Menschliche Gehirnzellen aus dem Reagenzglas
Presseinformation Nr. 92 vom 12. August 2011
Doktorand der Universität Konstanz generiert Astrozyten aus embryonalen Stammzellen
Philipp Kügler hat im Rahmen seiner Dissertation an der Universität Konstanz aus embryonalen Stammzellen erfolgreich Astrozyten entwickeln können. Der Doktorand der Graduiertenschule Chemische Biologie konnte nun zeigen, dass die von ihm aus embryonalen Stammzellen entwickelten Astrozyten die gleichen Funktionen übernehmen können, wie Astrozyten im Gehirn. Damit hat der Konstanzer Nachwuchswissenschaftler eine Grundlage für die Entwicklung von zell-basierten Test- und Analyseverfahren geschaffen, die den Einfluss toxischer Substanzen auf das Gehirn untersuchen. „Wenn wir zelluläre Systeme für die Untersuchung von Neurotoxizität nutzen, vermeiden wir nicht nur Tierversuche, sondern können gleichzeitig sehr viel exaktere und effizientere Untersuchungsergebnisse gewinnen, als über die bisher üblichen Verfahren“, erläutert Kügler die Bedeutung seiner Forschungsergebnisse.
Der Doerenkamp-Zbinden-Lehrstuhl von Prof. Dr. Marcel Leist, dem Betreuer der Dissertation von Philipp Kügler, hat auf die Untersuchung des Einflusses von toxischen Substanzen auf den Embryo im Mutterleib einen Schwerpunkt gesetzt. Dabei soll untersucht werden, wie sich Chemikalien auf die Entwicklung des menschlichen Gehirns auswirken. Diese Chemikalien, wie beispielsweise Blei im Trinkwasser oder toxische Stoffe in der Farbe von Spielzeugen, werden in der Umwelt angereichert und zeigen bereits in sehr geringen Konzentrationen eine schädliche Wirkung. Durch eine solche neurotoxische Wirkung der Substanzen werden bei Kindern und Jugendlichen Wahrnehmungs- und Lernstörungen erklärt. Das Team um Professor Leist, der auch Leiter des in Konstanz angesiedelten europäischen Zentrums für Alternativen zu Tierversuchen (CAAT-EU) ist, forscht intensiv an der Entwicklung von alternativen Testmethoden für Tierversuche, die schneller und kostengünstiger sind und verlässlichere Daten liefern.
Die von Philipp Kügler generierten Astrozyten zählen zu den sogenannten „Gliazellen“ des Gehirns. „Glia“ steht im Griechischen für Leim. Die Zellen wurden lange Zeit für eine reine Klebemasse ohne besondere Eigenschaften gehalten. Tatsächlich hat sich aber gezeigt, dass die Untersuchung der Astrozyten einen wichtigen Teilaspekt bei der Wirkung von Giften auf das Gehirn darstellt. Bis zum Abschluss seiner Dissertation im Herbst diesen Jahres unter dem Titel „Development of embryonic stem cell derived neural cell culture systems for toxicity and drug testing“ wird sich der Konstanzer Nachwuchswissenschaftler anhand von Laboruntersuchungen und erweiterten Testverfahren mit den verschiedenen Eigenschaften und Reaktionen der Astrozyten auf toxische Einflüsse auseinandersetzen.
Philipp Kügler forscht seit 2008 in der Graduiertenschule Chemische Biologie der Universität Konstanz, die seit 2007 im Zuge der erfolgreichen Teilnahme der Universität an der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder gefördert wird. Er hat sein Studium „Life Science“, das aus einer kombinierten Ausbildung in den Fächern Chemie und Biologie Kompetenzen im Feld der biomolekularen Forschungsfelder vermittelt, an der Universität Konstanz absolviert. Außerdem hat er an der University of Canterbury in Neuseeland einen Forschungsaufenthalt mit dem „Postgraduate Diploma of Science“ abgeschlossen. Kügler hatte ursprünglich nicht geplant, seine Doktorarbeit ebenfalls an der Universität Konstanz durchzuführen: „Aber spätestens als die Graduiertenschule gegründet wurde, war klar: überall anders wären die Bedingungen nicht so optimal gewesen, wie hier“, betont der junge Wissenschaftler. Neben den angebotenen Kursen und dem jährlich von den Doktoranden selbst organisierten „Retreat“ war es vor allem die interdisziplinäre Kollaboration, die den Konstanzer Forscher überzeugte. Durch den gemeinschaftlichen Forschungsverbund war es Kügler möglich, die im biologischen Bereich angelegte Arbeit mit Messverfahren und Analysen aus dem Fachbereich Chemie zu ergänzen und gemeinsame Publikationen zu veröffentlichen.