Materialproben aus neuartigem Polyethylen mit eingebauten Sollbruchstellen (färbt sich rot im Bild, wenn man mit der Maus drüberfährt) in den Molekülketten. Bildnachweis: Maximilian Baur, AG Mecking

Zäh und trotzdem abbaubar

Chemikern der Universität Konstanz gelingt die Herstellung einer neuen Art von Polyethylen

Polyethylen ist der am häufigsten hergestellte Kunststoff der Welt. Er wird aufgrund seiner Eigenschaften wie Zähigkeit in sehr vielen verschiedenen, auch langlebigen Anwendungen eingesetzt. Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Stefan Mecking im Fachbereich Chemie der Universität Konstanz kann nun durch die Einführung polarer Gruppen in die Molekülketten von Polyethylen dazu beitragen, die Eigenschaften des neuen Materials zu erweitern und gleichzeitig die problematische Umweltbeständigkeit des Kunststoffs zu verringern. Die erwünschten vorteilhaften Eigenschaften von Polyethylen bleiben dabei erhalten. Die Ergebnisse der Laborstudie sind im Wissenschaftsjournal Science vom 29. Oktober 2021 nachzulesen.

Bei Polyethylen handelt es sich um ein unpolares hydrophobes Material, das – ähnlich wie Wachs – sehr wasserabweisend ist. Um die Materialeigenschaften zu erweitern und beispielsweise die Haftung auf Metalloberflächen zu verbessern, besteht seit langem das Anliegen, bei der Herstellung von Polyethylen einen kleinen Anteil polarer Gruppen einzubauen. Das erwies sich in der Vergangenheit als schwierig, da die herkömmlichen Katalysatoren, die bei der Herstellung von Polyethylen bislang verwendet werden, durch polare Reagenzien zerstört werden.

Kleine Mengen Kohlenmonoxid und ein geeigneter Katalysator
Den Doktoranden Maximilian Baur, Tobias O. Morgen und Lukas Odenwald sowie dem Postdoktoranden und Humboldt-Stipendiaten Fei Lin ist es am Lehrstuhl für Chemische Materialwissenschaft gelungen, in die Molekülketten, aus denen die Kunststoffe bestehen, Ketogruppen einzubauen. Dies gelingt durch Verwendung eines Katalysators, welcher aufgrund seiner Position im Periodensystem der Elemente mit dem Kohlenmonoxid, das als Reagenz zur Erzeugung der Ketogruppen dient, verträglich ist.

Entscheidend ist dabei auch, dass nur eine begrenzte Menge an Ketogruppen erzeugt wird, um die typischen und vorteilhaften mechanischen Eigenschaften von Polyethylen wie seine Zähigkeit zu bewahren. „Es ist ein lange verfolgtes Ziel der Wissenschaft und Technik, solche Gruppen in die Polyethylenkette einzubauen. Das dieses nun gelungen ist, eröffnet neue Perspektiven“, fasst Stefan Mecking zusammen.

Der neue Kunststoff ist besser abbaubar
Eine weitere Besonderheit des neuen Kunststoffes ist, dass die kleinen Mengen an Ketogruppen die Abbaubarkeit verbessern können. Im Labormaßstab konnte gezeigt werden, dass unter simuliertem Sonnenlicht ein langsamer Abbau der Ketten einsetzt, was für Polyethylene nicht der Fall ist. „Das Material bietet Ansätze, nicht-persistentes Polyethylen zu entwickeln. Dazu sind aber sicherlich weitergehende Studien nötig, auch um das Langzeitverhalten zu verstehen“, äußert sich Stefan Mecking vorsichtig.

Die Arbeitsgruppe konnte indes in ihren Laborversuchen zeigen, dass das neue Material bezüglich seiner Mechanik und Verarbeitbarkeit dieselben wünschenswerten Eigenschaften besitzt wie herkömmliches Polyethylen.

Faktenübersicht:

  • Originalpublikation: Maximilian Baur, Fei Lin, Tobias O. Morgen, Lukas Odenwald & Stefan Mecking: Polyethylene materials with in-chain ketones from non-alternating catalytic copolymerization, Science 29. Oktober 2021, DOI: 10.1126/science.abi8183
  • In der Arbeitsgruppe für Chemische Materialwissenschaft von Prof. Dr. Stefan Mecking gelingt die Einführung polarer Ketogruppen in die Molekülketten von Polyethylen
  • Trägt dazu bei, Polyethylen als Werkstoff zu verbessern und gleichzeitig seine problematische Persistenz in der Umwelt zu verringern.
  • Finanzierung der Studie mit den Mitteln des 2019 an Stefan Mecking verliehenen Advanced Grant des Europäischen Forschungsrates (ERC).