Transfer in der Lehre. Tagungskonzept

Seit 2016 macht die sogenannte 'dritte Mission' ein Zentrum der Debatte um die Entwicklung von Hochschulen in Deutschland aus. Sie beschreibt laut einer Definition von Henke/Pasternack/Schmidt „Aktivitäten einer Hochschule, die im Kontext von Lehre und Forschung stattfinden, ohne selbst oder ohne allein Lehre bzw. Forschung zu sein“ und wird in drei Aufgabenbereiche gefasst: Weiterbildung, Technologie- und Wissenstransfer sowie gesellschaftliches Engagement.

Unter dem Eindruck der sogenannten „Flüchtlingskrise“ wurden insbesondere Fragen nach der gesellschaftlichen Verantwortung von Hochschulen laut, und das Konzept des Service Learning (vgl. Sigmon 1979) hat eine erhöhte Aufmerksamkeit erfahren. Die Forderung, sich zu engagieren, führte in der Folge zunächst zu einer Bündelung und Sichtbarmachung von Aktivitäten, die ohnehin stattfinden. Dieser kommunikative Akt beinhaltet jedoch notwendigerweise einen qualitativen Sprung – nicht nur, weil aus einer geduldeten Peripherie eine gewollte und unterstützte Praxis wird, sondern weil bereits die öffentliche Darstellung des gesellschaftlichen Handelns von Universitäten Heterogenes kommunikativ homogenisieren muss und mit einer Richtung versieht. Was möglicherweise zunächst eine schnelle Reaktion von Universitäten auf politischen oder anderweitig außeruniversitären Druck war oder sein kann, wird nun als bewusstes Handeln dargestellt und auch so wahrgenommen. Damit entsteht, selbst wenn es keine explizite universitäre Strategie gibt, inkrementell eine rezipientenseitig konstruierte Handlungsnorm, die sich im Nachgang als Forderung an zukünftiges Verhalten und Handeln der Institution artikuliert. 

Kritisch wird deshalb manchmal hinter den neuerlichen Aufforderungen zu einem stärkeren gesellschaftlichen Engagement  universitären Arbeitens die Verlagerung von gemeinschaftsstiftenden Aktivitäten und Agenturen aus der Politik in die Wissenschaft hinein vermutet. Konkurrierend zum Konzept von Gemeinschaftsstiftung steht der klassische Gedanke des Wissensschafts- und Technologietransfers. „Wissenschaftliche Einrichtungen tragen maßgeblich zur Innovationsfähigkeit eines Landes bei und sind auf günstige Gegebenheiten angewiesen, um Forschung betreiben zu können und Innovation möglich zu machen.“ (Schmach 2008) Universitäten als Orte der Genese innovativer Neuentwicklungen und Erkenntnisse sind damit Teil der erfolgreichen wirtschaftlichen Reproduktion moderner Gesellschaften. Innovation und Wohlstand sind, so gesehen, Synonyme.

Man könnte auf Basis der knapp skizzierten Entfaltung dessen, was unter einer 'dritten' Mission der Universitäten verstanden wird, zwei konkurrierende, wenn auch indirekt zueinander in Beziehung stehende Konzepte sehen:

  1. Die dritte Mission ist eine soziale. Universitäten tragen zur Entwicklung einer besseren Gesellschaft bei. (Schneidewind 2016: 15)

  2. Die dritte Mission ist eine kommunikativ-disseminative. Universitäten sind Motoren der wirtschaftlichen Entwicklung einer Gesellschaft qua Generierung innovativer Ideen. (vgl. Schmoch 2008)

Nun könnte man einerseits argumentieren, auch das Soziale brauche Innovation und somit sei die oben genannte zweite Aufgabe notwendiger Teil der ersten. Andererseits könnte man umgekehrt sagen: eine bessere Gesellschaft ist eine höher entwickelte – Erkenntniszuwachs und technologische Machbarkeit führten automatisch zu einer Verbesserung menschlicher Gemeinschaften.

