Prof. Dr. Kerstin Krieglstein, neugewählte Rektorin der Universität Konstanz. Copyright: Universitätsklinikum Freiburg
Prof. Dr. Kerstin Krieglstein, neugewählte Rektorin der Universität Konstanz.

Im Interview

„Ich finde es faszinierend, was die Universität bislang erreicht hat.“ Die designierte Rektorin der Universität Konstanz, Prof. Dr. Kerstin Krieglstein, im Interview. Sie spricht sich für eine Vielfalt an Förderformaten in der Forschung aus.

Am 3. Juli 2018 wurde Prof. Dr. Kerstin Krieglstein zur neuen Rektorin der Universität Konstanz gewählt. Sie wird damit Nachfolgerin von Prof. Dr. Ulrich Rüdiger, der als Rektor an die RWTH Aachen University wechselt. Dr. Maria Schorpp sprach mit der bisherigen Dekanin der Medizinischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg kurz nach der Wahl durch den Senat und den Universitätsrat der Universität Konstanz. Prof. Dr. Krieglstein tritt am 1. August 2018 ihr Amt an.

Frau Professorin Krieglstein, Sie sind am 3. Juli zur neuen Rektorin der Universität Konstanz gewählt worden. Wie fühlen Sie sich?

Prof. Dr. Kerstin Krieglstein: Ich bin immer noch sehr bewegt. Unmittelbar danach hat es sich angefühlt wie in einem tollen Film, der nun Wirklichkeit wird. Zu Anfang berührt es den Alltag noch nicht, ich habe wie zwischen zwei Welten gelebt – dem, was ich als Tagesablauf wahrgenommen habe, und den Gedanken an die sehr intensive Wahl-Veranstaltung kurz zuvor. Sie war sehr, sehr aufregend.

Wie hatten Sie zuvor von Freiburg aus die Universität Konstanz wahrgenommen beziehungsweise was hat Sie bewogen, sich für das Amt der Rektorin der Universität Konstanz zu bewerben?

Ich finde es faszinierend, was die Universität Konstanz bislang erreicht hat. Ich habe vor allem den Erfolg der Universität im Exzellenz-Wettbewerb wahrgenommen. Aus der Wissenschaftsperspektive waren das beeindruckende Nachrichten. Durch die Konstanzer Spitzenplätze im aktuellen Förderatlas der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) wird das hohe Leistungsniveau ja auch noch einmal bestätigt. Die bei der Exzellenzinitiative erfolgreichen Universitäten sind normalerweise groß und auch aufgrund ihrer Tradition weithin bekannt. Konstanz reüssiert als Kleinod, als Perle, als etwas ganz Besonderes.

Sie sagten bei Ihrer Vorstellung am vergangenen 18. Juni, Sie verstünden sich als Anwältin, nicht als Vormund der Universität. Was meinen Sie damit?

Ich meine damit den Führungsstil. Ein Vormund ist jemand, der von oben nach unten hierarchisch Vorgaben macht. Als Anwältin verstehe ich mich in unterstützender und vertretender Funktion. Ich möchte fördern, was an herausragenden Möglichkeiten vorhanden ist, beziehungsweise die Umstände so gestalten, dass sich herausragende Möglichkeiten entwickeln können.

Wichtige Entscheidungen in der Exzellenzstrategie stehen an. Am 27. September wird bekanntgegeben, wie viele der drei Cluster-Anträge der Universität Konstanz erfolgreich sind und ob sich die Universität in der Förderlinie Exzellenzuniversitäten bewerben kann. Wie sieht Ihre übergeordnete Strategie für die Forschung aus, unabhängig davon, wie die Entscheidung am 27. September ausfällt?

Ich gehe grundsätzlich davon aus, dass alle vier Cluster-Anträge, die initial ins Rennen gegangen sind, die derzeitige Forschungsleistung und Forschungsstärke der Universität Konstanz darstellen. An die würde ich anknüpfen wollen und sehen wollen, dass sich diese Verbünde und Themen in unterschiedlichen Förderformaten realisieren lassen. Darauf müsste man aufbauen und dann schauen, wie sich diese Verbünde weiterentwickeln und erneuern können.

Sie antworteten auf eine Frage im Senat am Wahltag im Zusammenhang mit der Grund- und Drittmittelfinanzierung, es sei gut, neben einem Standbein auch ein Spielbein zu haben. Können Sie das etwas ausführen?

Das habe ich im Zusammenhang mit der besonders hohen Drittmittelförderung der Universität Konstanz durch die DFG gesagt. Die Konsequenz davon ist, dass es weniger Förderung durch andere Quellen gibt. Die DFG ist eine qualitätsorientierte, zuverlässige Förderinstitution, die grundsätzlich für alle Themen offen ist. Man sollte aber Monokulturen vermeiden. Deshalb sollten wir signifikante Bemühungen starten, auch jenseits der DFG Förderquellen zu erschließen, auch solche, die nicht für jedes Thema und jede Forschung zugänglich sind. Wenn nur bestimmte Themen ausgelobt werden, wie etwa beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) oder bei EU-Förderungen, kann man versuchen, Themen künftig daraufhin aufzubereiten, dass sie für die Beantragung in dieser Förderung geeignet sind. Wir sollten einfach mal schauen, wo man sich auch mit Einzelthemen bewerben und möglicherweise erfolgreich sein kann. Eine Aufgabe auch für den Forschungssupport.

