„Visualisierung der Antwort des Gehirns auf Magnetrezeption“, durchgeführt an der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Georg Maret, Experimentalphysiker am Fachbereich Physik. Gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)
Ziel des Projektes:
Die Tauben-Flüge sind ein Teil des Gesamtprojektes „Visualisierung der Antwort des Gehirns auf Magnetrezeption“. In dem Reinhart Kosselleck-Projekt geht es darum herauszufinden, wie Tauben oder andere Lebewesen ein schwaches Magnetfeld, etwa das Erdmagnetfeld, überhaupt spüren, um es dann zur Navigation im Freien nutzen zu können. Dazu wird unter anderem das Flugverhalten von Brieftauben beobachtet.
Dass Tauben und viele andere Tierarten ein magnetisches Orientierungsvermögen besitzen, ist wissenschaftlich längst nachgewiesen. Neben anderen Faktoren wie Sonnenstand, innerer Uhr oder den Geruchssinn nutzen sie dabei Information über Richtung und Stärke des Erdfeldes. Doch welcher sinnesphysiologische Mechanismus die Wahrnehmung eines so schwachen Magnetfeldes wie das Erdfeld erlaubt, ist noch zu erforschen. Das Projekt „Visualisierung der Antwort des Gehirns auf Magnetorezeption“ ist unter Leitung des Physikers Prof. Dr. Georg Maret angetreten, die Fragen zu beantworten, wie genau die Tiere die magnetischen Signale empfangen und im Gehirn verarbeiten. Während alle anderen Sinne (z. B. das Sehen, das Riechen, Reaktionen auf Temperatur) bereits sehr gut erforscht sind, ist dies bei der Reaktion auf Magnetfelder noch nicht der Fall. Einerseits wird vermutet dass die Tiere mikroskopisch kleine magnetische Kompassnadeln tragen, etwa in der Nase, deren Ausrichtung im Feld eine Stimulation der Nerven und gewisser Hirnareale bewirkt. Andere Forscher glauben, dass chemische Reaktionen von Proteinen, die bei Wahrnehmung von blauem Licht im Auge ablaufen, durch das Erdfeld so verändert werden, dass das Tier das Magnetfeld also gewissermaßen „sieht“.
Bei dem Projekt geht es konkret darum, diese Hypothesen einem kritischen Test zu unterziehen, aber auch zu verstehen, wie Lebewesen auf natürliche und künstliche Magnetfelder reagieren, die überall – etwa im freien Feld, in industrieller Umgebung oder bei der Magnettomograhie im Krankenhaus – allgegenwärtig sind. Die Ergebnisse spielen eine wichtige Rolle bei der Frage, wie Lebewesen allgemein auf stationäre Magnetfelder reagieren. Es handelt sich um Grundlagenforschung, auf deren Ergebnissen weitere Forschung und Arbeiten aufbauen werden. Diese Frage, wie Lebewesen auf Magnetfelder reagieren, zu beantworten, ist bei Themen wie z. B., wie ein Körper bei einer Kernspin-Untersuchung beim Arzt reagiert, relevant.
Georg Maret und sein Team interessieren sich für die physikalische Sicht auf die verschiedenen Möglichkeiten von Lebewesen, die das Erdmagnetfeld zur Navigation im freien Gelände benutzen. Sie bedienen sich dazu der Methode „Diffusing Wave Spectroscopy“, mittels derer sich die neuronale Aktivität einer Taube messen lässt. Dabei wird ihr Gehirn mit infrarotem Licht durchleuchtet, wodurch sich kleinste Bewegungsvorgänge im Tierkörper, insbesondere bei der Durchblutung nachweisen lassen. Im Gehirn wird anhand kleinster Durchblutungsänderungen der Ort lokalisiert, wo die Reaktion auf eine Magnetfeldrezeption stattfindet. Eine alternative im Team weiterentwickelte Methode basiert auf Ultraschallbildern, mit denen Durchblutungsänderungen in winzigen Adern des Vogelhirns sichtbar gemacht werden. Dadurch soll die mikroskopische Reaktion des Tierorganismus auf magnetische Stimulation und deren Entstehungsort sichtbar gemacht werden.
Der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn dieses Projektes ist somit sehr hoch. Die Frage nach der Art und Weise der Reaktion von Lebewesen auf Magnetfelder beantworten zu können, zählt zu den aktuell sehr relevanten, noch offenen großen Fragen im Grenzgebiet zwischen Physik, Biologie und Medizin.
Über die Flüge:
Um die tatsächliche Funktion des Magnetsinns der Tiere herauszuarbeiten, wird eine Art Ausschlussverfahren angewendet. Dabei wird die Rolle des blauen Lichts unter anderem dadurch getestet, dass Flug- und Laborexperminente unter Beleuchtung mit verschiedenen Lichtfarben vorgenommen werden. Die in das Projekt eingebundenen Tauben werden mit einer Haube versehen, die als Brille funktioniert. Wie bei einer Sonnenbrille werden bestimmte Wellenlängen des sichtbaren Lichts herausgefiltert. Wissenschaftlich belastbare Ergebnisse sind nur dann garantiert, wenn sich die Taube vor dem Flug an die Haube gewöhnen lässt. Schließlich soll die Brille den Flug nur dann beeinflussen, wenn die herausgefilterten blauen Wellenlängen bei der Orientierung wirklich eine Rolle spielen. Auch wird darauf geachtet, dass durch die Haube kein anderes Sinnesorgan, z. B. die Atemwege, beeinträchtigt wird. Die Tiere können beim Tragen dieser Brille somit zu jeder Zeit sehen, und ihre Atemwege sind zu keiner Zeit negativ beeinflusst.
Der Flug der Tauben wird durch einen GPS-Sender überwacht, der auf dem Rücken der Tiere angebracht wird. Dadurch kann die genaue Flugstrecke der Vögel nachgezeichnet und eventuelle Abweichungen festgestellt werden, auch dann, wenn ein Tier auf seinem Weg zum Heimatschlag an der Universität Konstanz zur Landung ansetzt. Das geschieht, wenn die Taube beispielsweise einen Habicht erkennt und sich auf dem Boden einen sicheren Ort sucht. Durch den Sender kann der Ort von den Team-Mitarbeitenden an der Universität Konstanz jederzeit festgestellt werden und die Taube kann geholt werden. Da die Tauben an Menschen gewöhnt sind, lassen sie sich problemlos einfangen. Der Sender wird mit einem Klettband auf dem Rücken der Tauben angebracht. Er haftet im Wesentlichen an den Daunenfedern. Da sich diese immer wieder erneuern, etwa bei der Mauser, fällt das Klettband nach einer gewissen Zeit, typischerweise nach einigen Monaten, von selbst ab, ohne dem Tier jemals Schmerzen zugefügt zu haben.
Zur Begleitung und Kontrolle der Flüge und Haltung der Tauben:
Nicht nur die Flüge, auch die Vögel selbst werden von Tierärzten des zuständigen Veterinäramtes regelmäßig untersucht (auch unangekündigt). Das gesamte Projekt wäre ohne das Gutachten einer Ethikkommission, in diesem Fall des Regierungspräsidiums Freiburg, nicht genehmigt worden. Darüber hinaus kümmern sich die Tierärzte und Tierpflegerinnen und -pfleger der Universität regelmäßig um die Tiere. Die Tauben werden an der Universität artgerecht und den Tierschutzbestimmungen gemäß gehalten.