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tiget zü dem ewigen froiuden.
Do er disü wort von got kunt
getet vnd ander susse red vil
getet, da sprach er: „Ich bin sin
nit, das mit iw redt, das hort
jr wol an meiner stim.“ Das
was auch war, das sich sin
stim ver wandelt hett. An dem
nontag gab er mir aber vnszern
herren in der wis as vor vnd
sprach: „Vnszer herr, ich wil din trub(-)
sal vnd dinen siechtagen edeln.“

vnd lag den selben tag bisz
vesper1 vnd sog die wunden der
siten vnszers herren vnd sog dar
vsz begirde vnd mÿnn. Nun für
1 Letzte Hauptgebetszeit am frühen Abend
von „getuon“, Verstärkung von „tuon“ = tun, machen; hier: (in Verbindung mit „kunt“) kundtun
eigentl. Schreibweise „wâr“ = wahr
Perspektivenproblem: „und sprach unszer herr“? Oder wird „unszer herr“, wie es diese Lesart deutet, apostrophiert?
Präteritum von „sûgen“ = saugen. Bezieht sich eigentlich vor allem auf das Saugen der Muttermilch; hier: Jesus säugt den Gläubigen mit seinen Wundmalen, häufiges Bild der Mystik
Minne = ein vieles umfassendes mittelalterliches Konzept von Andenken, Gedenken (nach dem ahd. Minna), das nicht dem modernen Begriff von „Liebe“ entspricht und daher am besten mit „minne“ übersetzt wird; kann in nahezu jeglicher inter-personaler Konstellation vorkommen und wird hier vornehmlich für die liebevoll – zärtliche Zuneigung zwischen Gott und dem auserwählten Menschen, d.h. seiner Seele verwendet