Kooperationen

Kooperation 1: Rechtswissenschaft / Philosophie

In der Kooperation zwischen den Teilprojekten Rechtswissenschaft und Philosophie stand der Sinn und die Anwendbarkeit der Formel von der Absicht des Gesetzgebers im Zentrum, aber auch der Sinn verwandter Formeln, wie z.B. der vom Willen des Volkes oder der kolloquialen Rede von den strategischen Zielen und Absichten einer politischen oder ökonomischen Organisation. Das Augenmerk galt dabei besonders der Frage, ob eine Deutung dieser Formeln jenseits einer Berufung auf ein schwierig zu fassendes Kollektivsubjekt oder einer radikal nichtintentionalistischen, rein metaphorischen Lesart möglich ist. Ausgegangen wurde hier von der Beobachtung, dass Individuen, die sich als Mitglieder einer Gemeinschaft und als Inhaber bestimmter institutioneller Rollen verstehen, wie z.B. als Bundestagsabgeordnete (Art. 38 I 2, 77 I GG) oder als Gesetzesvorlagen entwerfende Regierungsmitglieder (Art. 76 I GG), offenkundig anders entscheiden und handeln und entsprechend anders verantwortlich gemacht und bewertet werden als bloße Privatpersonen. Wie geplant und im Antrag angekündigt stand diese Kooperation im direkten, engen Zusammenhang mit einer von beiden Teilprojekten gemeinsam veranstalteten Sommer- bzw. Frühjahrsschule für fortgeschrittene Studierende und Doktoranden, von der zugleich ein geeigneter, spezifischer Beitrag zur Präzisierung des begrifflichen Rahmens der Forschergruppe insgesamt erhofft wurde.

  In diversen, intensiven Diskussionen zur Vorbereitung der Schule, an denen sich neben den Wissenschaftlern der beiden Teilprojekte phasenweise auch die Referentin der Forschergruppe beteiligte, wurden der konzeptuelle Rahmen abgesteckt und die Fragestellungen konkretisiert, die für die Arbeit der Schule leitend sein sollten. Aus einladungspragmatischen Gründen, aber auch im Interesse einer Vergrößerung des Begriffsfeldes, das interdisziplinär analysiert und, wenn möglich, präzisiert werden sollte, wurde das Thema relativ weit gefasst und ganz allgemein auf Probleme der Rede von »kollektiver Absichtlichkeit« im rechtlichen und philosophischen Kontext bezogen. Leitfragen für die Ausschreibung wie für die Auswahl der Teilnehmer und Einzelbeiträge waren dann vor allem die folgenden: Sind die neueren Arbeiten in der Philosophie geeignet, dem Konzept kollektiver Absichten und institutioneller Realität einen klaren Sinn zu geben? Warum finden wir einen Bezug auf gemeinsame Absichten als Tatbestandsmerkmal gerade im Bereich des sogen. »Feind-Strafrechts«? Ließe sich dieser Bezug etwa erweitern, d.h. ließe sich die gängige Praxis, Gruppen Absichten zuzuschreiben und sie als solche moralisch verantwortlich zu machen, eventuell auch verrechtlichen? Welche Vorteile könnte so etwas haben und welche begrifflich-grundsätzlichen und praktisch-juristischen Fragen würde es aufwerfen? Welche Deutungen kann die Philosophie für Redeweisen wie die von der Absicht des Gesetzgebers anbieten? Wie stehen subjektivistische und objektivistische Schulen der Gesetzesinterpretation zu dieser Denkfigur? Welche Rolle spielt die Sprache der Gesetzestexte? Ist die Sprache als objektive Realität selbst institutionalistisch oder anderswie kollektivistisch zu deuten?

  Die ursprünglich für das Ende des SS 2010 geplante Sommerschule wurde aus Termingründen ins Frühjahr 2011 verlegt. Zur Gewinnung geeigneter Teilnehmer wurden ausgewählte nationale wie internationale philosophische und juristische Institute angeschrieben. Ausgewählt wurden sechs Teilnehmer bzw. Teilnehmerinnen (zwei Studierende, drei Graduierte und ein Post-Doc) entsprechend der Qualität und thematischen Eignung ihrer eingereichten Exposés. All diese Teilnehmer bekamen Gelegenheit, ihr Projekt in 45 Minuten im Plenum vorzustellen. Daran schloss sich ein ausführliches Feedback durch die Dozenten und anderen Teilnehmer. Neben den Gruppenmitgliedern Hans Christian Röhl, Michael Schmitz und Gottfried Seebaß konnten als externe Dozenten Clemens Höpfner (Köln), Neil Roughley (Essen) und Hans Bernhard Schmid (Basel) gewonnen werden.

  Mehreren, wenn auch nicht allen erwähnten Leitfragen konnte intensiv nachgegangen werden. Da es gelungen war, durchweg ausgewiesene Fachkollegen beider Disziplinen für diese Schule zu gewinnen, erreichten die Diskussionen häufig auch ein sehr anspruchsvolles wissenschaftliches Niveau. Ebenso waren die Beiträge der Studierenden, wenngleich qualitativ nicht gleichwertig und partiell (in einer so nicht vorausgesehenen Weise) thematisch überlappend, zumeist stimulierend und gerade wegen ihrer Unausgereiftheit förderlich für eine kritische, sachbezogene Erörterung. Erkennbar wurde darüber hinaus, dass ein etwas längerer, klausurartiger Austausch zwischen verschiedenen Disziplinen durchaus geeignet sein kann, anfänglich bestehende wechselseitige Verständigungsprobleme schrittweise abzubauen. Vor allem die Generaldiskussion am letzten Tag der Schule erwies sich in dieser Hinsicht als besonders anregend und ermutigend. Deutlich wurde allerdings auch, dass der Schritt zu weitergehenden konzeptuellen (oder gar terminologischen) Annäherungen vorerst immer noch ziemlich groß bleibt und wohl allenfalls dann erreichbar wäre, wenn wesentlich aufwendigere und entsprechend umfangreichere Arbeiten, die von Beginn an konzeptuell ausgerichtet sind, kooperativ in Angriff genommen würden – ein Resultat, das sich großenteils auch mit den Erfahrungen der Gruppe bei den internen begrifflich orientierten Kooperationen deckt.