Willkommen und Abschiebung

„Foyer Forschung“ diskutiert Abschiebung aus rechtlicher, politischer und gesellschaftlicher Perspektive.

So bewegend wie polarisierend ist das Thema, dem sich das „Foyer Forschung“ am 21. April 2016 um 20 Uhr widmet: „Abschiebung. Bewegt Menschen“. Der Exzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“ der Universität Konstanz lädt dazu in das Foyer der Spiegelhalle des Konstanzer Theaters ein. Auf dem Podium diskutieren die Ethnologin Dr. Heike Drotbohm von der Universität Freiburg, die Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Sieglinde Rosenberger von der Universität Wien und der Jurist Prof. Dr. Daniel Thym, Ko-Direktor des Forschungszentrums Ausländer- und Asylrecht an der Universität Konstanz.

An den europäischen Außengrenzen werden im Zusammenhang mit dem EU-Türkei-Pakt künftig wiederholt Abschiebungen durchgeführt werden. Aber auch in Deutschland wurden, etwa nach der Silvesternacht in Köln, Forderungen nach mehr und konsequenter Abschiebung wieder lauter. In vielen Fällen jedoch ist Abschiebung humanitär fragwürdig, rechtlich anfechtbar oder praktisch nicht durchführbar, unter anderem, weil das Herkunftsland nicht als sicher gilt oder weil die Betroffenen keine gültigen Identifikationspapiere haben. Das „Foyer Forschung“ beleuchtet Abschiebung aus unterschiedlichen Perspektiven: Lassen sich durch Abschiebung Integrationsprobleme lösen? Wie sieht die Rechtslage aus? Was erwartet die Abgeschobenen in ihren Herkunftsgesellschaften?

„Angesichts der Flüchtlingszuwanderung steigt die Bedeutung von ‚deportation nations‘, also abschiebenden Staaten, wieder“, erklärt Sieglinde Rosenberger. „Unter bestimmten Bedingungen findet sich aber eine Koalition aus Betroffenen, Bürgerinnen und Bürgern sowie juristischen Netzwerken, die gegen die Umsetzung dieser Zwangsmaßnahme protestiert.“ Im „Foyer Forschung“ legt die Politologin dar, wer welche Forderungen stellt und welche Folgen solche Proteste haben. Sie vergleicht dabei Anti-Abschiebeproteste in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Dabei sind restriktive Maßnahmen notwendiger Bestandteil jeder Migrationspolitik, die keine universale Reisefreiheit zulässt, worauf Daniel Thym hinweist: „Die Gesellschaft befindet sich hier in einer teils paradoxen Situation: Einerseits möchte sie die Migration steuern und andererseits kann sie die Umsetzung eben dieses Ziels moralisch schwer akzeptieren, wenn eine Abschiebung von den Behörden und Gerichten auf ihre Übereinstimmung mit den Menschenrechten geprüft wurde.“

Heike Drotbohm geht auf die Herkunftsgesellschaften ein, in die abgeschobene Migrantinnen und Migranten unfreiwillig – und unvorbereitet – zurückkehren. Wie nehmen sie die Rückkehrenden wieder auf? Häufig wird die Abschiebung als persönliches Scheitern interpretiert und die Betroffenen finden sich sozial isoliert wieder, was große Belastungen für ihre Familien und die Herkunftsgesellschaft insgesamt bedeutet. „Die Interessen der abschiebenden Gesellschaften müssen mit denen der aufnehmenden Herkunftsgesellschaften zusammen gedacht werden“, fordert die Ethnologin. „Denn die Rückkehr gelingt nur, wenn sie im Sinne der Nachhaltigkeit sozial, ökonomisch und politisch begleitet wird.“

Einblicke aus der Praxis ergänzen in der anschließenden Podiumsdiskussion Sonja Zemmin, die am Empfangs- und Verfahrenszentrum (EVZ) in Kreuzlingen Rückkehrberatung durchführt, sowie Mehdi Moradpour, der aus Iran stammende Autor des am Theater Konstanz aufgeführten Stücks „Mumien. Ein Heimspiel“.

Im „Foyer Forschung“ bringen der Exzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“ und das Kulturwissenschaftliche Kolleg Konstanz öffentlich brisante Wissenschaftsthemen in ein städtisches Forum. Der Eintritt zu der Veranstaltung, die in Kooperation mit dem Stadttheater im Foyer der Spiegelhalle (Hafenstraße 12, Konstanz) stattfindet, ist frei.