Einer der wichtigsten Grundpfeiler in der Lehre der Universität Konstanz ist Lehre aus Forschung. Haben Sie selbst damit Erfahrung, und auf was legen Sie in der Weiterentwicklung von Lehrformaten besonderes Gewicht?

Ich bin eine große Anhängerin des problemorientierten Lehrens. Das ermöglicht sehr viel nachhaltiges Lernen. Die Studierenden können damit auch sehr gut dazu angeleitet werden, sich selbst zu interessieren und selbst nach einer Lösung ihrer Fragen weiterzusuchen. Wenn das konsequent gemacht wird, ist das ein sehr effizientes Lehrformat. Für die Zukunft wird die Implementierung von E-Formaten in der Lehre bedeutsam sein. Da muss man gut unterscheiden, was Vorteile bringt und was lediglich Beschäftigungstherapie ist. Wir müssen die Studierenden dort abholen, wo sie sich befinden – in diesem Fall beim Smartphone. Es lässt sich didaktisch sinnvoll und vielfältig einsetzen. Damit meine ich weniger das bloße Präsentieren von Podcasts und Vorlesungsmitschrieben als vielmehr zum Beispiel Selbsttests oder E-Books, die sich beschriften lassen.

Sie sagten vor der Wahl auch, die Universität Konstanz solle sich ihre Kommunikationsfähigkeit erhalten. Was ist Ihnen in der Binnenkommunikation der Universität besonders wichtig?

Ich nehme den Ist-Zustand an der Universität Konstanz so wahr, dass man schnell Meinungen austauschen, zur Diskussion stellen und Informationen transportieren kann, ohne immer gleich formale Wege einschlagen zu müssen. Diesen schnellen Austausch finde ich wunderbar. Die kurzen Wege und der offene Campus stellen einen großen Vorteil dar. Hier in Freiburg sitze ich im zwölften Stock eines Hochhauses. Da treffe ich nicht einfach mal jemanden zum Sprechen, außer im Fahrstuhl. Der selbstverständliche Austausch von Meinungen, Stimmungen und Informationen passiert hier nicht einfach so.

Können Sie einen kurzen Abriss geben, welche Themenfelder mit Ihnen als Rektorin besonders gestärkt werden?

Das sind Themen wie Gleichstellung, Umsetzung von Vielfalt sowie die Hochschulfinanzierung über Grund- und Drittmittelfinanzierung. Digitalisierung und Datenwissenschaften sind große Themen für Forschung und Lehre. Dann die Bausanierung. Eine 50-jährige Universität hat auch 50-jährige Bausubstanzen. Da muss rechtzeitig ein Plan erstellt und die Ministerien dafür sensibilisiert werden.

Konstanz und Umgebung sind bekannt für ihren hohen Freizeitwert. Gibt es etwas, auf das Sie sich besonders freuen?

Für mich als Landratte wäre der Segelschein eine Herausforderung, der ich mich stellen möchte. Ich bin in der Vergangenheit immer sehr leicht seekrank geworden und weiß noch nicht, ob das dem entgegensteht. Wenn man den Horizont sehen kann, soll es vergehen, habe ich gehört.

Über Prof. Dr. Kerstin Krieglstein:

Kerstin Krieglstein ist seit 1. April 2014 hauptamtliche Dekanin der Medizinischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Zuvor hatte sie an der Universität Freiburg die Professur für Anatomie inne, leitete die Abteilung für Molekulare Embryologie und war als Prodekanin für Struktur, Forschung und Entwicklung der Fakultät für Medizin tätig. Von 2001 bis 2007 war sie zudem an der Universität Göttingen Professorin und Leiterin der Abteilung für Neuroanatomie im Bereich Humanmedizin, von 1999 bis 2001 hatte sie die Professur für Anatomie an der Universität des Saarlandes inne.

Kerstin Krieglstein studierte von 1982 bis 1987 Chemie und Pharmazie an der Philipps-Universität Marburg sowie an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). 1990 wurde sie an der Philipps-Universität Marburg promoviert, 1997 folgte die Habilitation im Bereich Anatomie und Zellbiologie an der Universität Heidelberg. 1998 wurde sie mit einem Heisenberg-Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ausgezeichnet.

Für ihre Verdienste in Forschung und Lehre erhielt sie unter anderem den Wolfgang-Bargmann-Preis der Anatomischen Gesellschaft sowie den Lehrpreis für innovative Verbesserungen in Staatsexamensstudiengängen (Instructional Development Award, IDA). Kerstin Krieglstein ist Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und langjähriges Mitglied in Gremien der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Alexander von Humboldt-Stiftung, der Helmholtz-Gemeinschaft, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) sowie des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) Baden-Württemberg (Konferenz der Dekane).