Gespräche

Clara Kapherr

Telefonat mit Markus Burmeister über die alte Tettnanger Rathausuhr am Freitag, 12. Juni 2020:

Am Freitag, den 12. Juni 2020 um 10 Uhr morgens führte ich mit dem Turmuhren- Spezialisten Markus Burmeister ein dreiviertel-Stunden-Telefonat über die alte Tettnanger Rathausuhr, welche sich seit 2003 im Stadtmuseum Tettnang befindet. Dorthin gekommen ist sie über einen Anbieter, welcher im besagten Jahr 2003 dieses alte Uhrenwerk im Rahmen des Förderkreises Heimatkunde der Stadtarchivarin Dr. Barth für 4000 Euro zum Kauf anbot. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht geklärt, ob es sich tatsächlich um DAS Turmuhrwerk vom ehemaligen Tettnanger Rathaus-Gebäude in der Montfortstraße 10 handelte. Der Uhrmacher Markus Burmeister aus Sigmarszell11 wurde daraufhin damals zur Abklärung dieser Frage herangezogen und als dieser beweisen konnte, dass es sich tatsächlich um die vermutete Uhr drehte, wurde sie von ihm noch komplett repariert und gereinigt.

Angelehnt an meine vorbereiteten Fragen, habe ich das Telefonat mit einer kurzen Einleitung zu meiner Person und meiner Teilnahme am Museumsprojekt begonnen. Daran anschließend ging ich auf die Wichtigkeit ein, die in der momentanen Aufgabe der Mitarbeiter bei der Neugestaltung des Tettnanger Museums in der Gegenstands-Sichtung und Bestimmung liegt. Ein glücklicher Zufall hat sich dann mit dem Kontakt mit Markus Burmeister ergeben, nachdem ich mir speziell dieses alte Turmuhrenwerk für die Gegenstandsanalyse ausgesucht hatte, denn mit dem Sohn des wahren Stadt-Kenners von Tettnang,- Karl Heinz Burmeister, welcher das Grundlagenwerk zur Geschichte der Stadt Tettnang im Jahr 1997 herausgegeben hatte, war ich mehr als an der richtigen Adresse gelandet.

Auf meine Frage, an was er damals bestimmen konnte, dass es sich beim Auftauchen der alten Rathausuhr im Jahr 2003 um DIE Tettnanger Uhr handelte, antwortete er, dass die Uhr auf den Bändern und auf dem Kontrollziffernblatt signiert sei und dass ein gewisser Uhrmacher namens Strauss sie ca. 1813 oder 1818 renoviert hatte. Außerdem habe sie als das Pendel am Schlaghebel eingeführt wurde 2 Uhrenwerke gehabt.

In diesem Zusammenhang erwähnte Burmeister außerdem, dass zur selben Zeit damals die Stadttoruhr ebenfalls von ihm renoviert wurde. Dahingegen sei die Schlossuhr, neben der Kirchenuhr eine der drei öffentlichen Tettnanger Uhren, trotz Planung durch die Grafschaft Montfort-, nie fertig gebaut worden, da den Grafen damals schlicht das Geld ausgegangen war.

Somit war damit auch eine meiner Fragen, ob diese alte Rathausuhr eine der drei öffentlichen Tettnanger Uhren gewesen ist, was außerdem von Markus Burmeisters ́ Vater Karl Heinz Burmeister in dessen ‚Geschichte der Stadt Tettnang‘ in einem Kapitel über die Zeitmessung beschrieben wird2, mit einem klaren ‚JA‘ beantwortet.

Im Anschluss erinnerte Markus Burmeister auch gleich an den Brand im Jahr 2006, und auf meine Frage hin, ob der erhaltene Turm des Rathausgebäudes damals gestohlen wurde, konterte er, dass er nicht von einem ‚Diebstahl‘ ausgeht, sondern dass dieser Turm noch irgendwo beim Bauhof stehen müsste. Wo genau, das wüsste allerding niemand, auch er nicht. Auf weitere Fragen zum Brand verwies er mich darauf, mich bei der Stadt Tettnang nochmals näher zu erkundigen und dort näher nachzufragen, um genauere Details zu erfahren.

