Heinz, Wolfgang: Das
strafrechtliche Sanktionensystem und die Sanktionierungspraxis in Deutschland
1882 - 1998 (Stand: Berichtsjahr 1998) Internet-Publikation: <www.uni-konstanz.de/rtf/kis/sanks98.htm>
Version 8/2001
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II. Beschreibung und Analyse der Sanktionierungspraxis anhand der
amtlichen Rechtspflegestatistiken
1. Die amtlichen Rechtspflegestatistiken
als Datenquellen
Grundlage für die folgende Darstellung der Sanktionierungspraxis
von Staatsanwaltschaft und Gericht sind die amtlichen Rechtspflegestatistiken.
Für die Zeit vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland kommt
als Datenquelle lediglich die 'Kriminalstatistik für das Deutsche
Reich' in Betracht, deren Ergebnisse für die Berichtsjahre 1882 bis
1939 veröffentlicht worden sind.
Für die Bundesrepublik Deutschland stehen in Form koordinierter
Länderstatistiken zur Verfügung:
-
Die Staatsanwaltschaftsstatistik (StA-Statistik):
In ihr wird die Geschäftserledigung der Staats- und Amtsanwaltschaften
beim LG und OLG gegen bekannte Täter nachgewiesen. Bei der StA-Statistik
handelt es sich um eine Verfahrensstatistik, d.h. nachgewiesen wird die jeweils schwerste
Erledigungsart, mit der das Verfahren abgeschlossen wurde. Die Zahl der von
Ermittlungsverfahren betroffenen Personen wurde lediglich für einige
Erledigungsgruppen mitgeteilt. Erst seit der Neuordnung der StA-Statistik zum 1.1.1998
wird die Zahl der Personen für die einzelnen Erledigungsentscheidungen nachgewiesen.
Angaben zu den Delikten, die den Ermittlungsverfahren zugrunde lagen, wurden
zunächst nicht erhoben. Als Sondersachgebiete wurden 1986
"Strassenverkehrsstrafsachen", 1987 "Besondere Wirtschaftsstrafsachen", seit 1998 auch
"Betäubungsmittelstrafsachen", "Umweltstrafsachen", "Strafsachen gegen die
sexuelle Selbstbestimmung" und "Strafsachen der organisierten Kriminalität"
aufgenommen. Wegen der noch nicht in allen Ländern eingeführten
Geschäftsstellenautomation wurden allerdings 1998 Angaben zu diesen
Sondersachgebieten in der Mehrzahl der Länder (noch) nicht erhoben.
Die StA-Statistik wurde seit 1976 nach und nach
in den Bundesländern eingeführt: (1976 in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz
und im Saarland; 1977 in Bremen und Hamburg; 1979 in Baden-Württemberg;
1980 in Niedersachsen). Erstmals mit dem Berichtsjahr
1981 wurden ihre Ergebnisse vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht,
jedoch ohne die Ergebnisse von Berlin-West, Hessen und Schleswig-Holstein,
wo diese Statistik erst später (1985, 1988 bzw. 1989) eingeführt
wurde. Erst seit 1989 liegen deshalb die Ergebnisse für sämtliche
alten Bundesländer vor, seit 1993 einschliesslich Berlin-Ost. In den neuen
Bundesländern wurde die Führung der StA-Statistik ab 1993 in Sachsen
und Sachsen-Anhalt aufgenommen; ab 1994 in Brandenburg und in Thüringen und
ab 1995 in Mecklenburg-Vorpommern. Seit 1995 liegen demnach auch Daten für
sämtliche neuen Bundesländer vor.
