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Digitale Lösungen in der Coronakrise: Wie wichtig ist Datenschutz für die Bevölkerung?

Am Beispiel der Corona-Warn-App zeigen Konstanzer Forschende, wie das Vertrauen in digitale Lösungen erhöht werden kann

Von der Adressangabe beim Besuch eines Restaurants bis zur Kontaktverfolgung durch die Corona-Warn-App: In der Coronakrise spielten und spielen persönliche Daten eine entscheidende Rolle. An digitalen Lösungen wie der Corona-Warn-App entzündet sich allerdings auch in der Coronakrise die Debatte, was wichtiger ist: der Schutz persönlicher Daten oder das Gemeinwohl. 

Wie denken die BürgerInnen über diese Frage? Die Verhaltensökonomin und Psychologin Dr. Katrin Schmelz und ihr Kollege Dr. David Dohmen haben dies in einer großangelegten Online-Befragung des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“ der Universität Konstanz untersucht. In Zusammenarbeit mit dem Berliner Think Tank „Das Progressive Zentrum“ hat der Cluster die Ergebnisse der Studie mit konkreten Empfehlungen für die Politik in einem Policy Paper veröffentlicht. 

Das Papier ist auf der Webseite des Progressiven Zentrums verfügbar.

Die wichtigsten Ergebnisse des Papiers im Überblick:

Der Nutzen muss klar erkennbar sein
Die AutorInnen erläutern in ihrem Papier, dass die Befragten der Datennutzung eher zustimmten, wenn ein unmittelbarer und konkret fassbarer Vorteil für sie selbst oder für andere Personen erkennbar ist. Bleibt er unspezifisch, lehnt die Mehrheit der Befragten die Datennutzung ab. Dient die Datenerhebung dagegen beispielsweise der persönlichen Information, dass Kontakt zu einer infizierten Person bestand, sinkt die Ablehnung auf unter 30 Prozent.

Dabei macht es für die Befragten keinen Unterschied, ob die einzelne Information ihnen selbst oder anderen App-NutzerInnen zugutekommt. Die Entscheidung über die Nutzung der Corona-Warn-App wird auch aus altruistischen Motiven getroffen.

Vertrauen entscheidet
Der wichtigste Faktor für diese Entscheidung ist allerdings das Vertrauen in öffentliche Institutionen. Je höher dieses Vertrauen, desto größer die Bereitschaft zur Nutzung der App. Da die zunächst im April und Mai 2020 durchgeführte Befragung im November wiederholt wurde, konnten die AutorInnen auch auf individueller Ebene feststellen: Wer in der Zwischenzeit an Vertrauen in die staatlichen Institutionen eingebüßt hatte, war auch weniger bereit, sich noch auf die Corona-Warn-App einzulassen.

Pflicht wird abgelehnt
Im Durchschnitt ist die freiwillige Bereitschaft zur Nutzung der App deutlich höher, als im Falle einer Verpflichtung zu erwarten wäre. Rund 40 Prozent der Befragten bestätigten, die freiwillige App zu nutzen. Wäre sie dagegen verpflichtend, wäre nur die Hälfte von ihnen dazu bereit.

Handlungsempfehlungen für die Politik
„In Deutschland hat der Schutz persönlicher Daten für viele Menschen eine hohe Bedeutung“, fasst Katrin Schmelz zusammen, „aber staatliches Handeln muss dadurch nicht auf digitale Hilfsmittel im Kampf gegen die Pandemie verzichten.“ Zentral seien die freiwillige Entscheidung der Nutzenden und außerdem die Kommunikation: „Bekommt der Einzelne klar vermittelt, wozu genau eine Corona-App dient, warum und wie seine Bewegungen oder Kontakte verfolgt werden, wozu seine Daten gespeichert werden, dann ist schon viel gewonnen. Dann muss der Staat auch keine Zwänge bemühen, die ohnehin eher kontraproduktiv wirken würden.“

Aus den Befunden des Policy Papers lassen sich auch über die Coronakrise hinaus Schlüsse ziehen, meint David Dohmen: „Seit vielen Jahren streiten wir in Deutschland über den Umgang mit Daten, die der Gefahrenabwehr dienen können, aber in die informationelle Selbstbestimmung eingreifen – Stichwort Vorratsdatenspeicherung. Unserer Ansicht nach hängt die Akzeptanz solcher Vorhaben entscheidend an zwei Faktoren: Freiwilligkeit statt Zwang und ein konkret benannter Nutzen. Die Menschen sind im Prinzip bereit, für einen guten Zweck auch ihre Daten herzugeben.“

Freiwilligkeit und transparente Kommunikation seien allerdings vergebens, wenn die Menschen staatlichen Institutionen nicht vertrauten. Politisches Vertrauen sei gerade bei benachteiligten Gruppen, die von der Coronakrise besonders stark getroffen seien, in Gefahr, nachhaltig ausgehöhlt zu werden. „Dabei spielt gesellschaftliche Ungleichheit eine große Rolle“, sagt Katrin Schmelz. „Es gibt Gruppen mit besonders geringem Vertrauen in die Institutionen, bei denen lösen Maßnahmen wie die Corona-Warn-App sehr negative Emotionen aus. Das Vertrauen der großen Mehrheit zu erhalten, wird nur durch einen sensiblen Umgang mit der Datenflut und durch größtmögliche Transparenz in der Kommunikation mit der Bevölkerung gelingen.“

Faktenübersicht:

  • Aktuelle Publikation: Katrin Schmelz, David Dohmen: Datenschutz in der (Corona-)Krise: Selbstbestimmung und Vertrauen im Fokus. Policy Papers: COVID-19 und soziale Ungleichheit – Thesen und Befunde 05. 11. Mai 2021. Herausgeber: Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“ der Universität Konstanz und Das Progressive Zentrum, Berlin.
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  • Befragungsprogramm des Exzellenzclusters zum Zusammenhang zwischen Corona-Krise und Ungleichheit
  • „Das Progressive Zentrum“ ist ein unabhängiger und gemeinnütziger Think-Tank mit dem Ziel, die Vernetzung progressiver Akteurinnen und Akteure zu fördern und Politik für ökonomischen und gesellschaftlichen Fortschritt mehrheitsfähig zu machen. Sitz in Berlin, Aktivitäten in vielen Ländern Europas (u. a. Frankreich, Polen, Großbritannien) sowie in den USA.
  • Dr. Katrin Schmelz ist Verhaltensökonomin und Psychologin an der Professur für Angewandte Wirtschaftsforschung der Universität Konstanz und am Thurgauer Wirtschaftsinstitut (TWI). Ihre Forschungsinteressen gelten dem Zusammenhang zwischen (intrinsischer) Motivation und Anreizen sowie dem Einfluss von Kultur und Institutionen auf Verhalten.
  • Dr. David Dohmen ist Verhaltensökonom und Psychologe, assoziiert mit der Professur für Angewandte Wirtschaftsforschung der Universität Konstanz sowie dem Thurgauer Wirtschaftsinstitut (TWI). Er forscht zum Umgang mit Daten in einer digitalisierten Welt, sozialen Präferenzen sowie zu Entscheidungs- und Denkprozessen.