Oxalis pes-caprae oder Nickender Sauerklee stammt eigentlich aus Südafrika und wurde als Bienenpflanze (zur Honigproduktion) sowie für dekorative Zwecke in anderen Regionen eingeführt. Der Sauerklee ist mittlerweile vielfach anderswo heimisch geworden, wie zum Beispiel hier auf Kreta (Griechenland). Bild: Mark van Kleunen

Fremde Nutzpflanzen fassen leichter Fuß

Ein internationales Wissenschaftsteam unter der Leitung des Konstanzer Ökologen Prof. Dr. Mark van Kleunen zeigt in einer weltweiten Studie zum Einwanderungserfolg von Nutzpflanzen, dass wirtschaftliche Nutzung im Allgemeinen sowie Umfang und Art der wirtschaftlichen Nutzung sich entscheidend auf die Etablierung gebietsfremder Pflanzen in der freien Natur auswirken.

Seit tausenden von Jahren kultivieren Menschen Pflanzen außerhalb ihrer natürlichen Verbreitungsgebiete. Durch die zunehmende globale Vernetzung in den vergangenen fünfhundert Jahren hat auch der Anbau nicht-heimischer Pflanzen zur wirtschaftlichen Nutzung zugenommen – zum Beispiel als Nahrung, für dekorative oder medizinische Zwecke. Zum ersten Mal hat nun ein Forschungsteam unter der Leitung des Ökologen Prof. Dr. Mark van Kleunen von der Universität Konstanz eine wissenschaftliche Analyse erstellt, die weltweit den Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Nutzung gebietsfremder Pflanzen und deren Ausbreitungserfolg (ihrer Ansiedlung in der freien Natur) untersucht.

Kultivierung befeuert die Ausbreitung gebietsfremder Arten
Das internationale Team aus Biologinnen und Biologen der Universität Konstanz, der Taizhou Universität und der Fudan Universität (beide in China), der Universität Wien, der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik, der Universität von Durham und der Georg-August-Universität Göttingen analysierte dazu einen globalen Datensatz zu 11.685 Nutzpflanzenarten (World Economic Plants Database) in Kombination mit einem weltweiten Datensatz von 12.013 eingewanderten Pflanzenarten (Global Naturalized Alien Flora Database).

Die Ergebnisse dieser Studie, die in Nature Communications veröffentlicht wurden, deuten darauf hin, dass die Kultivierung von Nutzpflanzen weltweit der Hauptgrund für die Etablierung nicht-heimischer Pflanzen ist.

Nutzpflanzen siedeln sich leichter an
„Als Ökologe interessiere ich mich vorrangig dafür, welche Faktoren zum Erfolg von Pflanzenarten, insbesondere gebietsfremder Arten, beitragen“, sagt Mark van Kleunen, Erstautor der Studie. „Viele aktuelle Studien untersuchen die Verbreitung dieser Arten, um zu verstehen, warum sie sich in Gegenden ansiedeln können, die weit jenseits ihrer natürlichen Verbreitungsgebiete liegen. Dabei wird aber oft nicht berücksichtigt, wie und warum diese Pflanzen ursprünglich eingeschleppt wurden.“

Die Ergebnisse der Studie bestätigen einen direkten Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Nutzung und Einwanderungserfolg: So werden Nutzpflanzen 18 Mal häufiger heimisch als Arten, die nicht wirtschaftlich genutzt werden, wobei die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Ansiedlung bei Pflanzen mit mehrfacher wirtschaftlicher Verwendung am höchsten ist. Über 50 Prozent der Arten, die als dekorative Gartenpflanzen oder für die Futtermittelproduktion genutzt werden und damit zu den meistkultivierten Pflanzen überhaupt zählen, sind irgendwo auf der Erde heimisch geworden.

Pflanzen aus der nördlichen Hemisphäre am erfolgreichsten
Vergangene Studien haben gezeigt, dass die Kontinente der nördlichen Hemisphäre, besonders Europa, zu den größten Spendern eingewanderter Arten gehören. „Das ist einfach darauf zurückzuführen, dass mehr Pflanzenarten aus der nördlichen Hemisphäre für wirtschaftliche Zwecke in anderen Regionen angebaut wurden“, erklärt Dr. Trevor Fristoe, Co-Autor der Studie und Mitarbeiter in Mark van Kleunens Arbeitsgruppe an der Universität Konstanz. „Es liegt nicht etwa daran, dass diese Pflanzen irgendwie überlegen sind oder eine natürliche Fähigkeit zur Ansiedlung außerhalb ihres normalen Verbreitungsgebiets haben.“ Den größten Einwanderungserfolg bescheinigt die Studie Nutzpflanzen aus dem asiatischen Raum.

Selektion von Nutzpflanzen steuert phylogenetische Einwanderungsmuster
Die Studie zeigt weiter, dass phylogenetische Muster bei eingewanderten Pflanzen zum Teil darauf zurückzuführen sind, welche Pflanzen kultiviert werden. Eingewanderte Arten kommen in einigen Familien der weltweiten Samenpflanzenflora weitaus häufiger vor als in anderen. Bislang wurden diese Muster gemeinsamen Merkmalen nahe verwandter Arten zugeschrieben, die den Ansiedlungserfolg erhöhen. Die neuen Erkenntnisse von van Kleunen et al. werfen hingegen die Möglichkeit auf, dass diese Muster auf einen phylogenetischen Bias bei den Arten zurückzuführen sind, die aufgrund ihres wirtschaftlichen Nutzens ausgewählt und kultiviert wurden.
 

Faktenübersicht:

  • Wegweisende globale Studie zur Einwanderung von Pflanzen unter der Leitung des Konstanzer Ökologen Prof. Dr. Mark van Kleunen zeigt, dass die wirtschaftliche Nutzung von Pflanzen weltweit eine entscheidende Rolle bei der Einführung und Etablierung von gebietsfremden Arten spielt.
  • Analyse von globalen Datensätzen zu 11.685 Nutzpflanzenarten und 12.013 eingewanderten Pflanzenarten zeigt, dass Nutzpflanzen 18 Mal häufiger heimisch werden als Arten, die keinen wirtschaftlichen Nutzen haben.
  • Originalveröffentlichung: Mark van Kleunen, Xinyi Xu, Qiang Yang, Noëlie Maurel, Zhijie Zhang, Wayne Dawson, Franz Essl, Holger Kreft, Jan Pergl, Petr Pyšek, Patrick Weigelt, Dietmar Moser, Bernd Lenzner and Trevor S. Fristoe, Economic use of plants is key to their naturalization success, Nature Communications, 24. Juni 2020. URL: https://doi.org/10.1038/s41467-020-16982-3
  • Pflanzen mit mehreren wirtschaftlichen Anwendungsgebieten siedeln sich am ehesten in fremden Regionen an, wobei Nutzpflanzen aus Asien den größten Ansiedlungserfolg haben.
  • Die phylogenetische Verteilung von eingewanderten Pflanzen ist zumindest teilweise auf einen phylogenetischen Bias bei Nutzpflanzen zurückzuführen.