Paramecium ohne Symbiont (links) und Paramecium nach der Aufnahme eines Symbionten (rechts). Bild: Arbeitsgruppe Prof. Dr. Lutz Becks

Dem Ursprung der Symbiose auf der Spur

Der Limnologe Lutz Becks von der Universität Konstanz erhält Förderung von der Gordon and Betty Moore Foundation für ein Forschungsprojekt, das neue Erkenntnisse dazu liefern wird, warum und auf welche Weise sich Individuen zweier Arten zu einer einzigen Lebensform entwickeln.

Lutz Becks ist Professor für Limnologie am Fachbereich Biologie der Universität Konstanz und leitet das Limnologische Institut der Universität. Nun erhält er etwa 1,8 Millionen Euro von der Gordon and Betty Moore Foundation, um die genetischen und zellulären Mechanismen der Symbiose zu erforschen. Sein auf fünf Jahre ausgelegtes Forschungsprojekt mit dem Titel „Will you kindly cooperate?“ wird im Rahmen des Investigator-Programms der „Symbiosis in Aquatic Systems Initiative“ gefördert, die 2019 von der Gordon and Betty Moore Foundation ins Leben gerufen wurde. Die mit insgesamt 140 Millionen US-Dollar (etwa 130 Millionen Euro) ausgestattete Initiative erforscht die Funktionsweise und die Entwicklung von Symbiosen zwischen Mikroorganismen in Salz- und Süßwasserökosystemen.

Warum gehen zwei Individuen eine symbiotische Beziehung ein?

Mit dem Begriff Symbiose im weitesten Sinn wird das Zusammenleben von Lebensformen bezeichnet, die zwei unterschiedlichen Arten angehören, deren Überleben und Reproduktion aber von der gegenseitigen Interaktion abhängt. „Symbiosen haben die Entwicklung des Lebens und der Diversität auf der Erde entscheidend geprägt“, sagt Becks. „Das gilt für Pflanzen ebenso wie für die Mitochondrien in der menschlichen Zelle. Wir sprechen hier also von sehr grundlegenden Mechanismen des Lebens“. Er wird nicht nur untersuchen, aus welchen Gründen sich zwei Individuen zu einem Organismus zusammenschließen, sondern auch der Frage nachgehen, welche Umweltbedingungen die Bildung von symbiotischen Lebensformen begünstigen oder erschweren.

„Es gibt mindestens zwei Ideen dazu, warum Symbiosen entstehen: Eine Idee lautet, dass beide Partner von Anfang an davon profitieren. Eine andere Idee ist, dass ein Partner den anderen ausnutzt und langfristig an sich bindet“, erklärt Becks. Bislang hat die Forschung Hinweise für beide Hypothesen geliefert, deren Wahrscheinlichkeit Professor Becks im Rahmen seines neuen Projektes mit experimenteller Evolution untersuchen wird. „Um Wahrscheinlichkeiten überprüfen zu können, müssen wir eine sehr große Anzahl von Replikaten untersuchen“, so der Wissenschaftler. „Dafür benötigen wir automatisierte Methoden, mit denen wir gleichzeitig viele Proben über lange Zeiträume hinweg unter konstanten Bedingungen bearbeiten und vergleichen können.“ Dazu gehören unter anderem Pipettier-Roboter, aber auch automatisierte Bildgebungsverfahren, die die Veränderungen, die die Evolution von Symbiosen auf Zellebene auslöst, sichtbar machen.

Welche Umweltbedingungen führen zur Bildung von stabilen Symbiosen?

Für die Studie verwendet Becks Grünalgen der Art Chlorella als Symbionten sowie Pantoffeltierchen der Art Paramecium bursaria als Wirte. Als Modellsystem eignen sich diese beiden Partner besonders gut, weil ihre Interaktionen vergleichbar mit einem der Prozesse sind, der einmal zur Evolution von grünen Pflanzen geführt hat. In den Versuchen werden die Algen und Pantoffeltierchen unterschiedlichen Umweltbedingungen ausgesetzt. Dies erlaubt dem Team um Becks, nachzuvollziehen, unter welchen Bedingungen sich Symbiosen herausbilden. Entscheidend ist für den Wissenschaftler dabei die Frage, ob der Symbiont von der Mutterzelle auf die Tochterzelle übertragen wird, oder ob die Tochterzelle selbst auch neue Symbionten aus der Umgebung aufnehmen kann.

„Wir kreieren verschiedene Umwelten, setzen unsere Organismen diesen Bedingungen aus und lassen sie über viele Generationen wachsen“, erläutert Becks. Diese Methode wird experimentelle Evolution genannt. Ein Ansatz innerhalb der Studie ist, zu den Algen und Pantoffeltierchen zusätzlich Chloroviren hinzuzugeben, die die Algen befallen und somit die Bedingungen für die Evolution einer Symbiose beeinflussen können. Am Ende vergleichen die Wissenschaftler dann, ob sich bestimmte Eigenschaften wie in diesem Fall Symbiosen unter der einen oder anderen Bedingung herausgebildet haben.

Laut Theorie ist die Wahrscheinlichkeit für die Herausbildung stabiler Symbiosen größer, wenn die Übertragung von Symbionten nur von der Mutter- auf die Tochterzelle stattfindet. In Langzeitstudien kann diese Annahme durch die Manipulation der Umweltbedingungen überprüft werden. Dementsprechend werden über die gesamte Studie hinweg Teile der Population immer wieder neuen Umweltbedingungen ausgesetzt. Die Veränderungen, die sich über die Zeit abspielen, werden genau beobachtet, indem einzelne Individuen entnommen und untersucht werden. „Woran wir besonders interessiert sind, ist die Frage, wie abhängig Wirt und Symbiont zu verschiedenen Zeitpunkten des Experiments voneinander sind. Das testen wir unter anderem, indem wir sie wieder trennen und schauen, ob sie trotzdem weiterwachsen und sich reproduzieren“, so Becks. Gleichzeitig untersuchen die Wissenschaftler mittels genomischer Analysen, ob und welche genetischen Veränderungen stattfinden. „Wenn man dann zwischendurch an dem Punkt ankommt, an dem ein Pantoffeltierchen grün wird, das eigentlich nicht grün ist – also einen Symbionten aufgenommen hat – dann ist das ein wunderbares Erlebnis“.

Faktenübersicht:

  • Der Konstanzer Limnologe Prof. Dr. Lutz Becks erhält Förderung in Höhe von circa 1,8 Millionen Euro von der Gordon and Betty Moore Foundation.
  • Sein auf fünf Jahre ausgelegtes Projekt untersucht die genetischen und zellulären Mechanismen der Symbiose sowie die Umweltbedingungen, die die Bildung von symbiotischen Lebensformen begünstigen oder erschweren.
  • Fördersumme: Etwa 1,8 Millionen Euro.
  • Förderdauer: Fünf Jahre.