-
Die Justizgeschäftsstatistik der Strafgerichte (StP/OWi-Statistik):
In ihr werden der Geschäftsanfall und die Erledigung von Strafsachen
bei den Amts-, Land- und Oberlandesgerichten sowie dem Bundesgerichtshof
nachgewiesen. Die Justizgeschäftsstatistik wird mit dem jetzigen Inhalt
seit 1970 bzw. - nach inhaltlicher Erweiterung - seit 1989 für die
alten Bundesländer, seit 1991 einschliesslich Berlin-Ost, seit 1994
auch einschliesslich der neuen Bundesländer veröffentlicht.
Wie die StA-Statistik, so ist auch
sie nicht nach Delikten gegliedert. Die Art der Erledigung wird sowohl für
Verfahren als auch (seit 1989) für Personen nachgewiesen.
-
Die Strafverfolgungsstatistik (StVStat):
In ihr werden alle Angeklagten nachgewiesen, gegen die rechtskräftig
Strafbefehle erlassen wurden bzw. Strafverfahren nach Eröffnung des
Hauptverfahrens durch Urteil oder Einstellungsbeschluss rechtskräftig
abgeschlossen worden sind. Nicht erfasst werden Ordnungswidrigkeiten sowie
Entscheidungen vor Eröffnung des Hauptverfahrens. Deshalb enthält
diese Statistik z.B. keine Informationen über Verfahrenseinstellungen
gem. §§ 153, 153a, 153b StPO
durch die StA. Ausnahmsweise werden jedoch
Entscheidungen gemäss § 59 StGB,
§§ 27, 45 Abs. 3 JGG erfasst.
Die StVStat wird seit 1950 für
die alten Bundesländer (seit 1961 mit Saarland und mit West-Berlin), seit 1995
einschliesslich Berlin-Ost veröffentlicht.
Sie wurde in den neuen Bundesländern bislang in Brandenburg (1994),
in Sachsen (1992) und in Thüringen (1997) eingeführt. Da sie
in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt noch nicht geführt wird,
veröffentlicht das Statistische Bundesamt derzeit, von einigen Eckwerten
(seit 1997) abgesehen, die StVStat lediglich
für die alten Bundesländer einschliesslich Gesamtberlin.
-
Die Bewährungshilfestatistik (BewH-Statistik):
In ihr werden - neben den hauptamtlichen Bewährungshelfern - vor allem
die diesen zur Betreuung unterstellten Probanden der Bewährungshilfe
nachgewiesen. Die BewH-Statistik wird seit
1963 bundeseinheitlich geführt. In den neuen Bundesländern wird sie
lediglich von Brandenburg (seit 1993) und in Mecklenburg-Vorpommern (seit 1994)
geführt.
-
Die Strafvollzugsstatistik (StVollz-Statistik):
In ihr wird zum einen zum Stichtag - jeweils zum 31.3. eines Berichtsjahres
- die Struktur der Strafgefangenen sowie der Sicherungsverwahrten nachgewiesen,
zum anderen der sog. Bestand an Gefangenen und Verwahrten sowie die sog.
Gefangenenbewegung. Die StVollz-Statistik
wird seit 1961 geführt, seit 1992 ist auch Berlin-Ost einbezogen.
Ergebnisse für die neuen Bundesländer werden seit 1992 nachgewiesen.
Bei Abschluss des Manuskripts standen folgende Rechtspflegestatistiken für
die Auswertung zur Verfügung:
- Die Ergebnisse der StA-Statistik für 1998; da für Hamburg
und für Schleswig-Holstein noch keine Daten für 1998 vorliegen;
wurden die Ergebnisse aus 1997 verwendet.
- Die Ergebnisse der StVStat lagen für das Berichtsjahr 1998 vor.
- Die Ergebnisse der BewH-Statistik wurden zuletzt für das Berichtsjahr 1997
(seit 1992 ohne Hamburg) veröffentlicht.
- Die StVollz-Statistik lag für das Berichtsjahr 1999 (Anstalten, Bestand und
Bewegung) bzw. zum Stichtag 31.3.2000 (demographische und kriminologische Merkmale
der Strafgefangenen) vor.
