Vom Wert des Nicht-Wissens

Presseinformation Nr. 7 vom 26. Januar 2012

„Im Gespräch“ mit Dr. Marcus Twellmann

Unsere Gesellschaft setzt auf Wissen. Ausgerechnet dem Nicht-Wissen geht das Exzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“ mit seinem neuen Forschungsschwerpunkt auf den Grund. Dr. Marcus Twellmann ist zuständiger wissenschaftlicher Koordinator der Forschungsstelle „Kulturtheorie und Theorie des politischen Imaginären“ am Exzellenzcluster. Der Literaturwissenschaftler äußert sich in dem unter www.uni-konstanz.de/imgespraech nachzulesenden Interview zum Thema „Nicht-Wissen“.

Die Forschung des Kulturwissenschaftlichen Kollegs basiert weniger auf einem philosophisch idealisierten Begriff des Wissens als vielmehr auf dem, was in einer Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit als Wissen gilt.  Marcus Twellmann erklärt das Forschungsinteresse des Kollegs: „Wir gehen davon aus, dass Wissen kulturell ‚situiert’ ist und beschreiben unterschiedliche ‚Geltungskulturen’. Dabei ist eine Gleichsetzung von Wissen und Wahrheit zu vermeiden.“ So könne man auch Nicht-Wissen und Irrtum unterscheiden. „Das ermöglicht eine Beobachtung anderer Kulturen und Epochen auf Augenhöhe“, sagt der Wissenschaftler. „Anderen, die sich aus unserer Sicht im Irrtum befinden, weil sie zum Beispiel glauben, in den Eingeweiden eines Tieres sei die Zukunft zu lesen, kann dann zugestanden werden, dass sie durchaus über ein Wissen verfügen, das sie für wahr und begründet halten.“

Auch die Halbwertzeit unserer eigenen Wissensbestände und -praktiken schätzen wir nach Einschätzung von Marcus Twellmann zunehmend vorsichtiger ein. „Heute glauben wir noch, die Entwicklung eines Wertpapiers aufgrund einer grafischen Darstellung des Kursverlaufs voraussagen zu können, morgen schütteln wir darüber vielleicht schon den Kopf.“