Kooperationen

Kooperation 4: Rechtswissenschaft / Motivationspsychologie

In der Kooperation zwischen den Teilprojekten Rechtswissenschaften und Motivationspsychologie wurden drei verschiedene Untersuchungen durchgeführt, in Form von empirischen Studien ebenso wie von fächerübergreifenden Lehrveranstaltungen:

  Die erste Untersuchung behandelte die Grenzen der Absichtlichkeit demokratisch legitimierten Handelns staatlicher Organe. Aus dem Blickwinkel der Rechtswissenschaft verringert sich die demokratische Legitimation mit dem fortschreitenden Verlagern von Verwaltungsstrukturen auf die europäischen und internationalen Ebenen. Staatliches Handeln kann demnach weniger als »absichtlich« im Sinne der demokratischen Legitimation rekonstruiert werden. Aus der psychologischen Perspektive ergibt sich ein demokratisches Legitimationsproblem durch die »Systemrechtfertigungstheorie«. Nach dieser Theorie haben Menschen das Bedürfnis, das eigene politische System als fair und gerecht betrachten zu können. Dieses Bedürfnis kann somit zu Verzerrungen der Absichtlichkeitswahrnehmung staatlichen Handelns führen, wie auch zu Verzerrungen der individuellen Absichten der Bürger. In einer experimentellen Studie wurde die Systemrechtfertigung bei gleichzeitiger Manipulation gesellschaftlicher Stellung untersucht. Der Haupteffekt der Systemrechtfertigung bei gesellschaftlicher Benachteiligung ließ sich nicht replizieren. Allerdings zeigt sich diese Tendenz bei einer hohen Identifikation mit dem Staat oder einer persönlichen Leistungsorientierung. Diese Ergebnisse provozieren die Frage der generellen Replizierbarkeit der angloamerikanischen Systemrechtfertigungstheorie in einer ausgeprägten Sozialstaatstruktur.

  Die zweite Untersuchung beschäftigte sich mit der Anthropomorphisierung von staatlichen Institutionen und institutionellem Handeln, d.h. speziell der Tendenz, staatlichen Institutionen »Absichten« analog zu denen absichtlich handlungsfähiger menschlicher Individuen zuzuschreiben. In einer experimentellen Studie wurden mögliche Faktoren untersucht, die zu dieser Form der Anthropomorphisierung staatlicher Institutionen führen. Persönliche Nähe und selbst angegebenes Verständnis der institutionellen Strukturen waren gute Indikatoren für ein hohes Maß an Anthropomorphisierung. Mögliche Implikationen aus dieser Studie sind, dass die Tendenzen zur Anthropomorphisierung als generelle Komplexitätsreduktionsheuristik verstanden werden können, d.h. dass die Beschreibung eines komplexen Systems mit der Begrifflichkeit intentional handelnden Individuums erfolgt, wenn eine kausale oder systemische Erklärung nicht möglich ist.

Die dritte Untersuchung befasste sich mit den individuellen Grenzen der Absichtlichkeit bei interpersonellen Konflikten. Die Grenzen der Absichtlichkeit werden in Konfliktsituationen durch die Absichten der Konfliktgegner und durch die eigene Problemfokussierung begrenzt. Durch die psychologische Technik der Mediation, dem strukturierten und freiwilligen Verfahren zur konstruktiven Beilegung eines Konfliktes, kommt es zu einer Transformation der ursprünglichen Problemfokussierung hin zu einer Interessensorientierung. Dieser Betrachtungswechsel führt zu einer Änderung der eigenen Absichten und öffnet somit einen größeren Spielraum für die Konfliktlösung und die Durchsetzung der eigenen Ansichten. In den Seminaren »Grundzüge der Mediation« und »Psychologische Aspekte der Mediation« wurde diese Technik Studierenden der Psychologie wie auch der Rechtswissenschaften anhand von theoretischen Unterweisungen und praktischen Fallbeispielen vermittelt. Außerdem wurde eine experimentelle Studie zum Thema »Prozedurale Konfliktlösungspräferenzen« durchgeführt, die Rahmenbedingungen untersuchte, die zu unterschiedlichen Konfliktlösungsoptionen führen können. Diese Studie wurde auf der 25. Jahrestagung des Forums Friedenspsychologie an der Universität Konstanz im Juni 2012 vorgestellt. Die Ergebnisse dokumentierten eine unterschiedliche Präferenz zur Lösungsfindung zwischen Tätern und Opfern und einen ausgeprägten Einfluss der Faktoren des »Stereotype-Content-Model«.