Außenansicht Deutscher Bundestag Foto: Deutscher Bundestag/Axel Hartmann

„Dem Bürger die Hoheit über die Daten geben“

Prof. Dr. Ines Mergel spricht im Bundestag-Ausschuss „Digitale Agenda“ Empfehlungen zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung aus

„Digitale Transformation bedeutet, dass Verwaltungsprozesse im Sinne der Bürger und für deren Nutzen transformiert werden – und zwar nicht aus der internen Logik der Verwaltung heraus.“ Auf Einladung des Deutschen Bundestages sprach die Konstanzer Verwaltungswissenschaftlerin Prof. Dr. Ines Mergel ihre Empfehlungen für die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung aus. Ines Mergel war als wissenschaftliche Sachverständige zum Thema „Moderner Staat – Chancen durch die Digitalisierung“ in den Ausschuss „Digitale Agenda“ des Bundestages eingeladen worden. Die Konstanzer Verwaltungswissenschaftlerin empfahl in dem öffentlichen Fachgespräch sowie in ihrer schriftlichen Stellungnahme nachdrücklich, die sukzessive Umstellung der Verwaltung auf digitale Dienstleistungen (E-Government) vom Nutzungsverhalten der Bürger aus zu designen und die Datennutzung transparent zu gestalten. „Die inhaltliche Hoheit über die Dateneinsicht muss bei dem einzelnen Bürger bleiben“, so Ines Mergel.

„Die Nutzung von bestehenden E-Government-Angeboten stagniert, da digitale Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung aus Bürgersicht nicht nutzerfreundlich sind“, warnt Ines Mergel und verweist auf aktuelle Studien. Demnach werden die Onlineangebote der öffentlichen Verwaltung von weniger als einem Fünftel der Deutschen genutzt. „Die digitale Transformation, die in den meisten anderen Lebensbereichen erfolgreich umgesetzt wurde und für Kunden im Privatsektor Normalität geworden ist, stoppt in der Bürgererfahrung mit der öffentlichen Verwaltung“, zeigt Mergel auf. Grund sei, dass deren Onlineangebote aus der internen Logik der Verwaltung heraus gestaltet wurden, die dem Nutzungs- und Suchverhalten der Bürger nicht entspricht. Informationen seien dadurch teils schwer zu finden, der elektronische Schrift- und Zahlungsverkehr sei häufig umständlich, digitale Formulare müssen in vielen Fällen trotzdem per Hand ausgefüllt und physisch in das Verwaltungsgebäude gebracht werden.

„Eine Veränderung der Verwaltungsausbildung ist notwendig, um verwaltungswissenschaftliche Kenntnisse mit IT-Kenntnissen zu digitaler Transformation zu kombinieren“, schlussfolgert Mergel. Wichtig sei, die Verwaltungsprozesse nicht eins zu eins von analog auf digital zu übertragen, sondern neu zu konzipieren. Die Digitalisierung der Verwaltung berge das große Potenzial, bestehende bürokratische Prozesse zu überdenken und stark zu verkürzen: „Aus 18 Seiten Formularen wird eine Seite“, skizziert Ines Mergel die Stoßrichtung.

„Es ist nicht notwendig, das Rad neu zu erfinden oder einen hundertprozentig deutschen Weg einzuschlagen“, schildert die Konstanzern Verwaltungswissenschaftlerin und betont: „Wichtig ist hier weniger, mit Gesetzen vorab zu operieren. Stattdessen wäre es sinnvoller, sich über Verwaltungsebenen hinweg freiwillig auf gemeinsame Prinzipien zu einigen.“ Ein Vorbild für die nutzerorientierte Gestaltung der digitalen Verwaltung liefert Dänemark. „Der Fokus der Umsetzung hat in Dänemark darauf gelegen, zunächst die Nutzungspotenziale zu generieren und damit bei den Bürgern eine breite Anwendungsbereitschaft zu schaffen, anstatt einer perfekten technologischen und rechtlichen Infrastruktur“, so Mergel. Wichtig sei in diesem Kontext, einen Mehrwert über die Verwaltung hinaus zu schaffen und die Infrastruktur in den Alltag der Bürger zu tragen. „In Dänemark wurde dieser Mehrwert beispielsweise mit anderen digitalen Dienstleistungen für die Bürger erfahrbar gemacht“, zeigt Mergel auf. Ein Beispiel hierfür ist die Verknüpfung von elektronischen Ausweisfunktionen (eID) und digitalem Bankkonto. Zentrale Bedingung sei aber, dass der Zugriff auf individuelle Daten der Bürger transparent gestaltet wird und die Entscheidungsgewalt über die Nutzung der Daten beim Bürger bleibt. „Dem Bürger die Hoheit über die Daten geben“, unterstreicht Ines Mergel die Grundbedingung: „Transparenz für den Bürger wird dann erreicht, wenn der Bürger weiß, wie seine eigenen Daten genutzt werden.“

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