Die Kohl-Gänsedistel, Sonchus oleraceus, die heimisch in Europa ist (rechts), kommt typischerweise in vom Menschen geschaffener Umgebung vor und ist weltweit die Pflanzenart, die am häufigsten eingebürgert ist (links, hier in Taizhou, China). Bild: Mar
Die Kohl-Gänsedistel, Sonchus oleraceus, die heimisch in Europa ist (rechts), kommt typischerweise in vom Menschen geschaffener Umgebung vor und ist weltweit die Pflanzenart, die am häufigsten eingebürgert ist (links, hier in Taizhou, China). Bild: Mark van Kleunen

Startvorteil durch Menschenhand

Internationales Forschungsteam mit Konstanzer Beteiligung veröffentlicht Studie zur Ausbreitung europäischer Pflanzenarten auf anderen Kontinenten

Dokumentation der aus Europa auf andere Kontinente verschleppten Pflanzenarten

  • Pflanzenarten aus stark von Menschen veränderten Lebensräumen sehr erfolgreich bei der Verbreitung auf anderen Kontinenten
  • Pflanzen aus vom Menschen veränderten Lebensräumen haben Startvorteile

Immer mehr Pflanzenarten werden durch den Menschen in neue Gebiete eingeschleppt. Häufig ist aber unklar, welche Faktoren darüber entscheiden, ob sich Pflanzen woanders dauerhaft ansiedeln können. Ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung des Ökologen Prof. Dr. Mark van Kleunen von der Universität Konstanz zeigt nun erstmals, wie die Bindung an unterschiedliche Lebensräume die vom Menschen verursachte Ausbreitung europäischer Pflanzenarten auf andere Kontinente steuert. Die Forschungsergebnisse sind in der aktuellen Ausgabe des renommierten Wissenschaftsjournals „Proceedings of the National Academy of Sciences" erschienen.

Mehrere Studien haben eindrücklich gezeigt, dass die Ausbreitung von Tier- und Pflanzenarten durch den globalen Handel in den letzten Jahrzehnten massiv zugenommen hat. So sind bis heute weltweit über 13.000 Pflanzenarten vom Menschen in andere Regionen verbracht worden, davon stammen immerhin über 2.500 aus Europa. Zum Vergleich: In ganz Europa sind nur etwa 12.000 Pflanzenarten heimisch, in Deutschland sind es etwas über 3.000 Spezies.

„Unser internationales Team hat zum ersten Mal umfassend die Rolle, die die Bindung der Pflanzen an unterschiedliche Lebensräume in ihrem Heimatgebiet spielt, für ihre Ausbreitung in anderen Gebieten der Erde untersucht. Unsere Hypothese war, dass dieser Faktor entscheidend für die Einbürgerung von Pflanzenarten ist", erklärt Mark van Kleunen. Das internationale Forschungsteam hat das Vorkommen für zirka 10.000 aus Europa stammenden Pflanzenarten – wovon bislang über 2.500 sich auf anderen Kontinenten eingebürgert haben – in verschiedenen Lebensräumen dokumentiert. Im Anschluss wurde untersucht, ob sich Pflanzenarten bestimmter Lebensräume auf anderen Kontinenten besonders stark ausgebreitet haben.

Das Ergebnis der Studie ist eindeutig. Jene Arten, die in Europa in stark vom Menschen veränderten Lebensräumen wie Äcker und Brachflächen vorkommen, waren äußerst erfolgreich bei der Eroberung anderer Kontinente. Mehr als 40 Prozent der in Europa in diesen Lebensräumen vorkommenden Pflanzenarten sind mittlerweile auf anderen Kontinenten heimisch geworden.

„Im Zuge der Kolonialisierung anderer Erdteile haben Europäer viele Pflanzen in andere Erdteile ‚exportiert'. Dies geschah oft unabsichtlich – etwa mit Ballasterde von Schiffen oder verunreinigtem Saatgut", erläutert Mark van Kleunen. Und er ergänzt: „Pflanzenarten, die in Europa schon in vom Menschen veränderten Lebensräumen heimisch waren, hatten dabei einen Startvorteil: Sie wurden öfters verschleppt und fanden in den neu zu besiedelnden Regionen ideale Lebensbedingungen vor." Die Studie zeigt, dass die biologische Globalisierung manche Pflanzenarten besonders begünstigt – nämlich solche, die es geschafft haben, vom Menschen geschaffene Lebensräume zu erobern.

Originalpublikation:
Kalusova, V., Chytry, M., van Kleunen, M., Mucina, L., Dawson, W., Essl, F., Kreft, H., Pergl, J., Weigelt, P., Winter, M., Pyšek, P.: Naturalization of European plants on other continents: the role of donor habitats. Proceedings of the National Academy of Sciences. 4. Dezember 2017.
http://www.pnas.org/content/early/2017/12/01/1705487114.abstract

Faktenübersicht:

  • Internationales Forschungsteam mit Beteiligung von Mark van Kleunen, Professor für Ökologie an der Universität Konstanz
  • Untersuchung von 9.875 Pflanzenarten und ihre weltweite Ausbreitung
  • Der wissenschaftliche Anteil von Mark van Kleunen zum Gesamtprojekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der „Global Naturalized Alien Flora (GloNAF)-Datenbank: Einsicht in die Muster und die Treiber des globalen Pflanzeninvasionen“ gefördert.