Nach deutschem Modell zum EU-Verwaltungsverbund

Presseinformation Nr. 161 vom 16. November 2012

Alexander von Humboldt-Forschungsaufenthalt der italienischen Verwaltungsrechtlerin Prof. Dr. Diana-Urania Galetta an der Universität Konstanz und an der Universität zu Köln

Das deutsche System des Verwaltungsverbunds im Sinne eines Vollzugsföderalismus könne ein wirkungsvolles Modell sein, um die Interaktion zwischen den verflochtenen Verwaltungsebenen der Europäischen Union (EU) und ihrer Mitgliedstaaten zu optimieren. Zu diesem Ergebnis kommt die italienische Professorin für Verwaltungsrecht Prof. Dr. Diana-Urania Galetta (Universität Mailand). Im Rahmen eines durch die Alexander von Humboldt-Stiftung finanzierten Forschungsaufenthalts untersuchte sie an der Universität Konstanz und an der Universität zu Köln die Wechselbeziehungen zwischen einerseits der Europäischen Verwaltung und andererseits den unterschiedlichen nationalen Verwaltungsrechtssystemen der EU-Mitgliedstaaten.

„Mein vorrangiges Ziel ist herauszufinden, inwieweit die Europäische Verwaltung, die von den wechselseitigen Verflechtungen verschiedener Akteure stark geprägt ist, sich nicht nur als bloße Mehrebenenverwaltung verstehen kann, sondern eher als ‚Verwaltungsverbund‘ im Sinne des deutschen Modells“, erklärt Diana-Urania Galetta. Das Prinzip der Koordination statt Hierarchie zwischen Bund und Ländern sei im deutschen Verwaltungsrecht modellgebend ausgearbeitet und könne verstehen helfen, wie Konflikte zwischen den Ebenen eines multilateralen Verwaltungssystems reduziert werden können. „Dabei geht es auch darum, den schon bestehenden Europäischen Verfassungsverbund durch einen ‚Verwaltungsverbund‘ zu ergänzen“, führt Galetta aus.

Diana-Urania Galetta untersucht organisatorische Verflechtungen im Rahmen des Vollzuges von EU-Recht, insbesondere unter dem Aspekt der „Mischverwaltungen“, also der Verflechtung unterschiedlicher Verwaltungssysteme und -ebenen. „Das  EU-Recht setzt sich durch Vorrang und unmittelbare Anwendbarkeit strikt gegenüber dem nationalen Recht durch. Ähnlich wie bei föderalen Ordnungen führt  dies aber nicht zu einer Hierarchisierung der nationalen Verwaltungen und Organe: Das Ordnungsprinzip ist nicht die Hierarchie, sondern die Koordination“, veranschaulicht Galetta.

Das deutsche verwaltungsrechtliche Verhältnis zwischen Bund und Ländern erscheint Galetta als richtungsweisendes Modell für die Europäische Union: „Ich glaube, dass das deutsche Modell eine gute Grundlage bietet, um Probleme des Verwaltungsrechts auf europäischer Ebene besser lösen zu können“, führt die italienische Verwaltungsrechtlerin aus. Im deutschen Verwaltungsrecht seien Fragestellungen und Lösungsansätze einer föderalistischen Organisationsstruktur modellgebend ausgearbeitet, deutlich ausgeprägter als in anderen EU-Mitgliedstaaten. Im Rahmen ihres dreimonatigen Forschungsaufenthalts an der Universität Konstanz und der Universität zu Köln analysierte Diana-Urania Galetta die Parallelen und Annäherungen zwischen den Verwaltungsrechtssystemen von drei EU-Mitgliedstaaten. Sie arbeitete Strukturen des deutschen Vollzugsföderalismus – also der hohen Autonomie von Mitgliedstaaten gegenüber dem Staatenverbund – als Grundlage für Verbesserungsansätze der Europäischen Verwaltung heraus.

Die Alexander von Humboldt-Forschungsaufenthalte sind ein Förderprogramm der Alexander von Humboldt-Stiftung für Forschungspreisträgerinnen und -preisträger aus dem Ausland. Die Stiftung lädt ausgezeichnete Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die bereits in Deutschland gastierten, aufgrund ihrer herausragenden wissenschaftlichen Arbeiten zu einem erneuten Forschungsaufenthalt von bis zu drei Monaten nach Deutschland ein. Der erneute Gastaufenthalt wird zur Fortsetzung und zum Abschluss von Forschungen, die während des ersten Aufenthalts in Deutschland begonnen wurden, oder aber zur Initiierung neuer gemeinsamer Forschungsprojekte mit Fachkolleginnen und Fachkollegen in Deutschland genutzt. Die Stiftung ermöglicht auf diese Weise renommierten Forscherinnen und Forschern aller Fachbereiche, langfristige und zukunftsweisende Forschungsprojekte in Zusammenarbeit mit deutschen Universitäten und Forschungsinstituten umzusetzen, und trägt damit nachhaltig zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Forschungsstandortes Deutschland bei.

Ihr Alexander von Humboldt-Forschungsaufenthalt ermöglichte Diana-Urania Galetta eine Zusammenarbeit mit Experten für das deutsche Verwaltungsrecht an der Universität Konstanz und an der Universität zu Köln. „Die Universität Konstanz ist ein Forschungsstandort, an dem sich hervorragende Arbeitsverhältnisse mit sehr guten Lebensverhältnissen kombinieren lassen“, lobt Galetta die Konstanzer Arbeitsatmosphäre: „Ich bedanke mich für die sehr offene und hilfsbereite Zusammenarbeit, insbesondere mit Prof. Dr. Martin Ibler, der sich mit großem persönlichen Engagement für die Kooperation eingesetzt hat“, spricht Diana-Urania Galetta ihren Dank aus. Die Forschungszusammenarbeit wird in eine nachhaltige Kooperation zwischen der Universität Konstanz und der Mailänder Professorin ausgebaut werden; ab Sommer 2013 wird die renommierte Verwaltungsrechtlerin zudem reguläre Vorlesungen zum italienischen Recht in Konstanz halten.