Praxisbeispiele Distance Learning

Online-Lehrformate mit Erläuterungen zu didaktischen Herangehensweisen und Tools

Wir freuen uns sehr, wenn Sie uns ihre bisherigen und aktuellen Erfahrungen mit Online-Lehrformaten zukommen lassen und Empfehlungen für ihre Kolleg*innen formulieren. Diese Seite wird laufend erweitert.

Konstanz Augmented Classroom – Blended Learning mit Selbstlernphasen und Videokonferenz

Konzipiert für geisteswissenschaftliche Seminare mit viel Diskussionsbedarf, erweiterbar auf alle Lehrkonzepte mit Inputphasen (Vorlesung) und anschließender Diskussion oder dazugehörigen Übungen und Tutorien.


Ausführliche Beschreibung

Das Lehrkonzept Konstanz Augmented Classroom wurde aus einer englischsprachigen, internationalen Seminarkooperation per Videokonferenz heraus entwickelt. Die Ausgangssituation war eine Shared-Classroom Konstellation zum Thema Filmanalyse im internationalen Kontext, bei der zwei Seminargruppen (eine im Ausland, eine in Konstanz) jeweils in einem Videokonferenzraum versammelt waren, die Lehreinheiten wurden abwechselnd von Lehrenden der einen und der anderen Seite gestaltet.

Dabei zeigte sich, dass die Videokonferenz zwar zunächst sehr aufregend war, aber schnell zu einem sehr frontalen Unterrichtsmodell wurde, bei dem jeweils eine Seite den Darstellungen auf dem Bildschirm folgte, insgesamt aber wenig Interaktion aufkam. Die Live-Veranstaltung hätte über längere Phasen auch gut als Konserve abgespielt werden können – und wäre als solche auch noch besser gestaltbar gewesen.

Basierend auf diesen Überlegungen setzten wir ein „Flipped Classroom“-Modell für das Distance Learning auf. „Umgedreht“ wurde der Unterricht dabei letztendlich vom Kopf auf die Füße: Alles, was sich statisch vorhalten lässt – Lehrvideos mit Instruktionen und Erklärungen, Texte zum Thema, Übungsaufgaben und (in unserem Fall) Videoclips zur eingehenden Untersuchung und Erledigung von Analyseaufgaben – wurde im ILIAS online gestellt.

Die Live-Sitzungen wurden dadurch frei von der reinen Übermittlung von Inhalten und dienen der Diskussion der (vorher online eingereichten) Übungen und der Weiterführung von Beobachtungen und aufgekommenen Ideen. Durch den großen Selbstlernanteil der Veranstaltung genügt ein geringerer Anteil von Live-Sitzungen (jeweils zum Abschluss eines Themenkomplexes).

Live-Videositzungen – ob im Videoraum oder ganz ortsverteilt über Webinare – müssen in jedem Fall gut gegliedert sein und brauchen eine starke Moderation durch den Lehrenden. Einerseits gilt es hierbei bisweilen, die Schüchternheit der Teilnehmer*innen (zumal vor der Kamera) zu überwinden und zur Teilnahme zu motivieren, andererseits muss spontan auftretende, engagierte Teilnahme gut vermittelt werden, um es nicht zu „Chaos in der Leitung“ kommen zu lassen. Die Strukturierung der Video-Sitzung gelingt dabei leichter über vorher eingegangene Beiträge – gute Einreichungen (oder Aspekte daraus) können lobende Erwähnungen finden, weniger gut Verstandenes kann aufgegriffen und nochmals eingehender behandelt werden.