In regionaler Hinsicht lagen Ergebnisse aus folgenden Statistikbereichen vor:
- Die StA-Statistik bezieht sich auf die alten und (seit 1995) auf
sämtliche neuen Bundesländer; die Ergebnisse werden nach Ländern
gegliedert ausgewiesen.
- Die veröffentlichten Ergebnisse der StVStat 1998 beziehen sich auf die
alten Bundesländer (einschliesslich Gesamtberlin); die Ausweise über Art
und Höhe der verhängten Sanktionen werden lediglich für das
frühere Bundesgebiet (einschliesslich Gesamtberlin) mitgeteilt. Die Länderergebnisse
werden von den Statistischen Landesämtern veröffentlicht, das Statistische Bundesamt
teilt insoweit nur Eckdaten mit.
- Für das Berichtsjahr 1997 beziehen sich die Ergebnisse der BewH-Statistik
auf das frühere Bundesgebiet einschliesslich Gesamtberlin (seit 1992 ohne
Hamburg); flächendeckende Angaben für die neuen Länder liegen noch
nicht vor; lediglich aus Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern werden Ergebnisse
mitgeteilt. Die für die vorliegende Auswertung relevanten Ergebnisse werden
nicht nach Ländern aufgeschlüsselt.
- Die Ergebnisse der StVollz-Statistik beziehen sich auf die alten und (seit 1992)
auch auf sämtliche neuen Bundesländer; die Angaben werden nach
Ländern aufgeschlüsselt.
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2. Aussagemöglichkeiten und Aussagegrenzen
der amtlichen Rechtspflegestatistiken
Den Möglichkeiten der Deskription der Sanktionierungspraxis werden durch
diese Informationsinstrumente - die Rechtspflegestatistiken - Grenzen gesetzt.
Zum einen sind die statistischen Daten aus den verschiedenen Statistikbereichen
nur begrenzt aufeinander beziehbar und untereinander vergleichbar. Zum anderen
werden Aussagemöglichkeiten und -grenzen vor allem dadurch bestimmt,
welche Daten erhoben und wie diese Daten für Zwecke der Veröffentlichung
aufbereitet werden. Speziell für Zeitreihenanalysen ergeben sich weitere
Grenzen der Aussagemöglichkeiten aus dem Wechsel von Erhebungs- bzw.
Aufbereitungskategorien sowie aus dem - in regionaler und/oder zeitlicher Hinsicht -
Fehlen statistischer Daten. Bezogen auf die beiden, der folgenden Darstellung vor
allem zugrunde liegenden Statistiken - StA-Statistik, StVStat - heisst dies:
2.1 Probleme der Vergleichbarkeit der Ergebnisse
von StA-Statistik und StVStat
- Die Erhebungseinheiten beider Statistiken stimmen nicht überein. In der
StA-Statistik sind Erhebungseinheiten Ermittlungsverfahren, in der StVStat
dagegen Personen. Die hieraus resultierenden Unterschiede - von einem
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren sind im Schnitt 1,2 Personen (Beschuldigte)
betroffen (1998 kamen auf 5.437.241 Beschuldigte 4.583.228 Ermittlungsverfahren) - können
durch entsprechende Umrechnungen nur ungefähr ausgeglichen werden. Wie die
erstmals für das Berichtsjahr 1998 auch für die StA-Statistik erhobenen
personenbezogenen Daten zeigen (vgl. Anhang, Tabelle 1 und 2), wurde durch das
bisher vom Verf. verwendete Umrechnungsverfahren die Zahl der Personen, deren
Ermittlungsverfahren gem. § 45 JGG eingestellt worden war, im Schnitt der alten
Bundesländer um gut 10% (bezogen auf die Einstellungen gem. § 45 JGG)
unterschätzt, die Zahl der nach JGG (informell oder formell) Sanktionierten um
rd. 6%. Die Zahl der nach allgemeinen Vorschriften - §§ 153, 153a, 153b StPO -
informell Sanktionierten ist in geringerem Masse unterschätzt (rd. 3%). Der in
den Schaubildern sichtbare Anstieg der Diversionsraten von 1997 auf 1998 ist
deshalb, und zwar sowohl im allgemeinen Strafrecht als auch im Jugendstrafrecht,
ein nur scheinbarer; er beruht auf der Umstellung von den bisherigen
"umgerechneten" Ergebnissen auf die nunmehr vorliegenden "echten" personenbezogenen
Daten (vgl. Anhang 2, Tabellen 3 und 4). Bei Verwendung des bisherigen
Umrechnungsverfahrens wäre die Diversionsraten 1998 gegenüber 1997
praktisch unverändert. Entsprechendes gilt dann, wenn die Zahl der zu
freiheitsentziehenden Sanktionen Verurteilten bezogen wird auf die Zahl der
(informell oder formell) Sanktionierten.
