, sowie von Prof. Dr. Dieter Spiteller erbracht. „Die hervorragende Zusammenarbeit zwischen Biologen und Chemikern war ein wichtiger Aspekt unserer Arbeit. Sie spricht auch für den Erfolg des Forschungsverbundes zwischen Biologie und Chemie im Rahmen der Graduiertenschule Chemische Biologie an der Universität Konstanz“, so David Schleheck.
Anhand ihrer mikrobiologischen, molekularen und biochemischen Arbeiten konnten die Biologin Karin Denger sowie die Doktoranden Michael Weiss und Ann-Katrin Felux zeigen, dass Escherichia coli für die Sulfo-Glykolyse nicht seine bereits gut bekannten Enzyme für die „normale“ Glykolyse verwendet, sondern dass eine Folge von zehn Genen, deren Funktion bisher noch völlig unbekannt war, für den Abbau der Sulfo-Glukose verantwortlich ist. Damit konnten sie eine weitere Wissenslücke im bestuntersuchten Modellorganismus Escherichia coli schließen. Zudem entdeckten sie neue Enzyme, die an der Sulfo-Glykolyse beteiligt sind.
Es stellte sich auch heraus, dass Escherichia coli Sulfo-Glukose nicht vollständig verwerten kann und ein schwefelhaltiges Zwischenprodukt ausscheidet, das anderen in der Umwelt verbreiteten Bakterien als Nahrungsquelle dient. „Auf diese Weise konnten wir zeigen, dass Sulfo-Glukose in der Natur durch die Zusammenarbeit verschiedener Bakterien vollständig abgebaut wird“, erklärt Karin Denger.
Die Ergebnisse der Mikrobiologen haben neben der Botanik auch Bezug zur Humanbiologie und Zoologie, da Escherichia coli ein wichtiger und nützlicher Bewohner des menschlichen und tierischen Darms ist und dort durch die pflanzliche Nahrung auch mit Sulfo-Glukose als bisher noch nicht beachtete Nährstoffquelle versorgt wird. Der Abbauweg kommt aber auch in krankheitserregenden Bakterien vor, beispielsweise in Salmonellen.
Das Projekt wurde durch den Young Scholar Fund zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, der von der Universität Konstanz im Rahmen der Exzellenzinitiative eingerichtet wurde, durch die Graduiertenschule Chemische Biologie sowie durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt.
Originalveröffentlichung:
Karin Denger, Michael Weiss, Ann-Katrin Felux, Alexander Schneider, Christoph Mayer, Dieter Spiteller, Thomas Huhn, Alasdair M. Cook & David Schleheck: Sulphoglycolysis in Escherichia coli K-12 closes a gap in the biogeochemical sulphur cycle, Nature Advance Online Publication (AOP), www.nature.com/nature/journal/vaop/ncurrent/full/nature12947.html
DOI: 10.1038/nature12947