Laut meiner Recherche in Annegret Kaisers ‚Historischer Ortsanalyse Tettnangs‘ gab es außerdem im 19. Jahrhundert schonmal zwei Großbrände,- einen in der Neugasse und einen in der Montfortstraße3. Auf meine Frage hin, ob bei dem Brand in der Montfortstraße dieses alte Rathausgebäude ebenfalls vom Brand betroffen war, antwortete Burmeister, dass dieses Gebäude mit der alten Turmuhr nichts abbekommen hatte und original geblieben sei. Allerdings wundere er sich, warum dieses alte Gebäude, da es zu einem der ältesten Gebäude des Stadtkerns gehöre, nach dem letzten Brand 2006 nicht denkmalgeschützt wurde und der nach dem Brand erhaltene Turm nicht wiedererrichtet werden sollte.

Zum genauen Alter der Uhr konnte mir Markus Burmeister nur ungefähre Angaben machen. Die Uhr sei erst seit Mitte 1600 zusammen mit dem Turm in welche sie eingebaut wurde auf das Rathaus-Gebäude draufgesetzt worden. Demnach ergibt sich die logische Schlussfolgerung, dass das Rathaus-Gebäude schon früher existiert hatte, nach Kaiser wurde es im Jahr 1476 zum ersten Mal urkundlich erfasst4.

Für die Uhr war das allerding – laut Burmeister- noch zu früh, da es zum einen eine teure Angelegenheit war und es sich nicht alle Städte leisten konnten und zum anderen, weil es schlichtweg für die Zeit von Uhren rein von der technischen Entwicklung noch zu früh war. Die Pendelgesetze nach Galilei gab es beispielsweise erst um 1670.

Er ergänzte, dass es erst die Ratsglocke gegeben habe,- d.h. erst die Schlaguhr ohne Zifferblätter und dann wurde die Uhr über die Jahrhunderte ‚erweitert‘. Somit wurde auch meine Frage beantwortet, ob die Uhr damals entweder in Teilen oder als Ganzes erbaut wurde,- in diesem Fall also in Teilen.

Die Uhr stand im Dachboden des Turmes. Die an dem Uhrenwerk-Gestell mittig angebrachte Stange verläuft von unten nach oben. Die 3 Stangen mit jeweils einem schweren Stein dran sind die Gewichte. Das Ziffernblatt war von außen am Turm angebracht und ist demnach noch mitsamt dem Turm verschwunden. Aus diesem Grund ist an dem aktuell im Stadtmuseum befindlichen Uhrenwerk auch kein Ziffernblatt zusehen.

Fachmännisch ausgedrückt handelt es sich laut Burmeister und meiner Vermutung um eine Räderuhr mit Gewichtsantrieb5, die automatisch lief.

Sie hatte zwei Glocken, die alle Viertelstunde und alle Stunde läutete. Ein Turmwächter hatte jeden Tag die Uhr aufgezogen, wofür dieser Gewichte hochkurbeln musste. Eine Melodie gab es beim Läuten der Glocken nicht, da es schlicht zu teuer und in Süddeutschland weniger verbreitet war, dagegen eher in England, wie Burmeister erzählte.

Die Uhr war im Rathaus-Gebäude angebracht: Das Rathaus steht hierbei im Allgemeinen für die Bürgerschaft. Auf meine Frage hin, ob die Uhr von den Grafen von Montfort in Auftrag gegeben wurde, antwortete Burmeister mit Verweis auf die bürgerlichen Tätigkeiten, die mit einem Rathaus verbunden waren und sind, dass diese Uhr definitiv nicht von den Grafen sondern von den Zünften bezahlt worden sei und es sich demnach auch sehr wahrscheinlich nicht um eine Auftragsarbeit der Grafen gehandelt hatte.

Die Uhr war ein eindeutiges Symbol für die Bürger von Tettnang! Sie gab ihnen Tagesstruktur und zeigte durch ihr Läuten verschiedene Zeiten an: Burmeister nannte an dieser Stelle folgende Beispiele, wann und für welche Zwecke die Turmuhrglocken läuteten:

-beim Öffnen und Schließen des Stadttors: Diese Tätigkeit haben Wächter gemacht, was außerdem zu mittelalterlichen Zeiten so üblich war, dass man abends die Städte zusperrte gegen nächtliche Feinde: Die Uhr hat somit jeden Tag die Zeit zum Torschließen und -öffnen angezeigt,- vermutlich früh morgens zwischen 5-6 Uhr und abends um ca. 20Uhr, wie Burmeister schätzte.

- bei Marktzeiten: Es durfte nur zu bestimmten Zeiten verkauft werden, und so läutete die Turmuhr den Beginn und das Ende des Tettnanger Wochenmarktes ein.

-bei Stadtversammlungen und Ratssitzen.

Diese Uhr hat damit den Alltag der Stadt geregelt.