- Die Daten dieser beiden Statistiken werden zu verschiedenen Zeitpunkten erhoben,
nämlich mit der jeweiligen Verfahrenserledigung. Bei Bezugnahmen - z.B.
Anteil der Verurteilten an allen (informell und formell) Sanktionierten - kann sich
deshalb eine - nicht vermeidbare - Verzerrung ergeben, weil die beiden Gruppen aus
z.T. unterschiedlich grossen Grundgesamtheiten stammen.
2.2 Grenzen der Aussagemöglichkeiten aufgrund der Datenlage
- Staatsanwaltschafts-Statistik
- Für die StA-Statistik wurden in der Vergangenheit so gut wie keine Angaben zu
den dem Verfahren zugrunde liegenden Straftaten und zu den von den Verfahren
betroffenen Beschuldigten erhoben. Es ist infolgedessen nicht erkennbar, in
Abhängigkeit von welchen Täter- und von welchen Deliktsgruppen bestimmte
Erledigungsarten gewählt werden. Konkret heisst dies, dass z.B. weder
festgestellt werden kann, in welchem Umfang bei Diebstahl, bei Körperverletzung
oder bei Raub Verfahrenseinstellungen erfolgen, noch dass aufgrund der StA-Statistik
geprüft werden kann, ob die regional extrem unterschiedlichen Diversionsraten
auf Unterschieden im Entscheidungsverhalten beruhen oder lediglich unterschiedliche,
von der Praxis vorfindbare Tat- und Täterstrukturen widerspiegeln.
- Bei den nachgewiesenen Erledigungsarten, also auch bei Einstellungen aus
Opportunitäts- oder Subsidiaritätsgründen, wird nicht danach
differenziert, ob sie unter Anwendung von Jugendstrafrecht oder unter Anwendung
von allgemeinem Strafrecht erfolgten. Eine Zuordnung der Einstellungen kann
deshalb nur über die jeweilige Einstellungsnorm erfolgen, also z.B. so,
dass Einstellungen gem. § 45 JGG dem Jugendstrafrecht, Einstellungen gem.
§§ 153 ff. StPO dem allgemeinen Strafrecht zugeordnet werden. Gar nicht
zuordenbar sind die Einstellungsentscheidung gem. §§ 31, 37a, 38 BtMG.
Dies hat unvermeidbar zur Konsequenz, dass im Jugendstrafverfahren erfolgende
Einstellungen gem. §§ 153 ff. StPO fälschlicherweise den
Erwachsenen statt den nach Jugendstrafrecht verurteilten
Jugendlichen/Heranwachsenden zugeordnet werden müssen (Untersch&aum;tzung
der Diversionsrate im Jugendstrafrecht bei gleichzeitiger Überschätzung
im allgemeinen Strafrecht).
