Der Ertrag an katalytischen Materialien ist hochskalierbar. Bereits im Labor arbeiten die Forschenden im Multigramm-Maßstab. Copyright: Zongkun Chen

Zweidimensionale Nanopartikel mit großem Potenzial

Wie Katalysatoren und viele andere Nanoplättchen umweltfreundlich aus gut zugänglichen Stoffen und in ausreichenden Mengen hergestellt werden können, beschreibt erstmals ein deutsch-chinesisches Forschungsteam mit Beteiligung der Universität Konstanz.

Wasserstoff gilt als umweltfreundliche Alternative zu konventionellen fossilen Energieträgern. Für seine katalytische Produktion wie beispielsweise über elektrolytische Wasserspaltung werden bislang teure und seltene Substanzen wie Platin benötigt. Besser verfügbare Katalysatoren könnten ermöglichen, dass Wasserstoff zukünftig in großer Menge hergestellt werden kann. Helmut Cölfen und Peter Nielaba mit ihren Arbeitsgruppen für Physikalische Chemie bzw. Statistical and Computational Physics an der Universität Konstanz haben gemeinsam mit Forschenden der Ocean University of China, Qingdao (China), und dem Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin, ein allgemeines Verfahren entwickelt, um zweidimensionale Nanopartikel aus gut zugänglichen Stoffen herzustellen. Zweidimensionale Nanopartikel haben ein hohes katalytisches Potenzial, weswegen dieser Syntheseweg geeignet ist, besonders aktive Katalysatoren herzustellen.

Das entsprechende Syntheseverfahren erfolgt in einer einfachen wässrigen Lösung ohne toxische Zusatzstoffe oder den energetisch ungünstigen Einsatz besonders hoher Temperaturen. Der Prozess wird durch einfache Variation der Konzentration der Bausteine und durch Temperaturregulation gesteuert. Dem Forschungsteam ist es gelungen, mit diesem Verfahren, das nun erstmals im Wissenschaftsjournal „Nature Synthesis“ beschrieben ist, mehr als 30 verschiedene Verbindungen in zweidimensionale Gestalt zu bringen.

Der Vorteil zweidimensionaler Nanopartikel
Zweidimensionale (2D) Nanopartikel besitzen besonders viele Oberflächenatome, die andere Eigenschaften aufweisen als Atome innerhalb eines Partikels. Die Oberflächenatome haben nicht-abgesättigte Bindungen, da an der Oberfläche die unmittelbaren Nachbaratome fehlen, zu denen im Inneren des Partikels Bindungen ausgebildet werden. Dies führt zur Oberflächen- oder Grenzflächenspannung. Da dieser nicht-abgesättigte Zustand für das Gesamtsystem Energie kostet, versuchen Nanopartikel sich zusammenzulagern, um so die Bindungen abzusättigen und die Oberfläche zu minimieren.

Bleiben die Oberflächenbindungen aber nicht abgesättigt, so resultiert eine erhöhte chemische Reaktivität. Besonders hoch ist die Zahl der ungesättigten Bindungen bei den zweidimensionalen Nanopartikeln, weil sie nicht nur oben und unten, sondern auch an den Seiten und Kanten ungesättigte Bindungen aufweisen. Das macht sie für die Katalyse, die in der Chemie eine große Rolle spielt, besonders interessant. Allerdings sind die Nanokristalle, die dafür benötigt werden, wegen des ungünstigen Energiezustands an der Oberfläche schwer herstellbar.

Zweidimensionale Nanopartikel sind anisotrop, ihre Eigenschaften hängen von der Ausrichtung ihrer Bausteine ab. Das Kristallgitter der Partikel ist dabei entscheidend für ihre Wachstumsrichtung. Haben die Nanopartikel ein geschichtetes Kristallgitter wie beim Ton, wachsen die Partikel zweidimensional. Materialien jedoch, die für die Katalyse günstig sind, nehmen die zweidimensionale Gestalt selten von sich aus ein. Wenn das Kristallgitter vorgibt, dass der Kristall entlang zweier Kristallachsen schnell wächst, lassen sich leicht zweidimensionale Nanopartikel synthetisieren. Dann sind nur wenige molekulare Bausteine in der Lösung notwendig, um die Nanopartikel zweidimensional wachsen zu lassen. Wachsen die Kristalle in andere Richtungen genauso schnell oder nur geringfügig langsamer, nehmen die Kristalle eine dreidimensionale Gestalt an.

