Ehrensenatorenwürde entzogen

Presseinformation Nr. 78 vom 23. Mai 2012

Einstimmiger Senatsbeschluss der Universität Konstanz zur Ehrensenatorenwürde von Dr. Bruno Helmle

In der Sitzung am Mittwoch, 23. Mai 2012, hat der Senat der Universität Konstanz einstimmig beschlossen, Herrn Dr. Bruno Helmle die Ehrensenatorenwürde der Universität zu entziehen, die ihm am 11. Juni 1976 verliehen wurde. Maßgeblich für diese Entscheidung sind die von den Gutachtern Prof. Dr. Lothar Burchardt, Priv.-Doz. Dr. Jürgen Klöckler und Prof. Dr. Wolfgang Seibel im Auftrag der Stadt Konstanz erhobenen und im "Gutachten zur Tätigkeit von Dr. Bruno Helmle (1911-1996) während der Zeit des Nationalsozialismus und den ersten Nachkriegsjahren" vom Januar 2012 festgehaltenen Tatsachen in Bezug auf sein Verhalten während des 3. Reiches und seine späteren Versuche, die Öffentlichkeit hierüber zu täuschen.

Herr Dr. Bruno Helmle war seit 1933 Mitglied der so genannten Motor-SA, die später im Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps (NSKK) aufging, und seit 1934 Mitglied im Nationalsozialistischen Bund Deutscher Juristen, dem späteren NS-Rechtswahrerbund. Seit dem 1. Mai 1937 war er Mitglied der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), aus deren Mitgliederverzeichnis er 1940 wegen ausbleibender Beitragszahlungen gestrichen wurde. Seit Dezember 1939 war Helmle als höherer Finanzbeamter am Finanzamt Mannheim Stadt mit der Zuständigkeit für „Strafsachen, Steuerfahndungsdienst, Reichsfluchtsteuer, Volksverrat“, Mitglied einer Expertenkommission der Mannheimer „Verwertungsstelle für volksfeindliches Vermögen“ und leitender Mitarbeiter des Sachgebiets „Verwaltung des jüdischen und reichsfeindlichen Vermögens“ an der fiskalischen und wirtschaftlichen Verfolgung der Juden unmittelbar beteiligt. Er hat selbst als „Fliegergeschädigter“ ab Herbst 1943 in großem Umfang Hausrat und Gebrauchsgegenstände aus beschlagnahmtem jüdischem Besitz erworben und wurde so zum persönlichen Nutznießer der von ihm als zuständigem Finanzbeamten vollzogenen Entrechtung und Enteignung der jüdischen Bevölkerung im Umfeld von Auswanderung und Deportation. Während seiner kurzen Tätigkeit als Stellvertretender Vorsteher des Finanzamts Konstanz ab Dezember 1944 bis zur Besetzung der Stadt durch französische Truppen am 26. April 1945 war Helmle auch dort Leiter des Sachgebiets „Verwaltung des jüdischen und reichsfeindlichen Vermögens“.

Seine Mitgliedschaft in der NSDAP und den ihr angeschlossenen Gliederungen wie Motor-SA/NSKK und NS-Rechtswahrerbund und insbesondere die Art seiner Tätigkeit im Finanzamt Mannheim-Stadt hat Helmle sowohl in der unmittelbaren Nachkriegszeit als auch in späteren Darstellungen gar nicht oder nur in verzerrter Form angesprochen. Die Gutachter sprechen von bewusster Irreführung in entscheidenden Punkten. So hat Helmle seine Tätigkeit in Zusammenhang mit der „Verwaltung und Verwertung jüdischen und reichsfeindlichen Vermögens“ in den Finanzämtern Mannheim und Konstanz vertuscht. Von dem nach 1945 durch die französische Militärverwaltung gegen ihn angestrengten Amtsenthebungsverfahren hat er nach den Feststellungen der Gutachter in seiner 1990 erschienenen Autobiographie „Erinnerungen und Gedanken eines Oberbürgermeisters“ eine Darstellung gegeben, die auf regelrechten Tatsachenverdrehungen beruht und verschleiert, dass es dabei um unwahre Angaben über den Umfang seiner Tätigkeit in der NSDAP und ihren Nebenorganisationen ging.

Damit sind Umstände bekannt geworden, bei deren früherer Kenntnis die Ehrung von Dr. Bruno Helmle als Ehrensenator der Universität von vornherein unterblieben wäre, und, wie im Fall der irreführenden und tatsachenverdrehenden Angaben in Helmles „Erinnerungen“, Umstände, durch deren nachträgliches Eintreten sich Dr. Helmle der Ehrung als nicht würdig erwiesen hat. Dies erfüllt die Voraussetzungen für den Entzug der Ehrensenatorenwürde nach § 6 der Satzung über die Verleihung von Ehrentiteln und Ehrenmedaillen an der Universität Konstanz. Der ehemalige Konstanzer Oberbürgermeister wird nicht aus der Liste der Ehrensenatorinnen und Ehrensenatoren gestrichen, sondern in allen Akten und Veröffentlichungen, die ihn erwähnen, wird der Vermerk hinzugefügt, dass ihm mit Beschluss vom 23. Mai 2012 die Ehrensenatorenwürde entzogen wurde.

„Die Verleihung der Ehrensenatorenwürde der Universität Konstanz ist eine hohe Auszeichnung, der Bruno Helmle aufgrund der heute bekannten und durch unsere Wissenschaftler bewiesenen Erkenntnisse über seine Vergangenheit sowie der damit verbundenen fehlenden Glaubwürdigkeit und des Vertrauensbruchs nicht gerecht wird,“ kommentierte der Rektor der Universität, Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Rüdiger, den Senatsbeschluss.

 

Hinweis an die Redaktionen:
Das gesamte „Gutachten zur Tätigkeit von Dr. Bruno Helmle (1911-1996) während der Zeit des Nationalsozialismus und in den ersten Nachkriegsjahren“ von Prof. Dr. Lothar Burchardt, Priv.-Doz. Dr. Jürgen Klöckler und Prof. Dr. Wolfgang Seibel von der Universität Konstanz:

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