- Hinsichtlich der erzieherischen Massnahmen, die im Rahmen von § 45 JGG
durchgeführt, angeregt oder angeordnet werden, enthält die
StA-Statistik keinerlei Angaben. Bei § 45 Abs. 2 JGG sind dementsprechend weder Art
noch Häufigkeit der "Weisungen" oder "Auflagen" erkennbar.
- Strafverfolgungsstatistik
Im Vergleich zur StA-Statistik sind die für die StVStat erhobenen Angaben
für Zwecke der Beschreibung der Sanktionierungspraxis informativer und
differenzierter. Erhoben und nachgewiesen werden Angaben zu Alter, Geschlecht
und Staatsangehörigkeit der Abgeurteilten bzw. Verurteilten, zu Art
und (teilweise auch zu) Höhe der Sanktion sowie zu dem der Verurteilung
zugrunde liegenden schwersten Straftatbestand. Allerdings bestehen auch hier
einige bedeutsame Einschränkungen:
- In der StVStat wird jeder Verurteilte nur einmal ausgewiesen, und zwar bei
dem nach Art und Mass mit der abstrakt schwersten Strafe bedrohten Delikt. Daraus
folgt, dass die der Verurteilung zugrunde liegenden Delikte um so ungenauer
erfasst sind, je geringer die Strafdrohung eines Deliktes ist. Den Strafrahmen
beeinflussende Entscheidungen, wie z.B. Versuch/Vollendung, Täterschaft/Teilnahme,
Gesamtstrafenbildung, werden nicht im Tabellenprogramm über die Art und
Höhe der Strafen ausgewiesen. Insbesondere durch Gesamtstrafenbildung bzw. -
im Jugendstrafrecht - durch die Einbeziehung noch nicht vollständig
verbüsster Sanktionen (§ 31 Abs. 2 JGG) wird das Bild der
Sanktionierungspraxis in Richtung auf schwerere Strafen hin verschoben.
Schliesslich gibt die Orientierung an Straftatbeständen nicht wieder,
ob insbesondere wegen unbenannter Strafänderungsgründe Sonderstrafrahmen
angewendet wurden.
- Die Höhe bzw. Inhalte der nach allgemeinem Strafrecht verhängten Sanktionen
werden nur bei freiheitsentziehenden Strafen relativ differenziert erfasst; die
Vollständigkeit und Differenziertheit der Erfassung nimmt jedoch deutlich
ab, je eingriffsschwächer die Sanktion ist. Dies heisst im einzelnen:
- In der StVStat wurde bei Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht die Dauer
der freiheitsentziehenden Strafen vor 1970 nur für Zuchthaus und
Gefängnis erhoben, nicht aber für die anderen freiheitsentziehenden
Sanktionen. Die Kategorien für den Ausweis der Dauer der verhängten
Zuchthaus-, Gefängnis- oder Freiheitsstrafe wurden mehrfach geändert,
so dass über einen längeren Zeitraum die Entwicklung der
freiheitsentziehenden Strafen nach ihrer Dauer nur sehr begrenzt beobachtbar ist.
Seit 1950 wurden die Kategorien insgesamt siebenmal sowohl erweitert als auch
geändert. Für die Zeit ab 1950 blieb nur die Kategorie "lebenslange"
und "zeitige" Freiheitsstrafe unverändert und damit auch der statistischen
Analyse zugänglich, seit 1954 sind bezüglich der zeitigen Freiheitsstrafe
nur die Kategorien "bis einschliesslich 9 Monate", "bis einschliesslich 5 Jahre"
sowie "mehr als 5 Jahre bis einschliesslich 15 Jahre" unverändert geblieben.
Die derzeitige Einteilung besteht erst seit 1970.
- Die Höhe der Geldstrafe wurde erstmals 1967 erhoben, seit 1975 wird die Zahl der
Tagessätze in 5 geschlossenen Kategorien mit jeweils 5 gleichbleibenden Untergliederungen
für die Höhe des Tagessatzes erhoben sowie in einer weiteren offenen Kategorie
"361 und mehr Tagessätze", die aber nicht mehr nach der Tagessatzhöhe untergliedert ist.