Wie die Nanopartikel zweidimensional wachsen
Das Forschungsteam hat herausgefunden, wie sich dieser Vorgang durch die Konzentration der molekularen Bausteine in der Lösung manipulieren lässt: Wird die Konzentration der Bausteine erhöht, kommt das Prinzip „was schnell wächst, verbraucht auch mehr Material“ zum Zug: Der Abstand zwischen den schnell wachsenden und den weniger schnell wachsenden Kristallachsen wird größer und bewirkt, dass die Partikel eine zweidimensionale Gestalt annehmen.

Die Methode, die Bausteinkonzentration zu erhöhen, funktioniert nicht, wenn die Wachstumsgeschwindigkeit entlang verschiedener relevanter Kristallachsen ungefähr gleich ist. Für diesen Fall nutzen die Forschenden einen weiteren Parameter. Die Wachstumsgeschwindigkeit von Kristallflächen hängt exponentiell von der Temperatur ab. Wird die Temperatur der Lösung auch nur um wenige Grad verändert, verstärkt sich der Unterschied der Wachstumsgeschwindigkeit zwischen der langsam und der schnell wachsenden Kristallfläche. Die Nanopartikel wachsen dann zweidimensional.

Verfahren funktioniert bei über 30 Elementen des Periodensystems
Dieses allgemeine Verfahren funktioniert bei vielen Materialien. Im Periodensystem konnte das deutsch-chinesische Forschungsteam in sehr vielen Gruppen Metalle identifizieren, insgesamt über 30, die die zweidimensionale Gestalt als Oxide oder Hydroxide, aber auch Säuren, Sulfide, Oxychloride und Phosphate annehmen. Der Vorteil dieses erstmal beschriebenen allgemeinen Zugangs: Die Materialien werden in den meisten Fällen bei Raumtemperatur in Wasser produziert – ohne toxische Lösungsmittel oder hohen Temperatureinsatz.

Der Ertrag an katalytischen Materialien ist zudem hochskalierbar. Bereits im Labor arbeiten die Forschenden im Multigramm-Maßstab. Um Katalysatoren in großen Mengen und mit gut zugänglichen Stoffen herzustellen, wird lediglich ein abgeschlossenes Gefäß benötigt – anstatt spezieller Apparaturen wie Druckkessel.

Experimente bestätigen Theorie
Die experimentelle Studie zeigt auch, wie theoretisches Wissen in Praxis umgesetzt werden kann. Die Experimente bestätigen theoretische Simulationen, die von der Arbeitsgruppe von Peter Nielaba in einem gemeinsamen Projekt mit der Arbeitsgruppe Cölfen im Sonderforschungsbereich 1214 „Anisotropic Particles as Building Blocks: Tailoring Shape, Interactions and Structures“ der Universität Konstanz berechnet wurden. Der Physiker hatte bereits Variationen bei der Konzentration der Bauelemente und der Temperatur berücksichtigt. „Was berechnet wurde und was wir experimentell gefunden haben, hat sich vollständig gedeckt“, kommt Helmut Cölfen zum Schluss.

Faktenübersicht:

  • Originalpublikation: Zongkun Chen, Ralf Schmid, Xingkun Wang, Mengqi Fu, Zhongkang Han, Qiqi Fan, Elke Scheer, Minghua Huang, Peter Nielaba & Helmut Cölfen: Growth strategy for solution-phase growth of two-dimensional nanomaterials via a unified model. Nature Synthesis, 30. März 2023. DOI: https://doi.org/10.1038/s44160-023-00281-y
  • Deutsch-chinesisches Forschungsteam mit Beteiligung der Arbeitsgruppe für Physikalische Chemie von Prof. Dr. Helmut Cölfen beschreibt, wie zweidimensionale Nanokristalle umweltfreundlich aus gut zugänglichen Stoffen und in ausreichenden Mengen hergestellt werden können.
  • Das Syntheseverfahren erfolgt bei Raumtemperatur in einer einfachen wässrigen Lösung ohne toxische Zusatzstoffe oder den energetisch ungünstigen Einsatz besonders hoher Temperaturen.
  • Die Ergebnisse der experimentellen Studie wurden bereits von Prof. Dr. Peter Nielaba im Rahmen des Sonderforschungsbereichs „Anisotropic Particles as Building Blocks: Tailoring Shape, Interactions and Structures“ der Universität Konstanz und in Zusammenarbeit mit den Experimenten in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Helmut Cölfen berechnet.
  • Gefördert u. a. durch Mittel des SFB 1214 und des Deutsch-Chinesischen Zentrums für Wissenschaftsförderung.