Frank Himpsls Darstellung zufolge, ist genau diese Mischung Kern des gegenwärtigen Verständnisses von dritter Mission:

„‚Third Mission‘ als Oberbegriff ist hilfreich, weil er einerseits verschiedene Aktivitäten bündelt, die Hochschulen jetzt schon mit Bezug auf die Gesellschaft und Wirtschaft tun, andererseits ist er offen für neue Aktivitäten, an die man unter den Stichworten ‚Wissenstransfer‘ und ‚Weiterbildung‘ vielleicht noch gar nicht so gedacht hat." (Himpsl 2017)

Spätestens seit dem Positionspapier des Wissenschaftsrats zu Transfer in Forschung und Lehre (2016) sowie der Pilotphase des Transferaudits des Stifterverbands und der Heinz-Nixdorf-Stiftung (2015/16) werden außerakademische Aktivitäten, gesellschaftliches Engagement und Kooperationen mit externen Partnern aller Art in Deutschland zum politisch gewollten Kern des universitären Selbstverständnisses gezählt. Bemerkenswert ist dabei die Verschiebung der Begriffe: statt von „third mission“ oder „service learning“ oder „community engagement“ hebt der Wissenschaftsrat die formale Bedingung der Kooperation mit externen Partnern als Begriffskern und Handlungsziel hervor und belegt diese mit dem dafür scheinbar geeigneteren, weil wertneutralen Namen „Transfer“. Allerdings ist nach wie vor unscharf, welche Veranstaltungen und Aktivitäten genau gemeint sind mit dem Begriff „Transfer“. Insbesondere die universitäre Lehre wird herausgefordert durch die mit diesen Begriffen verbundenen Aufgaben. Es bleibt zum jetzigen Zeitpunkt noch offen, wie genau eine transferorientierte Lehre zu einem originären Teil universitärer Bildungsstrategien im Unterschied zu denjenigen der Hochschulen für angewandte Wissenschaft werden kann. Disziplinär sind dabei Chancen und Risiken unterschiedlich verteilt. Ein besonders relevantes, aber bislang kaum systematisch bearbeitetes Feld stellen dabei die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften dar.

Das Symposium soll Orientierung beim Umgang von Transfer- Projekten in der geisteswissenschaftlichen Lehre stiften und kritische Reflexion eines neuen Konzeptes zu einem Zeitpunkt, der noch Gestaltungsenergie zulässt und erfordert, bieten - nicht durch die willkürliche Setzung einer Definition, sondern durch die Ermöglichung des Austauschs. Bedingung eines solchen Austauschs ist die Darstellung der Bandbreite möglicher Veranstaltungstypen und Vorgehensweisen. Ein Ergebnis des Symposiums sollte auch die Clusterung gleichartiger Themen und vergleichbarer Vorhaben sein.

Bislang gibt es kaum gezielte Maßnahmen, Lehraktivitäten an den Universitäten strategisch zusammenzuführen, zu pointieren und der Forschung gegenüber gleichrangig zu behandeln. Das hier beantragte Symposium versteht sich als ein in der gesamtdeutschen Universitätslandschaft deutlich sichtbarer Beitrag, Lehre aufzuwerten. Dazu braucht es dreierlei: gute Beispiele, eine kohärente Gesamtstrategie und, schließlich, eine universitäre Lehrvision. Ganz bewusst möchte das Symposium eine Austauschplattform zu diesem Zeitpunkt bieten. Trotz häufig fehlender Gesamtstrategie gibt es leuchtende Beispiele einer best practice. Diese können und sollen einerseits Impulse für eine mögliche Strategie geben als auch aus weitergehenden bildungstheoretischen und wissenschaftspolitischen Überlegungen heraus gebündelt, bewertet und weiterentwickelt werden.

Quellenangaben

Henke, Justus/Pasternack, Peer/Schmidt, Sarah: Viele Stimmen und kein Kanon. Konzept und Kommunikation der Third Mission von Hochschulen, Halle-Wittenberg 2015.

Himpsl. Franz: „Third Mission“ Forschung, Lehre – und was noch?, in: duz-Magazin05/17 (26.5.17) http://www.duz.de/duz-magazin/2017/05/forschung-lehre--und-was-noch/428 (30.4.18)

Schmoch, Ulrich: „Forschung und Innovation“, in: Wissenschaftsmanagement Online (14.5.2008) http://www.wissenschaftsmanagement-online.de/beitrag/forschung-und-innovation-dr-ulrich-schmoch (30.4.18)

Schneidewind, Uwe: „Die 'Third Mission' zur 'First Mission' machen?“, in: die hochschule (1/2016), S. 14-22.

Sigmon, Robert: „Service-Learning: Three Principles“, in: Synergist (8/1/1979), 9-11.

Stifterverband: „Transfer-Audit. Ein Service zur Weiterentwicklung der Kooperationsstrategien von Hochschulen mit externen Partnern, in: https://www.stifterverband.org/transfer-audit (30.4.18)

Wissenschaftsrat: „Wissens- und Technologietransfer als Gegenstand institutioneller Strategien“, in: https://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/5665-16.pdf (30.4.18)