Immunfluoreszenz-Mikroskopie von Gewebeschnitten einer normalen Haut (A) und einer Haut (B), in welcher das Glukokortikoid-produzierende Enzym 11β-Hydroxylase in Hautzellen (Keratinozyten) fehlt. Die Abwesenheit der Glukokortikoide führt zur Infiltration von Entzündungszellen (rot) und einer spontanen Hautentzündung. Bild: Truong San Phan, Universität Konstanz.

Immunsystem unter Eigenkontrolle

Eine Dissertation in der Arbeitsgruppe Biochemische Pharmakologie der Universität Konstanz weist nach: Die Haut sorgt mit der Eigenproduktion entzündungshemmender Glukokortikoide selbst für ihre Gesundheit

Zu viel des Guten kann schädlich sein, auch im Immunsystem des Menschen: Wenn Immunantworten überborden, können sie zu Entzündungen führen und großen Schaden im betroffenen Gewebe verursachen. Glukokortikoide sind Stresshormone, die dafür sorgen, dass eine Immunantwort nicht außer Kontrolle gerät. Sie werden hauptsächlich von der Nebenniere produziert und durch die Blutzirkulation im Körper verteilt. Tatsächlich werden sie jedoch auch in Epithelgewebe hergestellt, welches alle inneren und äußeren Körperoberflächen bedeckt. In seiner Dissertation weist Truong San Phan für die Haut nach, dass diese aufgrund des Enzyms 11-beta-Hydroxylase selbst Glukokortikoide herstellen kann. Der Doktorand in der Arbeitsgruppe Biochemische Pharmakologie von Prof. Dr. Thomas Brunner an der Universität Konstanz liefert damit einen wichtigen Baustein für künftige Therapieformen von Hautkrankheiten wie atopische Dermatitis und Psoriasis (Schuppenflechte). Die Ergebnisse sind in der Ausgabe von Science Advances vom 29. Januar 2021 nachzulesen.

Epithelgewebe spielt eine wichtige Rolle beim Austausch von Nährstoffen, Gasen und anderen Signalen zwischen dem menschlichen Körper und der Außenwelt. Es schützt aber auch vor dem Eindringen potenzieller Krankheitserreger. Defektes Epithelgewebe ist Grundlage für verschiedene entzündliche Erkrankungen, in welchen Glukokortikoide mit großem Erfolg als entzündungshemmende Medikamente eingesetzt werden. Thomas Brunner konnte in der Vergangenheit mit seiner Arbeitsgruppe jeweils als Erster nachweisen, dass Glukokortikoide auch im Schleimhautepithel des Darms und im Atemwegsepithel der Lunge hergestellt – synthetisiert – werden. Dort sorgen sie dafür, dass Immunantworten nicht außer Kontrolle geraten und zu entzündlichen Krankheiten wie beispielsweise Morbus Crohn oder Asthma führen. Wie die beiden inneren Organe hat auch die Haut über das Plattenepithel Kontakt mit der Außenwelt und ist unter anderem in hohem Maß Bakterien ausgesetzt.

Zusammenhang des Enzyms mit entzündungshemmender Wirkung
Alle drei Epithelien verfügen über ein eigenes komplexes Immunsystem, welches darauf ausgelegt ist, den Körper vor Krankheitserregern zu schützen. Zu viel des Guten kann jedoch schädlich sein, und hier spielt die lokale Synthese von Glukortikoiden eine wichtige Rolle. Dass für die Bildung dieser Stresshormone das Enzyms 11-beta-Hydroxylase eine zentrale Rolle spielt, war bereits bekannt. Ob es aber durch die Synthese der Glukokortikoide auch bei der Regulation von Entzündungsprozessen mitwirkt, war zuvor noch nicht nachgewiesen worden. Truong San Phan konnte anhand von Hautproben zunächst zeigen, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Vorhandensein des Enzyms 11-beta-Hydroxylase und der Erkrankung der Haut. Wird eine Entzündung verursacht, werden vor Ort Glukokortikoide produziert. Die Entzündung geht zurück.

In der Haut von Patienten mit atopischer Dermatitis und Psoriasis ist das Enzym dagegen so gut wie nicht vorhanden. „Die Frage, ob die Hauterkrankung entstanden ist, weil das Enzym fehlt, oder ob es als Begleiteffekt dieser Hauterkrankung fehlt, lässt sich nur genetisch beantworten“, formuliert Truong San Phan die Problemstellung. Der Doktorand hat darum ein Mausmodell entwickelt, in dem das Enzym 11-beta-Hydroxylase in den Keratinozyten, den wichtigsten Zellen der Haut, gezielt ausgeschaltet werden konnte. Tatsächlich entzündete sich die Haut an Ohr und Rücken, somit an den Stellen, für die die Produktion des Enzyms inaktiviert wurde. „Damit ist die lokale Umgebung der Haut nicht mehr fähig, bioaktive immunregulatorische Glukokortikoide herzustellen“, so Thomas Brunner. Und damit war auch klar: „Die Haut produziert das Enzym und die entzündungshemmenden Glukokortikoide selbst“, so Truong San Phan.

Was passiert, wenn das Enzym fehlt
Am Mausmodell mit dem deaktivierten Gen ist deutlich zu erkennen, was passiert, wenn das Enzym fehlt: In der betroffenen Haut wimmelt es von Entzündungszellen. Wenn sie verletzt wird, öffnet sich eine Eintrittspforte für Bakterien. Die Immunzellen erkennen die Bakterien, fressen sie entweder auf oder wandern in die Lymphknoten, wo sie eine spezifische Immunantwort auslösen. Werden die immunregulatorischen Glukokortikoide aufgrund des fehlenden Enzyms nicht mehr hergestellt, führt dies zu unkontrollierten Entzündungsreaktionen. Wie die Studie nachweisen kann, gilt dies sowohl für spontane Entzündungen in der Maus als auch für Entzündungsreaktionen wie der Schuppenflechte.

„Wir denken, dass wir mit dieser Studie auch wichtige neue Erkenntnisse zum Verständnis dessen beitragen, was diese Entzündungsreaktionen verhindert“, so Thomas Brunner. Insbesondere gilt es, die Botenstoffe zu identifizieren, die die Her-stellung der Glukokortikoide veranlassen. „Wenn wir verstehen, was die Glukorotikoidsynthese in der Haut auslöst, können wir schauen, ob diese Prozesse auch in Patienten mit atopischer Dermatitis und Psoriasis stattfinden oder nicht“, so Thomas Brunner. Falls nicht, wären Therapien denkbar, die bewirken, dass diese endogene Glukokortikoid-Synthese mit ihrem eigenen Regulationsmechanismus wieder von selbst ausgelöst wird. Das Ziel ist, den Normalzustand wiederherzustellen.

Faktenübersicht:

  • Originalpublikation: Truong San Phan, Leonhard Schink, Jasmin Mann, Verena M. Merk, Pascale Zwicky, Sarah Mundt, Dagmar Simon, Dagmar Kulms, Susanne Abraham, Daniel F. Legler, Mario Noti, Thomas Brunner: Keratinocytes control skin immune homeostasis through de novosynthesized glucocorticoids, Science Advances, 29. Januar 2021. DOI: 10.1126/sciadv.abe0337
  • Dissertation von Truong San Phan weist nach, dass das Enzyms 11-beta-Hydroxylase die Synthese der entzündungshemmenden Glukokortikoide ermöglicht
  • Entstanden in der Arbeitsgruppe Biochemische Pharmakologie von Prof. Dr. Thomas Brunner
  • Dieses Forschungsprojekt wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft mit rund 260.000 Euro gefördert.