Jura lernen!

Presseinformation Nr. 174 vom 6. Dezember 2012

Fellowship für Konstanzer Lehrkonzept zur Stärkung der Selbstlernkompetenz in den Rechtswissenschaften

Dr. Frank Bleckmann ist Richter am Landgericht Offenburg und seit Wintersemester 2010 Abgeordneter Praktiker am Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Konstanz. Unter dem Titel „Jura lernen! Selbstlernkompetenzen in den Rechtswissenschaften entwickeln“ wurde ihm nun eines von 15 Fellowships für Innovation in der Hochschullehre zugesprochen, beworben haben sich 210 Hochschullehrer. Neben der Baden-Württemberg Stiftung sind noch die Joachim Herz Stiftung und der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft an der bundesweiten Ausschreibung beteiligt. Der Jurist wird in den kommenden 16 Monaten von der Baden-Württemberg Stiftung mit 41.000 Euro für die Entwicklung eines Konzepts gefördert, das die Selbstlernkompetenzen der Studierenden des Eingangssemesters im Studiengang Jura stärken soll.

Ohne Vorkenntnisse aus einem Schulfach und bei deutlich anderen Lernanforderungen im Vergleich zur Schule müssen Jura-Studierende umfangreiche Fachinhalte und Falllösungsfertigkeiten erarbeiten, um am Ende des ersten Semesters die anstehenden zahlreichen Semesterabschlussklausuren bewältigen zu können. Das ist für viele Studierende eine Überforderungssituation, die schlechte Klausurergebnissen, eine hohe Durchfall- und Studienabbruchquote sowie eine nachhaltige Verunsicherung zur Folge hat. Im Rahmen des Projekts sollen die Bewältigungschancen für diese Studiensituation deutlich verbessert werden.

Der Jurist, der in den 1990er Jahren an der Universität Konstanz neben Rechtswissenschaft auch Soziologie und Philosophie studiert hat, kann dabei auf ein in den Grundzügen bereits von ihm erarbeitetes Konzept zurückgreifen. Aus einer insgesamt vierstündigen Blockveranstaltung für Rechtsreferendare entwickelte er eine Veranstaltung im Umfang von zwei Semesterwochenstunden, die den neu eingeschriebenen Jura-Studierenden fachspezifisch angebundene Lernstrategien vorstellt, einen Ort zur Reflexion des eigenen Lernprozesses bietet und Gelegenheit gibt, Lernerfahrungen auszutauschen. Diese freiwillige, an vier verschiedenen Terminen angebotene Veranstaltung wurde zuletzt von 130 Studierenden des ersten Semesters besucht. Für die Bewerbung um das Fellowship der drei Stiftungen hat der abgeordnete Richter eine Konzeption zur grundlegenden, hochschuldidaktisch angeleiteten Überarbeitung seiner Veranstaltung vorgelegt. Eine Förderung durch das an der Universität Konstanz im Rahmen der Exzellenzinitiative eingerichtete Programm  „Freiräume für die Lehre“  unterstützt erste Schritte dieses Vorhabens bereits im aktuellen Wintersemester. Methodischer Schwerpunkt soll der „cognitive apprenticeship“-Ansatz sein, der sich an der Handwerkerausbildung orientiert, in der Problemlösungsstrategien vorgeführt und vom Lernenden nachvollzogen werden.

Neben der Behandlung von Fragen der Wissensorganisation, der Zeitplanung und des effektiven Einsatzes von Lernressourcen legt Bleckmann großen Wert auf die Stärkung der Motivation seiner Studierenden. Dazu stellt er auch Lebensläufe von Juristen vor, die dabei helfen sollen, das oft nicht sehr positive Selbstbild der Jura-Studierenden zurechtzurücken. Neben der Vorbildfunktion von „Helden“ ist ihm jedoch genauso wichtig, dass die Studierenden den Mut entwickeln, den eigenen Weg zu gehen. „Dazu muss ich nicht zu den 20 Prozent mit einem Prädikatsexamen in der Staatsprüfung gehören“, sagt der Jurist. Auch will er die Notwendigkeit vermitteln, Schwerpunkte zu setzen und den eigenen Neigungen zu folgen. „Nicht jeder Rechtsbereich muss gleichrangig mit vollem Einsatz studiert werden“, so Frank Bleckmann.

In Baden-Württemberg ist dies das erste Projekt zur Förderung des selbstgesteuerten, verständnisorientierten Lernens im Fach Jura. Eine umfassende Dokumentation soll eine Übertragung ermöglichen, so dass auch über Konstanz hinaus Studierende von den hier gesammelten Erfahrungen profitieren können.