Die Verfassung: Wertegrundlage mit Streitpotenzial?

Konstanzer Exzellenzcluster Kulturelle Grundlagen von Integration diskutiert über Verfassungspatriotismus und seine Grenzen

Ist das Grundgesetz der Stoff, der unsere Gesellschaft zusammenhält? Oder missverstehen sogenannte „Verfassungspatrioten“ seine Bedeutung? Fragen wie diesen will die Tagung „Verfassungspatriotismus in der Migrationsgesellschaft“ am 11. und 12. Oktober 2018 an der Universität Konstanz und im Kulturwissenschaftlichen Kolleg nachgehen. Der Exzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“ lädt dazu alle Interessierten ein.

Auf welchen Werten basiert unsere Gesellschaft? Auch wenn dies in den aktuellen Debatten um Migration und Integration mitunter sehr kontrovers diskutiert wird, wird auf eine gemeinsame Quelle – zumindest in nicht-radikalisierten Kreisen – übereinstimmend verwiesen: Auf das Grundgesetz. Zum Grundgesetz bekennt sich nicht nur der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle – er sei „in erster Linie Verfassungspatriot“, sagt er. Auch der Sprecher der Türkischen Gemeinde Deutschland Gökay Sofuoğlu bezeichnet die Verfassung in einer Diskussionsrunde als „seine Bibel“. Weshalb kommt es dennoch zu Konflikten?

Wie das Grundgesetz das gesellschaftliche Zusammenleben anzuleiten vermag und wo die Grenzen dafür liegen, damit befasst sich die Tagung „Verfassungspatriotismus in der Migrationsgesellschaft“ aus verschiedenen fachlichen Perspektiven. Der Exzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“ der Universität Konstanz bringt dazu unter anderem RechtswissenschaftlerInnen und KulturwissenschaftlerInnen, SoziologInnen und PolitikwissenschaftlerInnen zusammen.

Auch wenn sich der Verfassungstext selbst über die Jahrzehnte kaum verändert hat, wurde er zu verschiedenen Zeiten recht unterschiedlich interpretiert. Wie um die richtige Deutung der Verfassung gerungen wird, zeigt beispielsweise der Streit um Abtreibung, um die gleichgeschlechtliche Ehe oder das Tragen des Kopftuchs im öffentlichen Dienst. „Befürworter desselben argumentierten mit der Religionsfreiheit, Gegner wiesen auf die staatliche Neutralität in der säkularisierten Gesellschaft hin“, sagt Kulturwissenschaftler Özkan Ezli, Mitorganisator der Tagung. „Dies spiegeln die Kopftuchentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts wider, das 2003 und 2015 unterschiedliche Akzente setzte und zuletzt die individuelle Religionsfreiheit als vorrangig betrachtete.“

„Die Wertschätzung des Grundgesetzes bedeutet auch, dass ergebnisoffen um seine richtige Auslegung gerungen wird“, betont Daniel Thym, Professor für Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht an der Universität Konstanz und Kodirektor des Forschungszentrums für Ausländer- & Asylrecht (FZAA), der die Tagung zusammen mit Özkan Ezli organisiert. „Und einmal abgesehen von der juristischen Fachdiskussion über den Verfassungstext erhalten selbst die Urteile des Bundesverfassungsgerichts erst Breitenwirkung, wenn sie in gesellschaftliche Debatten eingebettet sind“, sagt der Rechtswissenschaftler.

Der Festvortrag von Uwe Volkmann, Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Universität Frankfurt, widmet sich eben diesem Thema „Verfassung und Gemeinsinn“. Die Veranstaltung am 11. Oktober um 17.15 Uhr in Hörsaal A 703 der Universität Konstanz ist für alle offen. Auch bei den Vorträgen und Diskussionen der Tagung sind InteressentInnen herzlich willkommen.

Faktenübersicht:

  • Öffentlicher Festvortrag von Prof. Dr. Uwe Volkmann, Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Universität Frankfurt, zum Thema: „Verfassung und Gemeinsinn“ am 11. Oktober um 17.15 Uhr in Hörsaal A 703 der Universität Konstanz
  • Öffentliche Tagung „Verfassungspatriotismus in der Migrationsgesellschaft“
  • Ort: Universität Konstanz, Raum H 306, und Kulturwissenschaftliches Kolleg Konstanz, Otto-Adam-Str. 5, Konstanz