Im Weiteren wurde laut Burmeisters Erzählungen der Uhrturm gebaut, damit die beleuchteten Ziffernblätter aus Glas, die an allen vier Seiten am Turm angebracht waren, von allen Bürgern der Stadt gut gesehen werden konnten, womit er meine vorangegangene Frage nach dem Alter der Uhr erweitert beantwortete: Der Turm wurde also erst nachträglich auf das Rathausgebäude gesetzt und die Uhr wurde nach und nach vervollständigt. Gründe für die stückweise Vervollständigung lagen in der Finanzierung und im fehlenden Stand des technischen Fortschritts.

Das Uhrengestell was jetzt im Museum ist, zeigt nur das innere Uhrenwerk ohne Ziffernblatt: dieses ist noch Außen am Turm dran und der Turm wiederum muss irgendwo am Bauhof liegen,- wie Burmeister erneut betonte. Mir erschien es beim Telefonat tatsächlich an mancher Stelle so, als wünschte sich auch Burmeister, dass der alte Rathausturm wieder ins Tettnanger Stadtbild reintegriert würde, worüber er sich,- falls dies in Zukunft tatsächlich noch passieren sollte, Gesetz denn Fall der alte Turm würde wiederauftauchen, mit Sicherheit freuen würde.

Auf die Frage, wer denn die Turmuhr damals gebaut hatte, weiß man scheinbar laut Burmeister nichts, da man generell über frühe Uhren wenig wüsste, denn es gab damals scheinbar viele Uhrmacher-Dynastien. Demnach könne man auch nicht genau bestimmen, wie alt die Uhr ist, da sie stückweise über die Jahrhunderte erweitert wurde und somit auch mehrere Uhrmacher daran gearbeitet hatten.

Die erste Uhr wurde vermutlich Mitte des 16.Jahrhundert gebaut: Sie war nur mit Stundenschlag ohne Zeiger ausgestattet. Geschätzte 100 Jahre später kam dann die zweite Uhr dazu, die dann mit Zeiger und Viertelstundenschlagwert ausgestattet war.

Im Jahr 2003 hat Markus Burmeister die Uhr komplett gereinigt und die Hemmung überarbeitet. Diese war zu dem Zeitpunkt, als er sie nach dem Auftauchen im Stadtarchiv in Tettnang vorgefunden hatte, komplett mit Keilen in ihre Einzelteile zerlegt und die er nach getaner Arbeit,- der Reinigung und Reparatur-, erst mal wieder zusammensetzen musste.

Es war damals scheinbar üblich, dass man jedes Jahr mindestens einmal die öffentlichen Turmuhren gereinigt und geölt hatte. Zu diesen früheren Zeiten als es noch kein Lösemittel gab, wurden die Uhren,- auch diese hier beschriebene, mit Schweineschmalz und/oder Buchäckeröl eingeschmiert. Und da es eben kein Lösungsmittel gab, war bei dieser Wahl des Fettes bzw. Öls das Problem, dass es relativ bald ranzig wurde. Deswegen hatte man die Einzelteile der Uhr jedes Jahr in Holzkohle(feuer) gelegt und vom alten Schmierfett gereinigt. Und da man diese Prozedur mit Feuer nicht in der Nähe der Brandanfälligen Gebäude machen konnte, hat man das z.B. auf dem Marktplatz oder weiter außerhalb der Stadt gemacht. Und damit alle Bürger davon noch was hatten, hat man aus der Prozedur das alljährliche ‚Uhrputzfest‘ organisiert.

Zu der Frage, ob die Uhr tatsächlich 1904 wie angenommen ausgetauscht wurde, antwortete Burmeister, dass es gut sein kann, dass das stimmt, da zu dieser Zeit von der Firma Hörz6,- die es heute noch gibt-, alle öffentlichen Uhren rausgemacht und durch neue elektrische Uhren ersetzt wurden. Es sei schade, da somit viele alte Uhrwerke zerstört wurden und heute nicht mehr gibt.

Generell sei das Uhrmacherhandwerk selten geworden, gerade was die Pflege und Arbeit an solchen alten Turmuhren betrifft. Burmeister gehört damit zu einer von wenigen Turmuhr- Spezialisten, der diese Arbeit heute noch deutschlandweit macht77.

Wo diese alte Rathausuhr im Zeitraum zwischen 1904 und 2003 abgeblieben ist, konnte Burmeister nicht beantworten, das bleibt somit offen.

Auf meine Frage, ob es Originalaufnahmen gibt von dem Rathausgebäude mit dieser alten Turmuhr, hat Burmeister ebenfalls verneint.

