Teilprojekte

Teilprojekt 5: Entwicklungspsychologie
Leitung: Gisela Trommsdorff
(FB Psychologie, Universität Konstanz)
Projektbearbeitung: Dipl.-Psych. Tobias Heikamp,
Dipl.-Psych. Jeanette Ziehm,
Dipl.-Psych. Anika Fäsche,
Dipl.-Psych. Ines A. Spitzner,
Dr. Antje von Suchodoletz
2006 – 2009 Entwicklungsbedingungen von Absichtlichkeit und ihrer Grenzen
2009 – 2012 Entwicklungsbedingungen von Absichtlichkeit und ihrer Grenzen: Selbstregulation im Schulalter
Projektbeschreibung

Ziel des Teilprojekts war es, aus entwicklungspsychologischer Sicht einen Beitrag zum Verständnis von Absichtlichkeit und ihren Grenzen zu leisten. Im Mittelpunkt stand die Frage nach der Entstehung von Grenzen der Absichtlichkeit und ihrer Veränderung in der Entwicklung. Absichtlichkeit wurde dabei als motiviertes und zielgerichtetes Handeln verstanden. Untersucht wurde die Bereitschaft und Fähigkeit zur Selbstregulation als Voraussetzung für die Steuerbarkeit menschlichen Handelns durch Absichten. Dies erfolgte unter besonderer Berücksichtigung emotionaler, kognitiver und verhaltensbezogener Aspekte von Selbstregulation und ihrer Funktion für die sozio-emotionale und schulische Entwicklung. Grenzen der Absichtlichkeit werden hier in entwicklungsabhängigen internen und externen Bedingungen der Selbstregulation gesehen, die durch biologische (z.B. Temperament) und erfahrungsabhängige Faktoren (z.B. Erziehung) in unterschiedlichen Entwicklungskontexten (Familie, Schule, Kultur) beeinflusst werden. Das Thema Grenzen kollektiver Absichtlichkeit weiterführend, wurden kulturvergleichende Methoden verwendet, um kulturelle Werthaltungen zu berücksichtigen, die als kollektive, generalisierte handlungsleitende Überzeugungen einen Rahmen für die Entwicklung von Selbstregulation bedeuten. Dazu wurden Kooperationsprojekte mit international ausgewiesenen Entwicklungspsychologen durchgeführt, die aufgrund der Eigenleistungen der Kooperationspartner erfolgreich waren.

  Die vorliegenden Studien ergaben, dass der Umsetzung von Zielen im Schulkontext (z.B. soziale Ziele, Leistungsziele) Grenzen gesetzt sind, wenn die Entwicklung der Bereitschaft und Fähigkeit, zielgerichtetes Verhalten mittels Selbstregulation (z. B. inhibitorische Kontrolle, Emotionsregulation, Selbstwirksamkeit) aufrecht zu erhalten, durch Personenmerkmale (z.B. Temperament) und Kontextbedingungen (z.B. Erziehung, sozio-kulturelle Normen) eingeschränkt ist. Die Beobachtung von Interaktionsverhalten in Kleingruppen von Schülern ergab positive Zusammenhänge zwischen individuellen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen und kooperativem Verhalten bei der Umsetzung kollektiver Absichten. Damit wurde die Funktion von Selbstwirksamkeitsüberzeugungen für Grenzen kollektiver Absichtlichkeit belegt. Die Sozialisation von Selbstregulation im Entwicklungsverlauf vollzieht sich zunächst in kontextspezifischen Eltern-Kind-Interaktionen. Dies bedeutet auch, dass positive Effekte von Erziehung auf die Entwicklung von Selbstregulation (z.B. Emotionsregulation) beschränkt oder nicht wirksam sind, wenn Diskrepanzen zwischen Intentionen und Verhalten der Erziehungsperson (z.B. Zurechtweisung) und den Zielen des Kindes (z.B. Suche nach Unterstützung) bestehen.

  Gemäß vorherrschenden kulturellen Werthaltungen verfolgen Erziehungspersonen Entwicklungsziele, die in kulturspezifische Erziehungsstrategien eingehen, um Kinder beim Erreichen kulturell präferierter Sozialisationsziele bei der Selbstregulation zu unterstützen. Eine erfolgreiche Bewältigung kulturspezifischer Entwicklungsaufgaben bedeutet auch, dass individuelle Ziele und Verhalten im Einklang mit kulturellen Überzeugungen stehen, die von den Mitgliedern einer Gruppe geteilt werden. Darüber hinaus ergaben unsere Untersuchungen, dass generalisierte kollektive Intentionen (Werthaltungen) auch bei der Bewertung des Handelns kollektiver Akteure (z.B. Institutionen) und ihrer Absichten relevant sind. Somit sind Grenzen individueller und kollektiver Absichtlichkeit aus entwicklungspsychologischer Sicht in der Wechselwirkung internaler und externaler Bedingungen der verschiedenen Arten von Selbstregulation zu sehen.

  Zusammenfassend hat die Arbeit in der Forschergruppe durch konzeptuell und methodisch gewinnbringende Kooperationen mit den Teilprojekten Motivationspsychologie, Kognitionspsychologie und Rechtswissenschaft zu einer Erweiterung des psychologischen Verständnisses für Entwicklungsbedingungen und -folgen von Selbstregulation geführt. Das Thema Grenzen kollektiver Absichtlichkeit hat die bisher vernachlässigte Untersuchung der Rolle sozio-kultureller Kontexte für Selbstregulation ermöglicht.