Die vielen Facetten von Handlung

Der Philosoph Prof. Dr. Thomas Müller wird mit seiner Forschung an der Schnittstelle zwischen theoretischer und praktischer Philosophie zum Wirken der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina beitragen

Zurzeit vollzieht sich eine technische Entwicklung, die zu Artefakten wie autonomen Fahrzeugen führt, denen eine gewisse Handlungsfähigkeit zugeschrieben werden wird. Was aber bedeutet Handlung in diesem Fall? Den Handlungsbegriff in seinen vielen Facetten und in seinen begrifflichen Implikationen genau zu verstehen gehört zu einem der Forschungsschwerpunkte von Prof. Dr. Thomas Müller. Der Wissenschaftler hat seit 2013 die Professur für Philosophie unter besonderer Berücksichtigung der Theoretischen Philosophie an der Universität Konstanz inne. Für seine Forschung wurde er nun in die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina aufgenommen, deren Aufgabe unter anderem die wissenschaftsbasierte Beratung von Politik und Öffentlichkeit ist.

Welche Systeme – biologische oder künstliche – können überhaupt handeln, und wie können sie durch ihr Handeln einen kausalen Einfluss in der Welt ausüben? Wie unterscheidet sich Handeln von bloßer Verursachung? Und wie können wir Menschen die Besonderheit unseres wissenschaftlichen Handelns verstehen, durch das wir uns die Welt auf eine nicht alltägliche Weise erschließen? Auch wissenschaftliches Forschen, insbesondere das Experimentieren, beruht schließlich auf menschlichem Handeln. Dieses Themenfeld verbindet der Philosoph mit der Frage einer angemessenen Interpretation der Quantenmechanik.

Neben dem Begriff der Handlung und seiner Modellierung forscht Thomas Müller zur Wissenschaftstheorie, zu Fragen der Logik und zu Fragen der Metaphysik, dort insbesondere zur Philosophie der Zeit und zum Determinismus. Er arbeitet vor allem an der formalen Modellierung philosophischer Grundbegriffe an der Schnittstelle zwischen theoretischer und praktischer Philosophie. Viele seiner Arbeiten beruhen auf interdisziplinären Kooperationen und verbinden Fragestellungen aus der Philosophie zum Beispiel mit Ansätzen aus der Physik oder aus der Linguistik.

Zu Thomas Müller
Thomas Müller studierte Physik, Mathematik und Philosophie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, wo er 2001 auch promoviert wurde. Er habilitierte sich 2008 an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Von 2007 bis zu seiner Professur an der Universität Konstanz hatte er eine Dozenten-Stelle an der Universität Utrecht, Niederlande inne. Im Jahr 2011 erhielt er einen renommierten ERC Starting Grant durch den European Research Council (ERC), von 2015 bis 2018 wurde er an der Universität Konstanz im Rahmen der Forschungsgruppe „Was wäre wenn? Zur Bedeutung, Epistemologie und wissenschaftlichen Relevanz von kontrafaktischen Aussagen und Gedankenexperimenten“ durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Aktuell leitet er das DFG-Projekt „Verschiedene Arten von Konditionalen: Münzwürfe und Kängurus im Wald der alternativen Möglichkeiten“ sowie, zusammen mit dem Physiker Prof. Dr. Hans J. Briegel, das von der VolkswagenStiftung geförderte Projekt „The future of creativity in basic research“.

Zur Leopoldina
Als Nationale Akademie der Wissenschaften leistet die Leopoldina unabhängige wissenschaftsbasierte Politikberatung zu gesellschaftlich relevanten Fragen. Dazu erarbeitet die Akademie interdisziplinäre Stellungnahmen auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse. Die Leopoldina vertritt die deutsche Wissenschaft in internationalen Gremien. Ihre Mitglieder kommen aus mehr als 30 Ländern und vereinigen Expertise aus nahezu allen Forschungsbereichen. Die Leopoldina wurde 1652 gegründet und 2008 zur Nationalen Akademie der Wissenschaften Deutschlands ernannt. Sie ist als unabhängige Wissenschaftsakademie dem Gemeinwohl verpflichtet.