Irrtum als Antrieb?
Presseinformation Nr. 2 vom 13. Januar 2011
Vortragsabend an der Universität Konstanz zur Bedeutung des Irrtums in der Wissenschaftsgeschichte
„In jeder Wissenschaft geht der Irrtum der Wahrheit voraus, aber es ist besser, er geht voran als hinterher.“ Der Ausspruch des britischen Staatsmanns Horace Walpole könnte als Motto für den Vortragsabend „Irrtum als Antrieb? Eine etwas andere Geschichte der Wissenschaft“ dienen. Prof. Dr. Ulrich Wengenroth von der TU München und Prof. Dr. Bernhard Kleeberg von der Universität Konstanz nähern sich dem Thema aus unterschiedlichen Perspektiven: der Technikgeschichte einerseits und der Geschichte der Wissenschaftsphilosophie andererseits. Zu der Veranstaltung am Mittwoch, 19. Januar 2011, um 18 Uhr in Hörsaal R 513 ist die Öffentlichkeit eingeladen.
Der moderne Fortschrittsglaube sähe die Geschichte der Wissenschaft gern als einzige „success story“, als nahtlose Folge von genialen Erkenntnissen genialer Forscher. Dabei wird schnell übersehen, dass Durchbrüche zu Neuem das Neue typischerweise vorher nicht kannten oder gar falsch sahen. Fundamentale Irrtümer erwiesen sich oft als entscheidender Antrieb zur Umsetzung ganz unverhoffter Innovationen. Ulrich Wengenroth, Ordinarius für Geschichte der Technik an der TU München, erklärt: „Das wirklich Neue ist keine Extrapolation vorhandenen Wissens und vorhandener Technik in die Zukunft. Es ist eine Überraschung, die nur erlebt, wer vorher irrt.“
Beispielsweise gingen in der Physik ab dem ausgehenden 17. Jahrhundert auch namhafte Forscher von der Existenz des Äthers aus, als Medium für die Ausbreitung des Lichts. Diese Annahme beziehungsweise die wissenschaftliche Diskussion darüber löste sehr produktive Forschungsarbeiten auf den Gebieten der Optik und Elektrodynamik aus. Spätestens seit der Relativitätstheorie Einsteins gilt der Äther als widerlegt.
„Dass Irrtümer in den Wissenschaften anhand empirisch falscher Erklärungen von Tatsachen leicht zu identifizieren sind, ist selbst ein Irrtum“, bemerkt Bernhard Kleeberg, Juniorprofessor für die Geschichte der Geistes- und Sozialwissenschaften an der Universität Konstanz. Ein Blick auf Forschungspraktiken der Natur- und Geisteswissenschaften zeige, dass das Verhältnis zwischen Wahrheit und Irrtum komplizierter ist, wie der Forscher anhand wissenschaftsphilosophischer Positionen des 20. Jahrhunderts erläutern wird.
Ein Kommentar von Prof. Dr. David Gugerli, Professor für Technikgeschichte an der ETH Zürich, sowie eine offene Diskussion zum Thema runden den Abend ab. Die Veranstaltung, die der Exzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“ und das Zukunftskolleg der Universität Konstanz gemeinsam organisieren, moderiert Prof. Dr. Clemens Wischermann, Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Konstanz.