- Die sonstigen strafrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten wurden und werden nur
unvollständig erhoben. Dies gilt insbesondere für die "dritte Spur im Strafrecht",
für die Bewährungsauflagen und/oder -weisungen, die nur hinsichtlich des "Ob" (ab 1975),
nicht aber hinsichtlich der Art der Auflagen/Weisungen erhoben werden. Insbesondere wird nicht
erfasst, ob eine Unterstellung unter einen Bewährungshelfer angeordnet wurde.
- Im Unterschied zum allgemeinen Strafrecht wird bei Verurteilungen nach
Jugendstrafrecht nicht nur die schwerste Strafe ausgewiesen, sondern bei
Erziehungsmassregeln und Zuchtmitteln die insgesamt verhängten, also auch
die nebeneinander angeordneten Sanktionen. Ansonsten gilt auch hier, dass die Differenziertheit
des Ausweises abnimmt, je eingriffsschwächer die Sanktion ist.
- Bei Einstellungen gem. § 47 JGG wird nur das Ob erfasst, nicht nachgewiesen
werden die angeordneten erzieherischen Massnahmen.
- Entsprechendes gilt für den Nachweis der durch Urteil angeordneten
Erziehungsmassregeln. Diese werden lediglich der Art nach (Weisung,
Erziehungsbeistandschaft, Heimerziehung) erhoben. Weder wird erfasst,
ob mehrere Weisungen nebeneinander angeordnet wurden, noch wird die Art der Weisung
(z.B. Arbeitsweisung, Betreuungsweisung, sozialer Trainingskurs,
Täter-Opfer-Ausgleich usw.), geschweige denn deren Mass (z.B. Stundenzahl der Arbeitsweisung)
erfasst.
- Auch die Zuchtmittel werden lediglich der Art nach (Verwarnung, Auflagen, Jugendarrest)
erhoben, wobei hier - weitergehend als bei den Erziehungsmassregeln - innerhalb
der Arten differenziert wird zwischen den drei Formen des Jugendarrestes
(Freizeit-, Kurz- und Dauerarrest) und bei den Auflagen jeweils die Auflage, den
Schaden wiedergutzumachen, einen Geldbetrag zu zahlen oder sich bei dem Verletzten
zu entschuldigen getrennt ausgewiesen werden, sowie - seit 1991 - die Arbeitsleistung und
die Kombination von Arbeitsleistung und Entschuldigung. Nicht ausgewiesen wird aber das
verhängte Mass, also die Dauer des Arrestes, die Höhe des zu zahlenden
Geldbetrages oder die Zahl der zu leistenden Stunden gemeinnütziger Arbeit.
- Hinsichtlich der Jugendstrafe schliesslich wird - relativ differenziert - die
Dauer der verhängten Jugendstrafe in derzeit sieben Kategorien ausgewiesen.
Wegen mehrfacher Änderung der Kategorien - seit 1954 blieben lediglich die
Kategorien "6 Monate bis einschliesslich 1 Jahr" und "mehr als 1 Jahr" unverändert -
sind freilich auch einer zeitlichen Längsschnittanalyse, die bis zum Inkrafttreten
des gegenwärtigen JGG im Jahr 1953 zurückgehen will, deutliche Grenzen gesetzt.
- Hinsichtlich der Bewährungsstrafen gilt: Erfasst wird, ob die
Verhängung der Jugendstrafe bzw. ob die Vollstreckung der Jugendstrafe zur
Bewährung ausgesetzt wurde. Ob Auflagen oder Weisungen verhängt wurden,
wird dagegen ebenso wenig erhoben wie die Art der Auflagen/Weisungen.