Im weiteren Verlauf meines Telefonats habe ich noch den ‚Schuld- und -Schulden-Aspekt‘ mit angesprochen, wonach ich dieses Motto, welches das neue Konzept des Stadtmuseums zukünftig umgeben soll, anhand des Münz-Skandals der Grafen von Montfort kurz umrissen habe. Bezogen auf meine sich daraus entwickelte Frage, ob es sein könnte, dass die damaligen Uhrmacher, die über die Jahrhunderte jedes Jahr mindestens einmal nach Tettnang kamen, um die öffentlichen Uhren zu reparieren, eventuell zum Teil,- beabsichtigt oder unbeabsichtigt-, mit Falsch-Münzen, welche von den Grafen Monfort geprägt waren, bezahlt wurden, konnte Burmeister nichts Genaueres dazu sagen. Allerdings schloss er dies nicht komplett als bestehende Möglichkeit aus.

Jedenfalls kamen die Uhrenmacher laut Burmeister alle von außerhalb nach Tettnang, da die Stadt Tettnang selbst keinen Uhrenmacher hatte. Aus diesem Grund könnte es tatsächlich passiert sein, dass die Bezahlung in manchen Fällen ‚gestreckt‘ wurde mit Falschmünzen. Eindeutige Beweise für diese Annahme gingen bei diesem Telefonat allerdings nicht hervor.

Auch was das Verhältnis zwischen Grafschaft und Bürger hinsichtlich der Uhr betraf, war diese alte Rathausuhr vordergründig eine Bürgeruhr und keine, die in die Uhrensammlung der Grafen fiel,- denn es war ja bekannt, dass die Grafschaft eine Vorliebe für Uhren hatte8. Hier jedoch handelte es sich laut Burmeister aber vor allem um teure Standuhren und Wanduhren, die insbesondere in Innenräumen angebracht wurden. Die Rathausuhr fiel unter die öffentlichen Uhren, von welchen die Stadtbewohner ebenfalls einen Nutzen ziehen konnten.

Auch dass die Tettnanger heute noch ‚hochschauen‘, wenn sie Glockenläuten hören, hat sich als ‚wahres‘ Gerücht erwiesen und zeugt von einer gewissen Wichtigkeit, die diese Uhr für die Bürger hatte.

WER die alte Rathausuhr damals im Jahr 2003 der Stadt angeboten hat für 4000 Euro, konnte mir Burmeister nicht beantworten. Er geht aber davon aus, dass bezogen auf die Finanzierung und der Frage der Beteiligung eines Ankaufs der Uhr, die Stadt die Uhr mittlerweile ganz erworben haben müsste, weil er sonst auch den Auftrag zur Reparatur nicht bekommen hätte, wenn die Stadt kein Geld gehabt hätte.

Auf meine Vermutung hin, ob an dem Brand 2003 Brandstifter im Spiel gewesen sein könnten, meinte Burmeister ebenfalls, dass er dies nicht beantworten könne, aber dass man bei solchen Annahmen vorsichtig sein sollte.

Allerdings würde viel dafür sprechen, dass die jetzigen Gebäudebesitzer schlichtweg aus praktischen Gründen dafür gesorgt hatten, dass nach dem Brand ein größeres und moderneres Gebäude ohne Turm gebaut wurde, welches auch mehr zur Sparkasse passt.

1 Vgl.: Hoffmann, Gisbert: Turmuhrwerk vom ehemaligen Rathaus aufgetaucht: Förderkreis beteiligt sich am Ankauf, FH-Kurier- Artikel Nr. 22, 2003. 2 Vgl.: Burmeister, Karl Heinz: Geschichte der Zeitmessung, In: Ders.: Geschichte der Stadt Tettnang, Konstanz 1997, S. 168-169.

2 Vgl.: Burmeister, Karl Heinz: Geschichte der Zeitmessung, In: Ders.: Geschichte der Stadt Tettnang, Konstanz 1997, S. 168-169.

3 Vgl.: Kaiser, Annegret: Historische Ortsanalyse Tettnang, Regierungspräsidium Stuttgart, Referat Denkmalpflege 2018, S. 20

4 Vgl.: Kaiser, S. 12.

5

Vgl.: Artikel zu ‚Turmuhr‘, auf: de.wikipedia.org/wiki/Turmuhr, URL: 12.06.2020, 23:23Uhr.

6

Vgl.: Webseite der Firma Hörz: hoerz-center.de.

7

Vgl.: Webseite von Markus Burmeister: www.turmuhren-burmeister.de.

8 Vgl.: hierzu Burmeister, 1997, S. 168.