Für die Übermittlung des Materials und seine Bearbeitung und Korrekturen könnte auf die Live-Sitzung auch verzichtet werden – so können auch kurzfristige technische Ausfälle auf Seiten der Veranstalter*innen als auch Teilnehmer*innen abgefedert werden. Durch die regelmäßigen Live-Treffen bildet sich allerdings auch ein spezielles Zusammengehörigkeitsgefühl als Lerngruppe, das für Präsenzveranstaltungen selbstverständlich ist, aber durch die zeitversetzte Kommunikation in (Online-)Foren eher nicht zustande kommt. Durch die Ausnahmesituation „Präsenz“, die gute Vorbereitung und die mögliche Klärung aller rein informativen Sachverhalte schon im Vorfeld, gewannen die Live-Sitzungen zudem schon früh im Semester an einer Lebendigkeit und auch Vergnüglichkeit, die im normalen Betrieb eher als seltene Höhepunkten (meist eher gegen Ende einer Veranstaltung) auftauchen.

Es hat sich gezeigt, dass das rahmende Online-Material der Veranstaltung zudem eine eingehende Beschreibung des Vorgehens und des Ablaufs der Veranstaltung enthalten sollte, um eine Idee des Ablaufs und die Ansprüche an die Teilnehmer*innen vorab und explizit zu vermitteln. Je nach Geschmack kann dies eine eher formlose Zielvereinbarung mit Wünschen und Anregungen zur Veranstaltung oder ein ausgearbeiteter „Lernvertrag“ sein (es gibt viele ausgearbeitete Beispiele für die Inhalte eines Lernvertrages, hier ein Beispiel).

Ein dauerhaftes Angebot des Kurses als reines Distance Learning konnte leider bislang nicht etabliert werden, allerdings wurde der Kurs von 2015 bis 2019 regelmäßig als Blended-Learning Kurs mit Präsenzveranstaltungen im Seminarraum für Erasmus-Studierende im literatur- und filmwissenschaftlichen Bereich angeboten.
Die Vorteile der Kursgestaltung zeigten sich aber auch deutlich im normalen Präsenzbetrieb: Durch die umfassende Vorbereitung von Input und Übungsaufgaben lässt sich der Kurs mit wenig Aufwand kopieren und immer wieder zum Einsatz bringen, die Studierenden sind umfassend darüber informiert, was von Ihnen erwartet wird und werden mit regelmäßigen Übungen zum umfassenden Selbststudium angehalten. Auch die typischerweise sehr heterogene Lerngruppe auf unterschiedlichen Sprach- und Lernniveaus wurde durch den Kurs gut abgeholt und war in kürzester Zeit in der Lage, auch in einer Fremdsprache an lebendigen Diskussionen teilzunehmen. Elemente der Kursgestaltung konnten so gut auch in andere Seminare im normalen Präsenzbetrieb übernommen und gewinnbringend eingesetzt werden.

Zusammenfassung

Die Online-Fernlehre erfordert ein hohes Engagement auf Seiten der Teilnehmer*innen, dies kann einerseits durch abwechslungsreiches Lehrmaterial motiviert, andererseits aber auch durch detaillierte Arbeitsanweisungen und einen ausgearbeiteten Überblick zu den Erwartungen an das Selbststudium gesteuert werden.

Lehrmaterialien, inhaltlicher Input und Übungsanweisungen sollten möglichst zeitunabhängig zugänglich und bearbeitbar sein – kurzfristige technische Ausfälle der Plattform stellen so keinen Ausfall im Lernprozess dar. Ein gemeinsames Verfahren zur zeitunabhängigen Kommunikation sollte vereinbart werden (zum Beispiel Foren, ggf. mit Abonnement zur Benachrichtigung bei Aktivität).

„Präsenzphasen“ (Videokonferenz, Live-Chat, u.ä.) sollten dennoch nicht vernachlässigt werden und sind wesentlich für die Etablierung einer lernförderlichen Gruppenstimmung mit Austausch und Diskussionen.

Die Vorteile bei der Gestaltung des Distance Learnings sind in weiten Teilen auch auf die Präsenzlehre übertragbar – Arbeit, die hier investiert wird, lässt sich langfristig gewinnbringend einsetzen.

Einen detaillierten Überblick zum Distance Learning Seminar „Film in Film“ zur Selbstreflexivität im Film in englischer Sprache finden Sie auf dieser Seite, der Kurs steht einsatzbereit im ILIAS und wird Ihnen gerne zur Verfügung gestellt.