2.3 Grenzen der Aussagemöglichkeiten fü
Zeitreihenanalysen aufgrund - in zeitlicher oder regionaler Hinsicht - fehlender Daten
Die StA-Statistik wird erst seit 1981 auf Bundesebene veröffentlicht, erst seit
dem Berichtsjahr 1989 liegt sie für sämtliche (alten) Bundesländer
und erst seit 1995 auch für alle neuen Bundesländer vor. Diese zeitlichen und
regionalen Beschränkungen begrenzen die Auswertungsmöglichkeiten.
"Bundesergebnisse" der StA-Statistik für die Zeit zwischen 1981 und 1989 sind
mit den Unsicherheiten von "Hochrechnungen" behaftet. Da Angaben fehlten für Berlin
(1981-1984), Hessen (1981-1987) und Schleswig-Holstein (1981-1988), wurden für
die folgende Auswertung die Daten vom Verf. auf der Grundlage der Bevölkerungszahlen
und entsprechend dem Durchschnittswert der anderen Länder geschätzt und so
Zahlen für das Bundesgebiet "hochgerechnet".
Grenzen der Aussagemöglichkeiten ergeben sich des Weiteren daraus, dass sich
die veröffentlichten Daten der StVStat auf die alten Bundesländer
einschliesslich Berlin-West (seit 1995 einschliesslich Gesamtberlin) beschränken.
Deshalb ist eine auf diese veröffentlichten Daten gestützte Beschreibung der
Sanktionspraxis nur hinsichtlich der alten Bundesländer möglich.
Wegen der zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgenden Einbeziehung von
Ost-Berlin in die StA-Statistik (1993) und in die StVStat (1995) ist für diese
Jahre eine geringfügige Überschätzung der informellen Sanktionen unvermeidbar.
2.4 Folgerungen für die Zeitreihenanalyse
Trotz dieser nicht unerheblichen Einschränkung der Aussagemöglichkeiten
im Detail besitzen die Rechtspflegestatistiken gegenüber Primärdatenerhebungen
oder Aktenanalysen den unbestreitbaren Vorteil, dass sie es erlauben, die langfristige
Entwicklung der Sanktionspraxis seit 1882 hinsichtlich aller Sanktionsarten
(wenngleich nicht immer nach deren Inhalt bzw. Mass) und in regionaler
Differenzierung zumindest in groben Zügen beschreiben zu können. Seit 1981
ist es ferner möglich, auch die sog. "informellen Sanktionen" von Staatsanwaltschaft
und Gericht in ihren Grössenordnungen im zeitlichen Längsschnitt und im
regionalen Querschnitt zu beschreiben und zu analysieren. Primärdatenerhebungen
oder Aktenanalysen leiden demgegenüber unter dem regelmässig nicht
ausräumbaren Nachteil der zeitlichen oder lokalen Beschränkung, die
einer Verallgemeinerung der Befunde entgegenstehen.
Da eine vollständige Darstellung der Sanktionierungspraxis ohne
Einbeziehung der staatsanwaltschaftlichen Erledigungsentscheidungen,
insbesondere der Opportunitätsentscheidungen erfordert, können
derzeit Zeitreihen nur bis 1998 einschließlich, dem letzten Berichtsjahr
der StA-Statistik, durchgeführt werden.
3. Sanktionierungspraxis in der Bundesrepublik Deutschland -
räumlicher Bezug der Beschreibung
Wegen der regional begrenzten Verfügbarkeit der Ergebnisse insbesondere der
StVStat beziehen sich die im Folgenden mitgeteilten Ergebnisse bis 1960 auf die alten
Bundesländer (ohne Saarland und Berlin-West), ab 1961 auf die alten
Bundesländer einschliesslich Berlin-West, ab 1995 auf die alten Bundesländer
einschliesslich Gesamtberlin. Länderspezifische Auswertungen werden nur
ausnahmsweise vorgenommen und dargestellt.
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Letztes Update am 03.08.2001
Bearbeitet von: Wolfgang Heinz; Gerhard Spiess; Martina Schulz